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Rezension: Gewalt entsteht im Kopf.

Prof. Dr. med. Michael Günter befasst sich in diesem Buch mit dem menschlichen Grundproblem der Gewalt und verdeutlicht anhand der Filmklassiker "Spiel mir das Lied vom Tod", "Krabat", "Uhrwerk Orange", "Batman- The Dark Knight", "Terminator", und "Sleepers" sowie Falldarstellungen aus der eigenen Praxis, wie sich die psychischen Mechanismen von Gewalt offenbaren.

Im Buch geht es darum, wie Gewalt im Kopf, wie Fantasien über Gewalt entstehen, auch wie es dazu kommt, dass die Fantasien letztlich in die Ausübung der Gewalt münden, so der Autor, (vgl.: S. 9). Prof. Dr. Günter spürt dem komplizierten Zusammenwirken vorangehender, nicht selten prägender Lebenserfahrung, psychischer Dispositionen und sozialer als auch situativer Einflussfaktoren nach, die er von verschiedenen Blickwinkeln aus beleuchtet. (vgl.: S.9).

Ziel des Autors ist, den Leser auf verständliche Weise über Gewalt aufzuklären, um aufgrund eines umfassenderen Verständnisses des Problems und der psychischen Mechanismen, die Gewalt bedingen, zu einer rationaleren Diskussion in der Öffentlichkeit beizutragen, (vgl.: S.9).
Der Autor konstatiert, dass die Filme uns affektiv ergreifen und uns die Gefühle der dargestellten Protagonisten miterleben lassen. Prof Dr. Günter ist der Ansicht, dass sie im Vergleich zu Werken aus der Literatur oder der bildenden Kunst und Fotografie eine besondere Wucht entfalten, indem sie Bild, Bewegung, Sprache und Musik kombinieren und auf diese Weise ein dichtes Gewebe von Sinneseindrücken entstehe, von denen er glaubt, dass sich unsere Psyche diesen kaum zu entziehen vermag, (vgl.: S. 10).

Der Autor unterstreicht, dass Forschungsbefunde nahelegen, "dass der Konsum von Gewalt in Bildmedien, also in Filmen und Computerspielen, das kindliche und jugendliche Gehirn so prägt, dass einerseits ein Abstumpfen gegen Gewalt eintritt und andererseits die Hemmschwelle sinken lässt und eine entsprechende Handlungsbereitschaft erhöht wird", (Zitat. Seit 12-13). Je mehr sich Personen in Nebenrealitäten einspinnen und reale soziale Bezüge verlieren, bzw. sich von diesen ausgeschlossen fühlen, um so gefährlicher wird der potentiell antisoziale Sog, der durch die grausame Bilderwelt entsteht, (vgl.: S.14).

Gewalt in Filmen wird nicht immer als böse Macht eingesetzt und erlebt, sondern auch um Gerechtigkeit, Sicherheit und Freiheit wieder herzustellen. Obschon die Mehrzahl der Menschen diese bewusst ablehnt, werden trotz allem pausenlos Krimis, Psychothriller und Actionthriller im Fernsehen konsumiert, die, so Prof. Dr. Günter, vor Gewalt nur so strotzen, (vgl.: S.16). Liest man das Buch, beginnt man zu begreifen, weshalb dies so ist.

Der Autor interpretiert Gewalt in ihrer negativen Bedeutung als unrechtmäßige Ausübung von psychischem und psychischem Zwang auf Menschen. Dabei werden andere Menschen vorsätzlich geschädigt und in ihren Rechten beeinträchtigt. Angelehnt an diesen Gewaltbegriff ist der Begriff der strukturellen Gewalt, der im Buch ebenfalls näher erläutert, (vgl.: S. 17ff). Die subjektive Seite der Gewalt wird durch den Begriff Aggression unterstrichen. Unter Aggression versteht man ein affektbedingtes Angriffsverhalten des betreffenden Menschen, während Destruktivität in besagtem Zusammenhang die zerstörerischen Aspekte aggressiven menschlichen Verhaltens meint, die bis zur Lust an der Zerstörung sich steigern können, (vgl.: S.18).

Das Buch macht begreifbar, in welchem Ausmaß wir Gewalt in uns tragen und möchte einen Weg aufzeigen, mittels dem man das Umsetzen von Gewalt in Handlungen wirksam begrenzen kann. Dies gelingt dem Autor übrigens hervorragend.

Was hat Gewalt mit Rache-, Schuld- und Schamgefühlen zu tun?
Wie stellt sich Lust an der Macht und die Herrschaft des Schreckens dar?
Kann Gewalt ein letzter Ausweg in der Not sein?
Weshalb gehören Angst, Aggressivität und Sexualität im gewissen Sinn zusammen?
Wie gehen Männer und wie gehen Frauen mit Gewalt um?
Welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen lösen Gewalt aus?
Fragen wie diese, werden im Buch mehr als nur zufriedenstellend beantwortet.

Dr. Günter weiß, dass die Fixierung auf Gewalt als Mittel genutzt wird, um das Gefühl der Wertlosigkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verlassenheit zu bekämpfen. Aufgrund von Gewaltausübung vergewissern sich die Betreffenden ihrer Handlungsfähigkeit, befriedigen ihre Rache sowie Vergeltungswünsche und wehren ihre Schuldgefühle ab, (vgl.: S. 166).

Deshalb, so Prof. Dr. Günter, ist die beste Prävention gegen individuelle Gewaltentwicklung, die Gewalt und Vernachlässigung von Kindern in den Familien wirksam zu bekämpfen und Jugendlichen gute Perspektiven der Teilhabe am sozialen Leben, an Bildung, Beruf und sozialer Anerkennung sowie materieller Sicherung zu gewähren, (vgl.: S. 166). Dieser Schlussfolgerung schließe ich mich bedingungslos an.

Empfehlenswert.

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Rezension:Funkstille- Tina Soliman

Die Journalistin Tina Soliman stellt im Rahmen von sieben Lebensgeschichten das Phänomen Kontaktabbruch vor und lotet dieses mithilfe von einschlägiger Fachliteratur aus. Ich werde die Geschichten bewusst nicht verkürzt nacherzählen, um die Spannung am Buch nicht zu mindern, wohl aber möchte ich auf die wissenschaftlichen Hintergründe für "Funkstille" eingehen.

"Funkstille" ist eigentlich ein Wort aus der Schifffahrt. Inhaltlich besagt es die Einstellung des Funkverkehrs, um Notsignale - SOS - besser empfangen zu können. Die Funkstille ist also ein Schweigen, in das hinein Notsignale gesendet werden. Dieses verschlüsselte Signal bekundet, dass etwas nicht stimmt. Mittels dieses Signals wird auf eine Störung hingewiesen, hinter der alles zurückstehen muss, damit sie nicht überhört wird. Die Autorin konstatiert, dass "Funkstille" in der menschlichen Kommunikation, ebenfalls als Signal gedeutet werden muss, das besagt: "Bitte höre, was ich nicht sage."(vgl.: S.175.)

Soliman thematisiert in ihrem erhellenden Buch u.a. die Verlassenen, die Abbrecher, das Schweigen, die Motive und die Persönlichkeitsmuster der Betroffenen. In den Gesprächen mit den Verlassenen hatte die Autorin den Eindruck, dass diese Menschen Gefühle schildern, die denen von Hinterbliebenen eines Selbstmörders nicht unähnlich sind. Kontaktbruch muss man als harte Grenze verstehen, die nicht zu durchstoßen ist, (vgl.: S. 30). Das Problem besteht darin, dass die Hinterbliebenen nicht endgültig abschließen können.

Für den Verlassenen bedeutet Schweigen zunächst einmal Ablehnung. Der Verlassene sucht nach Klärung. Er möchte kommunizieren, um den Beziehungsabbruch zu verstehen. Das Schweigen schafft viel Raum für Spekulation, für Missverständnisse und Überlegungen, die letztlich einen möglich bestanden habenden Konflikt weiter befeuern, (vgl.: S.65).

Abbrecher lassen sich gerne ein Hintertürchen offen. Der Psychologe Udo Rauchfleisch, auf den die Autorin immer wieder Bezug nimmt, konstatiert, dass dies alles andere als fair sei, weil auf diese Weise beide nicht abschließen können. Nach seiner Ansicht bedeutet der Abbruch der Kommunikation, dass es innerlich noch nicht vorbei ist. Solange man schweigt, so Rauchfleisch, ist die Beziehung definitiv noch nicht beendet und die vorangegangene Verletzung noch nicht wirklich verarbeitet, (vgl. S.75).

Soliman schreibt, dass beim Thema "Funkstille" stets die gleichen Vokabeln auftauchen. Sie nennt: Schutz, Flucht, Angst, Verzweiflung, Strafe, Manipulation, Kränkung, (vgl.: S.80). Professor Rauchfleisch meint, dass "Funkstille" primär ein Zeichen von Schwäche sei, eine Kommunikationsstörung, bei der die Person, die verlässt, nicht in der Lage ist, den Konflikt vernünftig abzuschließen, (vgl.: S. 92). Die Psychotherapeutin Trin Haland-Wirth meint, dass Funkstille aggressiv und ärmlich sei. Hat jemand es nötig, derartiges zu machen, ist er nicht in der Lage es anders hinzukriegen, (vgl.: S. 95). Professor Teising ist der Ansicht, dass es bei "Funkstille" um Vernichtung geht. Er glaubt, dass das Selbstbild des Abbrechers zerstört sei und dass dieser nicht möchte, dass dieser Tatbestand für den anderen sichtbar wird. Er möchte also demnach nicht, dass das, was er selbst nicht erträgt, für den anderen erkennbar wird. Insofern versinkt er vor Scham in den Boden, (vgl.: S. 102).


Bei "Funkstille" gibt es im Verhalten des Abbrechers Charakteristika, welche offenbar häufig bei narzisstischen und schizoiden Persönlichkeiten zu Tage treten, aber auch bei bipolaren Störungen, sprich bei manisch-depressiven Personen. Soliman hebt hervor, das schizoide Menschen Angst vor Hingabe haben. Wenn solchen Personen ein Mensch zu nahe kommt, stoßen sie ihn schroff weg. Hinter diesem Verhalten stecke der Versuch der Selbstbewahrung und Ich-Abgrenzung, (vgl.: S.149).

Narzisstische Persönlichkeiten neigen eher zum Kontaktabbruch als andere, weil "Funkstille" letztlich auch eine narzisstische Aufwertung ist. Wer den Kontakt abrupt abbricht, gibt den Ton an und setzt den anderen unter Druck. Der Verlassene ist zum Warten verurteilt, ist vermeintlich abhängig davon, dass der Abbrecher der Kontakt wieder aufnimmt. Professor Rauchfleisch verdeutlicht jedoch, dass letztlich der Narzisst der Abhängige ist. Der Abbrecher, der sich in eine extreme Abhängigkeit zu einer anderen Person begeben hat, erträgt diese Abhängigkeit nicht mehr, bricht den Kontakt ab, allerdings in der falschen Hoffnung, dadurch die Abhängigkeit zu überwinden, (vgl.: S.158).

Kontaktabbruch ist letztlich eine Kapitulation, aus der- das hebt die Autorin zum Ende ihres Buches hervor- immer auch ein neues Miteinander erwachsen kann, sobald Abbrecher und Verlassener ihre Irrtümer erkennen und sich die Mühe machen, verstehen zu wollen, was der andere sagen möchte, auch ohne Worte, (vgl.: S. 170).

Ein sehr gutes Buch, das mir einiges klar gemacht hat. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass Ursache für einen Kontaktabbruch auch Scham sein kann.

Empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: Die Liebe neu erfinden- Wilhelm Schmid

Der Philosoph Wilhelm Schmid spürt in diesem Buch der Frage nach, wie die Liebe glücken kann. Sein Text, das möchte ich gleich vorweg schicken, ist kein intellektueller Spaziergang, sondern eine überaus differenzierte Betrachtung des Themas, wie ich sie in anderen Büchern über die Liebe bislang noch nicht gelesen habe.

Was ist Liebe? Eine vibrierende Intensität, Kräfte, die zuströmen und schwinden, Feuer, das entzündet wird und verglimmt, eine Flamme, die lichterloh brennt, bevor sie erlischt? Was geschieht, wenn man sich im Zustand der Liebe befindet?

Schmidt schreibt, dass die gängigen Deutungen der Liebe starke Gefühle füreinander sind, das dauerhafte Einsein, das wechselseitige Verständnis, die Treue, das gemeinsame Wachsen, die beiderseitige Bereitschaft, Schwierigkeiten durchzustehen, ohne die Beziehung in Frage zu stellen, auch die Gewissheit, sich in allen Lebenslagen aufeinander verlassen zu können,(vgl.S. 49). Doch auch andere Deutungen sind zulässig. Liebe kann zur Gewohnheit werden, sie kann durchaus auch noch bestehen, wenn man zeitweilig auf Sexualität verzichtet, auch wenn man kein großes Augenmerk auf die Treue legt und wenig Scheu vor Konflikten hat. Der Philosoph verdeutlicht, dass erst zu dem Zeitpunkt, wenn die Liebe, ihre Energie und ihr Sinn endgültig entbehrt werden müssen, das Spiel von vorn beginnt und zwar mit der Sehnsucht nach Liebe, (vgl. S.49).

Der Kern jeder Interpretation von Liebe ist nach Schmid eine "implizite Idee von Liebe". Dabei handelt es sich um ein zunächst vages Verständnis und eine Art, in der jeweils vom Wort "Liebe" Gebrauch gemacht wird, die schließlich auf die zu Grunde liegende Idee schließen lässt, (vgl.S. 50). Individuellen Ideen und Begriffe sind wohl immer auch mit kulturellen vermengt, deren Wandlungen parallel zur Geschichte der Erfahrungen eine "Ideen- und Begriffsgeschichte der Liebe" hervorbringen, wie sie Helmut Kuhn es in "Liebe" thematisiert hat.

Schmid verdeutlicht u.a., dass der Begriff der Liebe als Beziehung der Zuwendung und Zuneigung so gefasst ist, dass er noch etwas sagt, jedoch nicht so viel, wie etwa in der romantischen Liebe und nicht so wenig, wie in der rein pragmatischen Beziehung, (vgl.: S.53).

Der Autor befasst sich u.a. im Hinblick auf die Liebe mit der Spannung zwischen Freiheit und Bindung, thematisiert in diesem Zusammenhang die Liebesbeziehung, die Beziehung der Freundschaft, die kooperative Beziehung, die funktionale Beziehung, die agonale Beziehung, die ausschließende Beziehung und die virtuelle Beziehung.

Ich fand Schmids Betrachtungen bezüglich virtueller Beziehungen sehr interessant. Er konstatiert zunächst, dass in einer Zeit der Funktionalität schon die geringe Bedingung, die Beziehungen dieser Art bieten, von Interesse sei. Allerdings erschwere die größtmögliche Freiheit der Beteiligten das Entstehen irgendwelcher Verbindlichkeiten. Virtuelle Beziehungen sind immer globale Beziehungen. Solche hat es zuvor noch nie gegeben. Es sind Gemeinschaften (Communities) entstanden, die beispielsweise an gemeinsamen Projekten wie Wikipedia arbeiten und Menschen finden weltweit einen Weg zueinander, der vormals nicht denkbar war. Aber ist es wirklich möglich sich virtuell zu lieben?

Man erfährt in der Folge Näheres von der Statik und der Dynamik von Beziehungen und auch etwas über die Bedeutung der Vorsicht in Liebesverbindungen. Bejahende Beziehungen der Liebe, der Freundschaft und der Kooperation benötigen als Grundlage Vertrauen, die gleichgültigen oder verneinenden Beziehungen der Funktionalität, der Auseinandersetzung und des Ausschlusses kommen ohne Misstrauen nicht aus, (vgl.: S.129). Das sehe ich auch so.

Vertrauen benötigt Geduld und Ausdauer. Das sollte jedem klar sein und das ist offenbar ein Problem in unserer schnelllebigen Welt, die Liebe so schwierig macht.

Schmid geht u.a. der Frage nach, ob Frauen die besseren Lebenskünstler sind und reflektiert in diesem Zusammenhang das Ernstnehmen des Bedürfnisses nach dem Sinn der Sinnlichkeit im Leben seitens von uns Frauen. Der Philosoph versucht die Frage zu beantworten, ob Männer sich neu erfinden müssen und stellt Fragen, die eine neue Selbstdefinition ermöglichen:

1. Was sind meine wichtigsten Beziehungen der Liebe und der Freundschaft, über die ich mich definieren möchte?
2. Was sind die wichtigsten Erfahrungen, die fester Bestandteil meiner selbst bleiben sollen?
3. Was ist mein Traum, mein Glaube, mein bestimmter Weg und vielleicht mein Lebensziel, meine fixe Idee, meine Sehnsucht, die womöglich geschlechtsspezifisch geprägt ist?
4. Was sind die bestimmten Werte, die ich besonders schätzen und pflegen möchte und welcher Wert soll im Zweifelsfall Vorrang haben, wenn ich etwas zwischen Freiheit und Bindung, Risiko und Sicherheit, Konsequenz und Nachgiebigkeit beim Gebrauch von Macht wählen muss?
5. Welche besonderen Charakterzüge will ich stärken, die mir männlich (oder weiblich) erscheinen?
6. Was ist meine Angst, die einfach da ist, die Verletzungen, die ich erfahren habe, gar das Trauma, an dem das männliche (wie das weibliche) Selbst anhaltend leiden kann?
(vgl. hierzu die Seite 177 ff.. Hier werden diese Fragen Schmids ausführlich von ihm erläutert.)

Behandelt Schmid im ersten Teil des Buches das Thema "Von der Liebe und anderen Beziehungen", so befasst er sich im zweiten Teil mit "der Liebe der Liebenden". Hier geht er zunächst der Frage nach, ob das Leben erfüllter ist, wenn man alleine oder zu zweit lebt und reflektiert in der Folge die Frage, ob die Liebe ein Spiel sei und vertieft sich in den Gedanken des Bejahtwerdens durch die Liebe und den Auswirkungen dieses Angenommenseins. Hingabe und Hinnahme werden alsdann überdacht und hier hebt der Philosoph hervor, das die Kunst im richtigen Maß des Schenkens liegt. Beleuchtet werden auch die Widersprüche in der Liebe. Hier geht es u.a. um die Gründe und Abgründe der Eifersucht, um Ursachen für Verrat u.a.m..


Was heißt es, Glück in der Liebe zu haben? Wie verhält sich die "atmende Liebe"? Worum bemüht sie sich? Wie ist es um die Kunst der körperlichen Liebe bestellt? Auf Seite 283 habe ich einen Satz gelesen, den ich unbedingt zitieren möchte, weil ich ihn für überaus aussagekräftig in puncto Liebe halte und fast meine, dass er das Wesen der Liebe am besten zum Ausdruck bringt: "Lebbar wird die Liebe mit der Atmung zwischen Ekstase und Askese, zwischen willfähriger Lüsternheit und willentlicher Keuschheit, um zwischen den Extremen einer Dominanz des Eros, die jeden Logos auslöscht, und einer Dominanz des Logos, die jeden Eros vernichtet, einen gangbaren Weg zu finden."


Wilhelm Schmid spürt auch der seelischen Kunst des Liebens nach und weiß, dass Fühlen eine Möglichkeit ist, den unfassbaren Reichtum der Seele wahrzunehmen, und dass in der Liebe dieser Reichtum in anderem Maße fühlbar ist als in jeder anderen Beziehung. In seelischer Beziehung geht es darum, Liebe zu fühlen, deren Energie in anregenden, aufregenden und erregenden Gefühlen ihren Ausdruck findet, (vgl.: S.294).


Der Philosoph weiß, dass Menschen in Beziehungen gesunden, aber auch erkranken können und zwar dann, wenn die Energie blockiert. Sich mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen, finde ich sehr wichtig. Wichtig aber auch ist, sich Gedanken über die transzendente Kunst des Liebens zu machen, die in heutiger Zeit leider oft vernachlässigt wird.


Fragen der Macht bleiben in diesem Buch nicht ausgespart, wenn es um die Liebe geht, wobei zu der Idee der atmenden Liebe die Wechselseitigkeit der Machtausübung gehört. Die grundsätzliche Umkehrbarkeit der Macht ist ein Kennzeichen demokratischer Macht. Nur unter dieser kann Liebe dauerhaft gedeihen. Glückliche Liebesbeziehungen setzen das Prinzip der Fairness voraus. Das sollte jedem eingängig sein.


Und was ist, wenn die Liebe endet? Auch hier weiß Schmid Rat.

Beinahe hätte ich es vergessen: auf den Seiten 30ff, nachdem der Philosoph sich zuvor ausgiebig mit dem Phänomen des Sehnens befasst hat, wartet er mit einem kleinen Abriss über die Geschichte der Liebe auf und beschreibt die Sichtweisen in der Antike, im frühen Christentum, im Mittelalter, und der Renaissance, in der frühen Neuzeit, in der Frühromantik, der fortgeschrittenen Moderne und der anders modernen Zeit. Dabei vergisst er nicht die Geschichte aus Platons "Symposion" zu erwähnen, von den Menschen die einst Kugelwesen waren und die aufgrund ihres Hochmutes entzweit wurden. Seither suchen sich die jeweiligen Teile und hoffen auf erneutes Einssein, das sie nur in der Liebe erfahren können und das auch nur für Momente. Vielleicht ist die Sehnsucht letztlich die Strafe für vorangegangenen Hochmut.

Ein sehr erhellendes, empfehlenswertes Buch.

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