Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Mystische Schriften (insel taschenbuch) (Taschenbuch)

Die Schriften des Philosophen Meister Eckhart ( um 1260- 1328) sind von der Intention getragen, die Einheit des Gerechten und der Gerechtigkeit, Gottes und des menschlichen Geistes zu beweisen und als Gottesgeburt im Menschen - die Wahrheit der Inkarnation Gottes in der Seele - philosophisch zu begründen. Für Meister Eckhart ist Gott so extrem der schlechthin Gute, der Eine, der Absolute, der ganz Jenseitige, das es nicht gelingt über ihn etwas in Erfahrung zu bringen. Alles, was wir ihm an Eigenschaften zuschreiben, kommt ihm wohl eher nicht zu. Sofern besteht die Theologie in erster Linie aus negativen Aussagen. Für den Philosophen ist dieser völlig jenseitige Gott eine "ungenaturte Natur". Die Gottheit ist zu unterscheiden von der "ungenaturten Natur". Die urprüngliche Gottheit ist aufgrunddessen, dass ihr auch das Prädikat des Sein an sich nicht beigelegt werden kann, wie der Abgrund des Nichts. Damit die Gottheit sich offenbaren kann, muss sie sich erst bekennen, gewissermaßen das "Wort sprechen". Auf diese Weise wird aus der Gottheit der dreieinige Gott des Christentums. Die Gottheit teilt sich in eine Subjekt und ein Objekt. Das Subjekt ist Gottvater, das Objekt ist der Gottessohn. Der Heilige Geist ist das Band der Liebe, das Vater und Sohn verbindet.

Der zweite große Gedanke reflektiert die mystische Lehre von der Einheit Gottes und der Menschenseele. Die Seele ist nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und insofern nach Meister Eckhart ebenfalls dreieinig. Sie begründet sich durch die drei Seelenkräfte des Erkennens, Zürnens und Wollens. Diesen Seelenkräften sind die drei christlichen Haupttugenden Glaube, Liebe und Hoffnung zugeordnet. So wie über dem dreieinigen Gott die ursprüngliche Gottheit steht, thront über den drei Seelenkräften der göttliche Funke. In besagtem Funken wohnt nur Gott mit seiner göttlichen Natur.

Der dritte Grundgedanke von Eckharts Mystik liegt in der Selbstäußerung und dem Aufgehen in Gott begründet. Man kann nur dann mit Gott eins werden, wenn man sich von der Sünde lossagt, weil diese uns generell von Gott trennt. Ziel ist es Gelassenheit, innere Gelöstheit und Abscheiden von allen irdischen Dingen und schließlich vom eigenen Selbst zu erlangen, seinen eigenen Willen aufzugeben und im Willen Gottes aufzugehen. Wenn die Seele diesen Zustand erreicht, dann wird sie Gott gleich.

Die Seele erkennt, dass alles außer Gott nicht bloß wertlos ist, sondern gewissermaßen nichts ist, dass alles nur existieren vermag, wenn es in Gott ist. In diesem Zustand erhebt sich die Seele über Raum und Zeit. Sie erkennt, dass das allem zugrundeliegende Wesen auf keinen Fall zeitliche Vergänglichkeit ist, sondern ewige zeitlose Gegenwart. Jetzt! Aber sie erkennt auch die allem zugrunde liegende ewige Notwendigkeit, selbst im Erlösungsprozess, durch welche die Seele in Gott eingeht.

Die Texte Meister Eckharts sind von großer geistiger und religiöser Tiefe und sprachlich auf höchstem Niveau. Auf jeden Fall lesenswert.

Rezension: Selbstbild- Dweck

»Ruhen Sie sich nicht auf Ihren Lorbeeren aus, lernen Sie stattdessen dazu!«

Carol Dweck ist Professorin für Psychologie an der Stanford University. Sie befasst sich, wie man dem Klappentext des vorliegenden Sachbuchs entnehmen kann, mit Motivations- und Entwicklungspsychologie.

Das Buch erhebt nicht den Anspruch ein wissenschaftliches Werk zu sein, das an der Uni als einschlägige, weiterführende Lektüre angeboten werden soll, sondern es wendet sich an eine breite Leserschaft. Deshalb gibt es keine Fußnoten, deshalb gibt es keine empirischen Erhebungen, die in epischer Breite ausgewertet werden. In dieser Gegebenheit einen kritikwürdigen Mangel zu sehen, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Wer sich weiterführend informieren will, kann sich wissenschaftliche Publikationen der Professorin zu Gemüte führen. Keiner wird ihn daran hindern.

Habe Dweck mit großem Interesse und dabei bewusst langsam gelesen, nachdem zwei konträre Rezensionen bei Amazon meine Neugierde auf den Text geweckt hatten.

Die Psychologin befasst sich in diesem Buch mit so genannten Selbstbildern und deren Auswirkung auf diejenigen , die sie besitzen, aber auch deren Umfeld.

Dweck unterscheidet zwischen einem statischen und einem dynamischen Selbstbild. Dabei zeigt sich , dass die Personen mit dynamischem Selbstbild eine größere Bereitschaft zeigen dazuzulernen und sich zu verändern. Sie halten selbst Intelligenzwerte für variable Größen und sind grundsätzlich offener, Grenzen zu überwinden und das eigene Potential auszuschöpfen.

Der Erfolgsbegriff wird anders definiert als bei Menschen mit statischem Selbstbild. Man möchte dazu lernen, sich verbessern und sich auf Neues einlassen. Es geht nicht darum perfekt zu sein, sondern darum Herausforderungen anzunehmen und Fortschritte zu erzielen.

Weil man keine Probleme hat, zu seinen Fehlern zu stehen, da man stets hofft sie beheben zu können, also besser zu werden, kann man auch gelassener mit Niederlagen umgehen. Das Selbstwertgefühl wird dadurch nicht beeinträchtigt , während Menschen mit statischem Persönlichkeitsbild immer nach Personen Aussschau halten, die vermeintlich schwächer sind als sie selbst, um sich nicht unterlegen fühlen zu müssen. Treten Fehler bzw. Niederlagen bei diesen Menschen auf, suchen sie sogleich nach Entschuldigungen oder einem Schuldigen um ihr Selbstwertgefühl wieder herzustellen.Die Vorstellung alles zu geben und trotzdem zu scheitern löst bei solchen Menschen Angst und Lähmung aus, wie die Autorin anhand vieler Beispiele nachweist.

Dweck zieht bekannte Persönlichkeiten heran, um durch deren Viten ihre Erkenntnisse zu verdeutlichen. Eine solche Vorgehensweise halte ich in einem Sachbuch für legitim, zudem lockert es den Text ein wenig auf.

Es soll an dieser Stelle abermals darauf hingewiesen werden, dass die Professorin keine wissenschaftliche Abhandlung vorgelegt hat.

Bereits in der Kindheit werden die Weichen dafür gestellt, welches Selbstbild sich beim Einzelnen manifestiert, aber auch darauf, dass diese Selbstbilder veränderbar sind. Die Autorin betont immer wieder und begründet auch, weshalb die statische Denkweise Leistung verhindert und schlechte Lernstrategien fördert. Sie ist skeptisch gegenüber zu viel Lob bei Kindern und glaubt, dass dies statisches Denken fördere, weil man dadurch den Hunger nach Herausforderung unterminiere.

Der statisch denkende Mensch werde leichter zum Opfer von positiven und negativen Vorurteilen, was sich speziell bei Mädchen nachweisen lässt. Diese seien um so verunsicherter hinsichtlich ihrer Mathematikkenntnisse, je statischer ihr Selbstbild sei.

Dem Begriff des Naturtalentes gegenüber hat Dweck Vorbehalte. Naturtalente lernen offenbar nie hart zu arbeiten oder mit Rückschlägen umzugehen, so Dwecks Beobachtung.

Die Psychologin beleuchet ausgiebig so genannte Siegermentalitäten . Diese haben, wie sie herausgefunden hat, stets einen Antrieb, der zum Üben motiviert und ermöglicht tief in sich eine Kraft zu finden, wenn sie erforderlich ist.

Die Autorin konstatiert, dass Menschen mit dynamischem Selbstbild sich dann für erfolgreich halten, wenn sie ihr Bestes geben , wenn sie lernen und ihre Leistungen steigern. Rückschläge empfinden diese Menschen als motivierend, weil sie eine Art Weckruf für sie sind.

Stattdessen empfinden Menschen mit statischem Selbstbild Niederlagen immer als Stigma. Dies macht Dweck an Verhaltensweisen einiger bekannter Sportlern begreifbar.

Personen mit statischem Selbstbild nehmen ihr Leben nicht selbst in die Hand. Sie bauen immer nur auf ihre Talente, doch wenn diese versagen, stehen ihnen keine anderen Möglichkeiten offen. Ursache dafür sei, dass diese Menschen sich nicht als Prozess, sondern als Produkt empfinden. Personen mit statischem Selbstbild übernehmen keine Verantwortung. Sie geben anderen die Schuld für ihre Niederlagen.

Dweck hält fest, dass man in Unternehmen bei Misserfolgen stets genau analysieren muss, ob Inkompetenz oder Korruption diese ausgelöst haben.

Die Autorin zeigt, dass Personen , die ihren Misserfolgen ins Auge sehen können, am Ende doch wieder Erfolg haben.

Wenn Firmenführer sich wie Könige gebärden, umgeben sie sich gerne mit Schmeichlern. Ihr Ziel ist es sich unbesiegbar zu fühlen, aber diese Wünsche scheitern oft an der Wirklichkeit. Statisch denkende Führungskräfte sonnen sich in ihrer Macht und verhalten sich in der Regel kontraproduktiv gegenüber ihren Mitarbeitern. Im Gegensatz zu dynamisch ausgerichteten Führungskräften scharen sie Mitarbeiter um sich, die ihnen geistig unterlegen sind, weil sie fähige Menschen in ihrem Dunstkreis nur schwer ertragen können.

Immer wieder erwähnt die Autorin Jack Welch , der für sie der Inbegriff eines erfolgreichen, dynamischen Zeitgenossen ist . Dieser Mann stellte seine Fähigkeiten in den Dienst von General Electric und machte den Konzern zu dem , was er heute ist. Jack Welch steht für Erfolg auf der ganzen Linie.

Die Psychologin hinterfragt weiterhin die so genannte " Wir-Denke" und beleuchtet ab welchem Zeitpunkt sie zu statischen Selbstbildern führt.

Sie zeigt außerdem , wie sich diese unterschiedlichen Denkweisen auf Partnerschaft und Liebe auswirken. Dabei analysiert sie, dass es notwendig sei Schüchternheit zu überwinden, weil diese daran hindere soziale Kompetenz aufzubauen.

Dweck zeigt, wie statisch denkende Menschen mit emotionaler Ablehnung umgehen und weshalb Mobber stets Personen mit statischem Selbstbild sind. Zudem verdeutlicht die Psychologin , weshalb es in zwischenmenschlichen Beziehungen immer um Spaß und Lernen und nie um urteilen geht.

Dweck kommt zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Selbstbilder erlernbar sind und widmet diesem Gedanken ein ganzes Kapitel in ihrem Buch. Sie zeigt das Verhalten von Kindern und Eltern, von Lehrern und Schülern und lässt das Buch mit einem Workshop enden, wo sie ihre umfangreichen Erkenntnisse abermals durch viele Beispiel illustriert.

Die Professorin versucht dem geneigten Leser zu einem besseren Selbstvertrauen zu verhelfen, indem sie klar macht, dass derjenige der bereit ist wirklich dazuzulernen, im Leben letztlich niemals entgültig scheitern kann.

Ein tolles Buch! Beeindruckend! Warum gibt es an dieser Stelle keine Buttons zum Abstimmen? Kunden können nur über die Rezensionen anderer, aber nicht über ihre eigenen Rezensionen abstimmen. Aus diesem Grund erscheinen die Buttons für eine Abstimmung nur, wenn Sie die von anderen verfassten Rezensionen ansehen.

Rezension: Unsere inneren Konflikte (Broschiert)

Karen Horney( 1885-1952) war Ärztin und Psychoanalytikerin. Sie emigrierte 1932 von Hamburg in die USA und leitete dort das "American Institut of Psychoanalysis". Horney war einer der Hauptvertreter der Psychoanalyse und setzte sich intensiv mit den Erkenntnissen Freuds auseinander.

In ihrem Buch "Neurose und menschliches Wachstum" erweitert die Autorin ihre Theorie von der Entstehung von Neurosen in der Weise, dass sie den neurotischen Prozess als eine spezifische Form der menschlichen Entwicklung betrachtet. Die Analytikerin zeigt die inneren Konflikte, die diesen Prozess auslösen und seine einzelnen Stadien auf. Vor allem zeigt sie auch wie dieser Prozess die Selbstverwirklichung positiv beeinflussen kann.

Horney macht gleich zu Anfang ihres Buches klar, dass neurotische Prozesse konstruktive Kräfte vergeuden und es von daher sinnvoll ist, sich solcher Prozesse mittels geeigneter psychologischer Hilfe zu entledigen.In ihrem Buch reflektiert sie u.a. neurotische Ansprüche.Neurotiker glauben einen Anspruch auf besondere Aufmerksamkeit, Rücksichtsnahme und Ehrerbietung seitens ihrer Mitmenschen zu haben.

Diesem augenfälligen Anspruch liegt ein umfassenderer Anspruch zugrunde, dass alle seine Bedürfnisse, die ja aus seinen Hemmungen, Ängsten, Konflikten und deren Lösungen entstehen, befriedigt und mit dem notwendigen Respekt behandelt werden müssen. Zudem sollte das, was er fühlt, denkt oder tut, keine ungünstigen Auswirkungen nach sich ziehen. Das heißt, er glaubt tatsächlich einen Anspruch darauf zu haben, dass psychische Gesetze für ihn keine Gültigkeit haben dürfen. Von daher braucht er seine Schwierigkeiten nicht zu erkennen - oder jedenfalls nicht zu beheben. Es ist nicht seine Sache etwas zu beheben, sondern die Sache der anderen, dafür zu sorgen, dass sie ihn nicht stören.

Menschen, deren Bedürfnis es ist immer recht zu haben, nehmen für sich in Anspruch, dass man sie niemals kritisiert, oder ihre Behauptungen in Frage stellt. Diejenigen, die machtbesessen sind, meinen einen Anspruch auf Gehorsam zu haben. Andere, für die das Leben zu einem Spiel mutiert ist, in dem man Mitmenschen geschickt manipuliert, fühlen sich berechtigt, jeden zum Narren zu halten. Nur sie selbst dürfen nicht hereingelegt werden. All diese Personen sind neurotisch.

Der arrogante rachsüchtige Mensch, so Horney, der dazu getrieben wird, andere zu beleidigen und dennoch ihre Anerkennung benötigt, meint einen Anspruch auf Immunität zu haben. Der egozentrische Charakter neurotischer Ansprüche glaubt seine persönlichen Bedürfnisse hätten stets Vorrang vor allem anderen.

Der Neurotiker hat eine rachsüchtige Natur. Er glaubt ihm sei Unrecht geschehen und beharrt auf Vergeltung. In den meisten Neurosen, so Horney ist Rachsucht ziemlich groß. Die Basis neurotischer Ansprüche ist stets das Gefühl von Überlegenheit. Der allgemeine Nenner heißt:"Weil ich etwas ganz Besonderes bin, habe ich ein Anrecht auf..."Neurotiker sind so unsicher in der Einschätzung anderer Menschen, dass sie leicht aus einer positiven, freundlichen Haltung in die totale Verdammung verfallen.

Horney schreibt in der Folge vom Selbsthass und der Selbstverachtung des Neurotikers, von seinen morbiden krankhaften Abhängigkeiten und seinen neurotischen Störungen in mitmenschlichen Beziehungen. Es besteht sowohl in der Liebe als auch bei Freundschaften ein verstärktes Bedürfnis bei verminderten Fähigkeiten.

Neurotischen Menschen wird dringend geraten einen Therapeuten aufzusuchen.

Rezension: Neidisch sind immer nur die anderen: Über die Unfähigkeit, zufrieden zu sein (Taschenbuch)


Rolf Haubl ist Professor für Psychologie an der Universität Augsburg. Im vorliegenden Buch befasst er sich mit den Ursachen und Auswirkungen des Neidgefühls und der Unfähigkeit vieler Menschen zufrieden zu sein.

Haubl reflektiert eingangs die Bestimmungsmerkmale und Erscheinungsformen von Neid. Der Psychologe verdeutlicht, dass das hauptsächliche Bestimmungsmerkmal des Neides Feindseligkeit ist. Er konstatiert, dass Neid vorliegt, wenn jemand feindselig darauf reagiert, dass ein anderer ein Gut besitzt, das er selbst begehrt, sich dieses aber selbst nicht aneignen kann.

Eine psychosoziale Bewältigung von Neid ist durch Depression, Ehrgeiz und Empörung möglich. Der Autor weist auf die Verwandtschaft von Eifersucht und Neid hin. Während Neid eine Beziehung zwischen zwei Personen, der neidischen und der beneideten voraussetzt, umfasst Eifersucht offenbar ein Beziehungsdreieck, ( beispielsweise eifersüchtiger Mann, geliebte Frau und Rivale). Neid als auch Eifersucht sind mit Feindseligkeit verbunden. Wenn Eifersucht und Neid zusammenkommen, so entzünden sie sich aneinander, da beide leicht entflammbar sind.


Ein christliches Ideal ist die Neidfreiheit. Neid gilt in der Bibel als Todsünde. Der Autor setzt sich mit dieser Gegebenheit detailliert auseinander und lotet in diesem Zusammenhang den Kain-Komplex aus. Dabei zeigt sich , dass Neidbewältigung der eigentliche Ursprung der Zivilisation ist. Des weiteren spricht Professor Haubl von den Ausdrucksformen des Neides und hier vor allem von den neidischen Gesichtszügen, die sich mit den Jahren bei neidischen Menschen eingraben. Diese Personen gelten allgemein als verbissen und unsympathisch. Der Begriff " Scheelsucht" kommt nicht von ungefähr, wie der Psychologe klarmacht. Der schiefe Blick ist nach seiner Ansicht deshalb sehr schlimm, weil er täuscht. Der Kopf weist in eine andere Richtung als die Augen. Das Phänomen des bösen Blickes ist mit dem des scheelen Blickes eng verwandt und geistert nicht ganz grundlos durch die Jahrhunderte, wie Prof. Haubl verdeutlicht.


Neid und Schadenfreude sind ein Begriffspaar, das zusammengehört. Dabei ist Schadenfreude eng mit Grausamkeit verwandt. Schadenfreude gibt dem Neidischen psychische Entlastung.
Wenn Schadenfreude nicht genügt um den Neid zu besänftigen, versucht der neidische Mensch sich zu rächen. Sofern der neidische Mensch seinen beneideten Mitmenschen in der Phantasie oder gar real schädigt bzw. vernichtet, hat er dessen vermeintlichen Angriff " auf magische Weise ungeschehen gemacht."( vgl. S. 82) Treffend spricht man in diesem Zusammenhang von kalter Rache.


Ressentiment ist eine neidisch-rachsüchtige Haltung. Wer Groll wider einen beneideten Menschen hegt, erlebt sich in mehrfacher Hinsicht als ohnmächtig. Zum einem glaubt er nicht daran das begehrte Gut aus eigener Anstrengung erlangen zu können, zum anderen fürchtet er , dass er unterliegt, wenn er es versuchen würde, sich gegen den anderen offen feindselig zu verhalten, ferner wagt er es sich nicht Neid einzugestehen, weil er gelernt hat, dass nur böse Menschen neidisch sind. Das bedingt , dass Neid und Feindseligkeit verdrängt werden und sich nur maskiert zeigen können. Ergebnis sind ressentimentgeladene Menschen, die nach risikolosen Möglichkeiten suchen, ihre neidische Feindseligkeit zu befriedigen. Bemerkenswert ist, dass Neid Mitleid verhindert. Der Neider kann sich nur durch Schadenfreude und Rache psychisch entlasten, sofern er den Beneideten nicht bemitleidet. Nur wer ohne Empathie ist, kann sich feindselig verhalten. Deshalb, so Haubl, führt Neid nicht selten zu einer generellen Empathieverweigerung.


Ohne Empathie allerdings ist Fremdverstehen unmöglich. Der Neider lässt sich nicht auf die Erlebniswelt des Beneideten ein, weil er ihn sonst nicht mehr länger entwerten kann. Er möchte seine Vorurteile bestätigen, sonst nichts. Besonders gerne blenden Neider , wie der Autor festhält, Anstrengungen aus, die sie selbst nicht auf sich nehmen möchten, sowie beschwerliche Folgen , die der Besitz des begehrten Gutes mit sich bringt.
Auch zwischen Neid und Zynismus gibt es Zusammenhänge. Ein Zyniker wertet ab, was ihm selbst etwas wert ist. Der feindselig -schädigende Neid richtet sich nicht nur gegen den beneideten Mitmenschen, sondern auch gegen den Neider selbst. Auch wenn sich der neidische Mensch durch das Ausleben von Ärger, Wut und Hass psychisch entlasten kann, hilft es ihm letztlich nichts, weil sein Begehren ungestillt bleibt . Alles, was er der beneideten Person antut, fällt auf ihn selbst zurück. Auch wenn er das Gut und den Menschen, dem es gehört zerstört hat, behält er das Gut vor Augen, das er nicht besitzt. Er wird weiter leiden. Der Neid wird ihn vergiften und ihn verzehren.


Eine der Auswirkungen von Neid ist Rivalität. Hier unterscheidet Haubl zwischen ehrgeizig -stimulierender und feindselig schädigender Rivalität. Während man bei der ehrgeizig -stimulierenden Rivalität bestrebt ist sich im Vergleich mit anderen ständig zu verbessern und damit die Möglichkeiten der Verbesserung und nicht die Rivalität im Vordergrund steht, verhält ist es bei der feindselig- schädigenden Rivalität so , dass diese sich ausschließlich auf die Rivalität konzentriert. Es geht darum die Rivalen aus dem Feld zu schlagen. Deshalb sehen Personen, die so gestrickt sind, ihre Rivalen als Gegner bzw. Feinde. Wer durch krankhaften Ehrgeiz in seinem Tun angetrieben wird, gelangt früher oder später in feindselig -schädigender Rivalität zu seinen Mitmenschen. Personen dieser Art verfügen über ein hohes Aggressionspotential, unabhängig davon, wie erfolgreich sie sind. Zudem sind sie in der Regel nicht kreativ. Der Psychologe nennt die Gründe für dieses bemerkenswerte Phänomen. Neidische Menschen ertragen offenbar vor allem eines nicht: soziale Unterstützung von einer Person zu erhalten , die sie um das begehrte Gut beneiden, nicht zuletzt weil die Person zu dem primär beneideten Gut auch noch das beneidenswerte Gut der Hilfsbereitschaft besitzt. Der Psychologe beleuchet im Buch auch den so genannten Geschlechterneid, er diskutiert Penisneid, Vaginalneid, Brust- und Gebärneid . Auch ist für ihn der Neid unter Geschwistern und der Neid als Generationenkonflikt ein Thema.


Neid am Arbeitsplatz führt zu vergiftetem Betriebsklima. Gerüchte und Klatsch sind die Mittel um einer beneideten Person zu schaden. Dort wo Neid und Missgunst herrschen ist Mobbing nicht weit. Unter Mobbing versteht man, so Haubl, die zielstrebige Entwertung eines Mitarbeiters durch Kollegen mit dem Ziel diese Person auszugrenzen. Infolge der aggressiven Gruppendynamik wird in der Regel die Arbeitsfähigkeit aller untergraben. Strategien des Mobbing sind u.a. den anderen des geistigen Diebstahls zu bezichtigen ( vgl. S. 230) , ihn zu terrorisieren und vieles andere mehr. Wehrt sich der Gemobbte, bestätigt er die in ihrer Wahrnehmung eingeschränkte Gruppe in der Meinung, dass er nur Scherereien macht. Nicht selten gilt der gemobbte Mitarbeiter als Sündenbock. Die Arbeitsgruppe versucht sich auf seine Kosten zu stabilisieren. Der Versuch allerdings stellt sich als Illusion heraus, wie der Psychologe festhält, weil alsbald ein anderer Mitarbeiter in die Rolle des Sündenbocks gedrängt wird. Im letzten Teil des Buchs hinterfragt Haubl, ob es auch gerechtfertigten Neid gibt. Hier thematisiert er Rawls Verteilungsgerechtigkeit und den Begriff der Gerechtigkeit im allgemeinen.


Der Psychologe lässt nicht unerwähnt, dass Menschen immer dann eine große Neidbereitschaft an den Tag legen, wenn sie im Laufe ihres Lebens ein falsches Selbst entwickelt und nie gelernt haben, was sie am besten können. Menschen , die ihre Lebensenergie in die falschen Ziele investieren, haben das Gefühl das Leben verfehlt zu haben. Sie neiden ihren Mitmenschen letztlich das vitale Lebensgefühl , das sie nicht haben. Weil sie es nicht besitzen, müssen sie es bei anderen verderben. Ein Lesemuss für alle , die sich und andere verstehen möchten!

Haben oder Sein. Großdruck: Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft (Gebundene Ausgabe

Der Psychoanalytiker Erich Fromm macht in diesem Buch deutlich, dass die Existenzweise des Habens für die Übel der Zivilisation verantwortlich sind, die des Seins jedoch für die die Möglichkeit eines erfüllten Lebens steht. Fromm analysiert 1976, dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits vom Modus des Habens und Habenwollens bestimmt war.

Anstelle sich zu freuen sucht der Mensch den Kitzel, anstelle das Leben zu lieben sei er in die Welt der Apparate vernarrt, anstelle inneres Wachstum suche er äußeren Reichtum, anstelle zu sein, interessiere ihn nur Haben und Benutzen.
Heute, 33 Jahre danach, sehen wir, wohin diese Denke geführt hat: in die größte Weltwirtschaftkrise nach dem 2. Weltkrieg und in die innere Leere.

Im Menschen sind immer beide Tendenzen erhalten: die eine, zu haben, zu besitzen, eine Kraft, die ihre Stärke dem biologisch gegebenen Wunsch nach Überleben verdankt. Die andere Tendenz ist in der Bereitschaft zu teilen und zu geben begründet. Diese Bereitschaft beruht auf dem Bedürfnis, durch Einssein mit anderen die eigene Isolierung zu überwinden.

Fromm verdeutlicht, dass in der Existenzweise des Habens stets das tote Wort herrsche, in der des Seins jedoch die lebendige Erfahrung, für die es keinen Audruck gäbe. Der Psychoanalytiker macht klar, dass besitzorientiertes Haben auf einer verminderten Fähigkeit zu produktivem Tätigsein begründet ist. Je weniger kreativ demnach ein Mensch ist, desto größer sind offenbar seine besitzorientierten Begehrlichkeiten.

In der Existenzweise des Habens ist der Mensch an all das gebunden, das er in der Vergangenheit angehäuft hat: Geld ,Land, Ruhm, sozialer Status, Wissen, Kinder, aber auch Erinnerungen. Fromm fragt: "Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe und dann verliere, was ich habe?" Und er antwortet: " Nichts als ein besiegter, gebrochener, erbarmenswerter Mensch, Zeugnis einer falschen Lebensweise."

Wer sich über sein Sein und nicht über sein Haben definiert, wird in solche Schwierigkeiten niemals geraten, seine Identitätsgefühl wird durch materielle Verluste nicht geschwächt. Man muss sich klar machen, dass die Konsumhaltung eine entfremdete Weise ist mit der Welt in Kontakt zu sein. Auf diese Weise wird die Welt zu einem Gegenstand der Gier, anstelle, dass der Mensch interessiert auf sie bezogen ist.

Irrationale Wünsche sind unersättlich. Fromm unterstreicht, dass das Bedürfnis des neidischen, habgierigen oder sadistischen Menschen auch dann nicht verschwindet, wenn es befriedigt ist. In der Folge zeigt er Wege auf, die die Bereitschaft fördern alle Formen des Habens aufzugeben, um auf diese Weise ganz zu sein. Dabei geht es ihm u.a. darum, Gier, Haß und Illusion weitgehend zu reduzieren, ein Leben zu führen ohne Verehrung von Idolen, weil eine Entwicklungsstufe des Menschen angestrebt wird, auf der Menschen keiner Illusionen mehr bedürfen.

Man muss bestrebt, sein die eigene Liebesfähigkeit sowie die Fähigkeit zu kritischem, unsentimentalen Denken zu kultivieren und bereit sein, seinen Narzißmus zu überwinden und sich bemühen, sich selbst zu erkennen, keineswegs nur sein bewusstes, sondern auch sein unbewusstes Selbst. Man muss sich bewusst werden, dass die volle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und der des Mitmenschen das höchste Ziel des menschlichen Lebens ist und, dass das Böse und die Destruktivität immer die Folge von verhindertem inneren Wachstum sind.

Ohne Anstrengung und ohne Bereitschaft, Schmerz und Angst zu durchleben, so Fromm, kann man nicht wachsen." Dass jemand zu wachsen beginnt, ist der Tatsache zuzuschreiben, dass er sich befreit." Man ist nur in dem Maße "ich", indem man sich als lebendig, interessiert und tätig erlebt und mit anderen in Beziehung steht.

Eine Lektüre, die so aktuell ist, wie vor 33 Jahren, deshalb möchte ich sie jetzt zum Jahresende abermals hervorheben.

Rezension:Der Wahnsinn der Normalität: Realismus als Krankheit. Eine Theorie der menschlichen Destruktivität: Realismus als Krankheit: eine grundlegende Theorie zur menschlichen Destruktivität (Taschenbuch)

Wenn man so will, wurden in dem Buch "Irre" die Gedanken von Arno Gruen aufgegriffen und in das Heute übersetzt. Die Quellen menschlicher Destruktivität liegen - und hier kann man eine bemerkenswerten Gleichklang in den meisten aktuellen psychologischen Büchern feststellen - in der Kindheit. Wenn dort das Selbst nicht liebevoll entdeckt wird und gelebt werden kann, entstehen destruktive Verhaltensweisen, die sich in kleinen und großen Grausamkeiten ausdrücken.

In der psychologischen oder soziologischen Analyse kann man diese Grundtatsachen des Menschseins anhand vieler Beispiele mit diesem Buch besser nachvollziehen, ja, die Erkenntnisse auch auf den privaten Bereich übertragen. Auch heute noch sind Autoritätsgläubigkeit und blinder Hierarchiegehorsam die direkte Weiterführung gelernter (autoritärer) Verhaltensweisen in der Kindheit. Nachdem im 3. Reich die offenen faschistischen Strukturen über uns hereinbrachen, leben wir heute in demokratischen Verhältnissen, die aber trotzdem in vielen Umständen noch hierarchiegebunden sind. Einfach anpassen und gut ist, so agieren viele heute, um sich dem Wahnsinn der Normalität zu entziehen.

Ich kann allen Rezensionen hier nur zustimmen und sagen, dass mich die Besprechung von Erasmus von Rotterdam sehr beeindruckt hat. Die Ursache von Grausamkeiten im menschlichen Umgang liegen offen zutage und jeder, der immer und immer wieder gegen die Wand läuft, tut dies nur, um von seinem unerlösten Kindsein abzulenken. Es sind nichts anderes als Hilfeschreie, die solange andauern, bis eine Katharsis eintritt.

Rezension: Das Sein und das Nichts (Taschenbuch)

Jean -Paul Sartre (1905- 1980) ist der Exponent des französischen Existentialismus. In seinem Werk das "Sein und das Nichts" legte er die Freiheit des Menschen, aber auch seine Verlorenheit in einem sinnlosen Universum offen. Sein Appell an die Menschen lautete, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und die Sinnlosigkeit durch den eigenen Sinnentwurf zu überwinden. Der Philosoph entwickelte die Idee eines leeren Bewusstseins, eines "Ur-Bewusstseins", welches sich noch kein bestimmtes Bewusstsein vergegenwärtigen vermag. In diesem "Ur-Bewusstsein" ist weder die Vorstellung eines Ich noch der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt enthalten. Es ist leer, spontan und unpersönlich. Es weiß nur, dass es existiert. Im vorliegenden Text bezeichnet Sartre dieses "Ur-Bewusstsein" als eine "Existenzfülle", als ein Feld von Möglichkeiten, das sich die Vorstellungen eines Ich erst noch aneignen muss.

In der Leere und Unausgefülltheit des ursprünglichen Bewusstseins liegt der Keim für die Idee von Freiheit. Gemeint ist dabei jene, welche der des Künstlers ähnlich ist, der seine Figuren frei erschaffen kann. Konkret ist Sartres Freiheit die schöpferische Freiheit des Menschen, sich selbst zur eigenständig handelnden Gestalt in der Welt zu bilden.

Mit seinem Titel" Das Seinn und das Nichts" lehnt sich der Philosoph an die schwierige Rhethorik der deutschen Philosophie in der Tradition Hegels, Husserls und Heiddegers an. "Sein" ist ein Begriff, welcher als der allgemeinste und grundlegendste Begriff der Metaphysik schon in der Antike eine herausragende Rolle spielte und später besonders von Hegel und Heidegger aufgegriffen wurden. Sartre meint mit Sein den gesamten Bereich der Wirklichkeit einschließlich des Menschen. Er unterscheidet dabei zwei grundsätzliche Arten von Sein : das "An- sich- sein" und das " Für-sich-sein". Mit erstem meint er die Welt der Dinge, die kein Bewusstsein haben und in ihren wesentlichen Eigenschaften festgelegt sind, mit letztem dasjenige Sein, dass Bewusstsein hat und zur Wirklichkeit eine eigenständige Beziehung herstellen kann.

Sartre enthüllt in seinem Buch wie aus der Ordnung des "An-sich-seins" ein zunächst unbekanntes Wesen, das "Für-sich Sein" auftaucht und sich schließlich in der Ordnung der Wirklichkeit einen Platz schafft. Das "Für- sich- sein" realisiert in der Welt des Sein auch das Nichts, das mit dem menschlichen Sein verbunden ist. Dieses Sein hat sich nicht in allen Eigenschaften festgelegt. In ihm zeigt sich etwas Offenes, von dem man noch nicht weiß, was aus ihm wird. Sartre glaubt, dass man sich als Mensch bewusst zu seinem eigenen Sein verhalten kann, sprich sich für etwas entscheiden und sein Sein selbst gestalten kann. Wir können, so Sartre, auch immer Nein sagen.

Wir können uns aber nicht bloß negativ zur Welt, sondern auch gegenüber uns selbst verhalten, indem wir die Möglichkeit, auch anders zu sein, die uns von Dingen unterscheidet, übersehen oder gar leugnen. Für ihn ist dies der Zustand der "Uneigentlichkeit", in dem der Mensch sich weigert, die in ihm angelegten Möglichkeiten zu realisieren. Die Art und Weise wie Sein und Nichts für das Bewusstsein zusammenspielen, formuliert der Philosoph wie folgt: "Das Bewusstsein ist nicht, was es ist und es ist, was es nicht ist." Das Bewusstsein lässt sich demnach nicht auf seinen gegenwärtigen Zustand festlegen, vielmehr geht es immer wieder über sich hinaus und verleiht uns damit die Chance etwas anderes aus uns zu machen als wir sind.

Durch das Für-sich-Sein kann der Mensch die Dinge um ihn herum auf sich beziehen. Da man jedoch nicht allein auf dieser Welt lebt, stellt der Andere die eigene Freiheit, die Möglichkeit einen bestimmten Platz in der Welt zu wählen in Frage und zwar, weil er mich wie ein Objekt, wie ein "An-sich sein", anblickt. Das Objektsein löst Scham aus, aber auch das Bewusstsein ein Ich zu sein. In der Konfrontation mit dem Anderen, entsteht aus dem ursprünglich leeren Bewusstsein vom eigenen Ich das Bewusstsein von der Existenz des Anderen.Dies geschieht dadurch dadurch, dass man ein Ich-Bewusstsein entwickelt die Entfremdung als Objekt zu überwinden und den Anderen als Objekt zu konstituieren.

Für Sartre bleibt der Mensch gegenüber dem anderen Menschen in einem Konflikt und in der Abgrenzung. Bei ihm gibt es kein gleichberechtigtes Verhältnis von Subjekt zu Subjekt. "Das Sein und das Nichts" hat den einzelnen Menschen und seine Selbstverwirklichung im Fokus. Freiheit kann man nach Sartre nicht ablehnen, weil man ansonsten dem Selbstbetrug verfällt. Wir sind "zur Freiheit verurteilt", so der große Franzose. Dies ist auch der Grund, weshalb das Handeln im Mittelpunkt des letzten Teils des Buches steht.

Es ist notwendig, dass wir mit der Freiheit auch die Verantwortung für unsere Existenz annehmen. Im Klartext heisst dies, dass man sich auf die Umstände einlassen muss, die man vorfindet. Die Umstände, an welche unser Leben gebunden ist, nennt der Philosoph " Faktizität". Das Gebundensein und das Überschreitenkönnen sind die beiden Punkte, zwischen denen sich unserer Handeln vollzieht. Die Stellung zwischen den beiden Punkten nennt Sartre "Situation". In diesem Rahmen muss der Mensch Verantwortung übernehmen und sie sich als Bestandteil seiner eigenen Wahl bewusst machen. Jeder muss dies auf seine eigene Art tun.

Sartre verdeutlicht in diesem wichtigen Buch mithin, dass unsere Gedanken im Hinblick auf Würde, Verantwortung oder Kreativität nur dann umgesetzt werden können, wenn man dahinter den Einzelnen sieht, der in Freiheit sein eigenes Leben gestalten kann.

" Alles geschieht so, als wenn ich gezwungen wäre, verantwortlich zu sein. Ich bin in die Welt geworfen, nicht in dem Sinn, dass ich preisgegeben und passiv bliebe in einem feindlichen Universum (...), sondern im Gegenteil, in dem Sinn, dass ich mich plötzlich allein und ohne Hilfe finde, engagiert in eine Welt, für die ich die ganze Verantwortung trage(...). ( Zitat: Sartre, Das Sein und das Nichts")

Rezension: Weisheit aus dem Bauch: Das Phänomen Intuition aus verschiedenen Perspektiven erklärt - (Gebundene Ausgabe)

"Intuition oder das Bauchgefühl ist für mich ein Gefühl, das drei wesentliche Eigenschaften hat: Zum Ersten taucht es schnell im Bewusstsein auf, zum Zweiten sind einem die tieferen Gründe , warum man diese Intuition hat, nicht bewusst. Und zum Dritten ist dieses unbewusste, ungefilterte Wissen nun nichtsdestotrotz so stark, dass es der Grund vieler unserer Handlungen ist. Was es nicht ist, ist der " sechste Sinn " oder solche Sachen." ( Prof. Dr. Dr. Gerd Gigerenzer)

Karin Myria Pickel lotet in ihrem Buch das Phänomen der Intuition aus, die sie als die Weisheit aus dem Bauch bezeichnet. Bevor Sie zu diesem Phänomen elf Experten zu Wort kommen lässt, nähert sie sich zunächst dem Begriff Intuition, der abgeleitet ist vom lateinischen Wort " intueri ", das soviel bedeutet wie " anschauen " oder " betrachten ". Unter Intuition versteht man eine plötzliche Eingebung, das vollständige umgreifende Erfassen eines Gegenstandes ohne Reflektion. Die Autorin wartet zunächst mit einem " Kleinen Lexikon der Intuition " auf. Hier werden Begriffe wie Eingebung, Geistesblitz, Inspiration, Vision und Vorahnung näher definiert und in der Folge begreifbar gemacht, weshalb Intuition in allen Lebensbereichen hilfreich ist.


Offenbar kennt unsere innere Stimme nicht nur den Sinn des Lebens, sondern versteht sich auch als unser innerer Coach, damit wir uns diesem Sinn immer mehr nähern. Wenn man sich der Intuition bedient, kann man im Vorfeld bereits verhindern, dass sich Probleme, Krisen, Schmerzen und Leiden entwickeln. Diese Gegebenheit dokumentiert die Autorin nachhaltig. Nach Auffassung der Autorin hilft Intuition bei der Persönlichkeitsentwicklung, weil sie uns zu Situationen führt, die unsere Seele besser und schneller wachsen und reifen lassen. Auch erhöht sie die Lebensqualität und unterstützt die Kommunikation Gezeigt wird in der Folge wie Intuition und Verstand zusammenarbeiten. Anschließend stellt die Autorin folgende Fragen an elf Experten: Was verstehen Sie unter Intuition? Gibt es verschiedene Formen der Intuition? Wie unterscheiden Sie Intuition von anderen Wahrnehmungen wie Instinkten, Gefühlen, Wünschen oder Gedanken? Hat jeder Mensch Intuition und gibt es Unterschiede, zum Beispiel zwischen Frauen und Männern? Gibt es eine intuitive Intelligenz? Lässt sich Intuition aus Ihrer Sicht wecken, lernen oder trainieren? Wenn ja- mit welchen Methoden? Wie lässt sich Intuition im Alltag sinnvoll nutzen? Was sollte man beachten, um seine Intuition verantwortungsbewusst einsetzen zu können? Welche besonderen - gute wie negative- Erfahrungen haben Sie im Umgang mit der Intuition bisher gemacht? Welchen Stellenwert hat die Intuition für ihr Leben?

Antworten geben:
Angaangaq, ein Schamane der Eskimo- Kallallit aus dem Hohen Norden Grönlands
Antoschka, die Königin der Clowns
Natale Ferronato, ein Schweizer Naturarzt und Pathophysiognom
Professor Dr. Dr. h c. Gerd Gigerenzer, Psychologe und Direktor am Max- Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin
Philip Goldberg, Intuitions-Coach, spiritueller Berater und Autor
Dr. Markus Hänsel, Systematischer Berater, Coach und Trainer für Unternehmen
Alev Naqiba Kowalzik , Diplompsychologin, Musikerin und Musiktherapeutin
Dr. Roy Martina, Holistischer Arzt, Autor, Wellness - und Selfness-Coach
Safi Nidiaye , Spirituelle Lehrerin und Seminarleiterin, Autorin und Medium
Prof. Dr. Franz Ruppert, Professor für Psychologie, psychologischer Psychotherapeut
Dr. Chuck Spezzano, Psychologe, Lebenslehrer, Bestsellerautor und Visionär.

Die Antworten zeigen , dass die Experten in ihren Betrachtungen alle zu ganz ähnlichen Ergebnissen gelangen und man gut beraten ist, die eigene Intuition zu wecken, zu erlernen und zu trainieren. Prof. Dr. Dr. Gerd Geiger resümiert, dass Intuition unentbehrlich ist für sein eigenes Leben. " --- ich kann nicht leben ohne intuitive Entscheidungen. Ich denke, dass es ein ganz wesentlicher Teil meiner Psyche ist. Und meine Forschung dient dazu, die Brisanz der Öffentlichkeit bewusst zu machen. "

Der Inhalt des Buches hat mich überzeugt zukünftig mehr auf meine innere Stimme zu hören.

Rezension: Philosophie- Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand (Taschenbuch)

Der englische Aufklärungsphilosoph David Hume(1711-1776), dessen Buch Über Moral ich dieser Tage rezensiert habe, teilt in seinem Werk " Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand" deutlich die Inhalte des Geistes in zwei Kategorien: Eindrücke ("impressions") und Vorstellungen ("ideas"). Für ihn sind die Eindrücke das Primäre. Sie können auf äußerer wie auf innerer Wahrnehmung beruhen.


Die komplexen Ideen sind nach Hume durch Kombination der einfachen Elemente - Impressionen und Ideen - im Verstande gebildet. Der Philosoph untersucht die Verhältnisse und Gesetze, nach denen solche Verbindungen( Gesetze der Ideenassoziationen) zustande kommen. (1) Das Gesetz der Ähnlichkeit und Verschiedenheit. Aufgrund dieses Gesetzes entsteht die Wissenschaft und Mathematik. Sie hat es als nur mit Verknüpfung und Vorstellung zu tun. Alle ihre Gesetze fußen auf dieser Verbindungstätgkeit des Verstandes. Sie sind aus dem Verstand aus diesem Grunde abzuleiten und zu beweisen. (2) Das Gesetz der räumlichen und zeitlichen Nachbarschaft. (3) Das Gesetz der kausalen Verbindung nach Ursache und Wirkung.

Hume geht davon aus, dass in allen Wissenschaften, die sich nicht mit der Verknüpfung von Vorstellungen, sondern von Tatsachen befassen, und das sind alle Wissenschaften außer der Mathematik, nur solche Erkenntnisse Wahrheitswert beanspruchen, die sich unmittelbar auf Eindrücke zurückführen lassen, gemeint sind Sinneswahrnehmungen, wie sich uns die Welt durch Licht, Luft und Wellen etc. einprägt. Die Vorstellungen sind gewissermaßen im Bewusstsein verharrende Bilder dieser Eindrücke. Über sie haben wir Kontrolle. Es ist möglich sie beliebig zu kombinieren und daraus neue Vorstellungen zu bilden. Weil sie nur Abbilder sind, werden mithin alle Vorstellungen auf Eindrücke zurückgeführt. Diese Tatsache stellt für Hume die Legitimation unserer Glaubensvorstellungen und Gedanken dar. Man kann seiner Ansicht nach nur über solche Dinge sinnvoll reden, die auf äußere Eindrucke zurückgeführt werden. Was sind jedoch die Eindrücke, aus denen solche Konzepte wie Kausalität, Wunder und das Selbst erwachsen? Offenbar gibt es hier keine relevanten Eindrücke.


Ein kluger Kopf, der seiner Zeit in mancherlei Hinsicht weit voraus war.





Rezension: Das verlorene Paradies (Gebundene Ausgabe)

Vor 400 Jahren wurde der englische Dichter John Milton (9. 12.1608 - 8.11.1674) geboren. Er kämpfte während des englischen Bürgerkrieges auf Seiten des englischen Parlaments, forderte in zahlreichen Schriften die Demokratisierung der Kirche, eine allseitige, praxisbezogene Erziehung, Pressefreiheit und das Recht auf Ehescheidung.

Unter Cromwell war er Staatssekretär im außenpolitischen Amt. Nach der Rückkehr der Stuarts wurde er kurze Zeit gefangen gesetzt und zog sich dann, vereinsamt und erblindet, auf sein literarisches Schaffen zurück.
Miltons Hauptwerk ist das vorliegende 10 565 Blankverse umfassende protestantische Epos " Paradise lost " (übersetzt von Adolf Böttger " Das verlorene Paradies "), das die Schöpfung des Menschen und den Sündenfall behandelt und durch seine kühnen allegorischen Bilder auf Klopstock und die englische Romantik gewirkt hat.


An diesem Buch habe ich ewig gelesen, weil die Thematik mir fremd ist und mich nicht wirklich mitreißt. Barocke Schriften setzen viel Geduld voraus, die ich bei biblischen Inhalten nur begrenzt aufzubringen vermag. Da ich meine Vorbehalte nur zu gut kenne, habe ich den Text langsam und diszipliniert gelesen und bewerte ihn in der Folge sehr bewusst mit 5 Sternen . " Das verlorene Paradies " ist wirklich exzellent geschrieben, viel zu umfangreich übrigens, um auf den Inhalt eingehen zu können. Ein Meisterwerk.


Leser, die die alte Schöpfungsgeschichte zu schätzen wissen, werden überrascht sein wie der tragische Fall des Menschengeschlechts hier beschrieben worden ist und welches Ringen sich zwischen den Mächten des Himmels und der Hölle abspielt. Von dem gefallenen Engel Satan und diversen Erzengeln ist die Rede, von Adam und Eva, der Vertreibung aus dem Paradies und der Erschaffung der Erde.


Sehr beeindruckend sind die Bilder von Gustave Dore. Heerscharen von kämpfenden, aber auch fliegenden Engeln hat er gezeichnet, Kopfgeburten also, die eine rege Fantasie voraussetzen. Milton dokumentiert mit seinem Werk, dass das Gute nicht über das Böse gesiegt, sich stattdessen das Böse in der Welt festgesetzt hat, mit dem wir leider täglich immer zu ringen haben.

Empfehlenswert.

Rezension:100 große Philosophen: Ihr Leben und ihr Werk (Gebundene Ausgabe)


Peter J. King skizziert in diesem Buch das Leben und Werk von 100 Philosophen. In seinen Ausführungen beginnt er mit dem Griechen Thales und endet mit dem 1946 geborenen Peter Singer.


Den erhellenden biographischen und philosophischen Ausführungen werden jeweils die Geburts- und Sterbedaten sowie die Interessensgebiete der fokussierten Personen vorangestellt. Erläutert wird auch stets durch wen der Denker beeinflusst wurde aber auch wen er beeinflusst hat. Von jedem Philosophen erhält man einen visuellen Eindruck mittels abgelichteter Büsten, Gemälde und Fotos und es wird - das hat mich besonders beeindruckt- in jeweils einem Satz der essentielle Gedanke des jeweiligen philophischen Denkgebäudes auf den Punkt gebracht. Dererlei ist wirklich nicht einfach.

Man erhält u.a. einen Überblick von der Rolle der Frauen in der Philosophie und erfährt, weshalb die Philosophin Hypatia (ca. 370 n. Chr.- 414 n- Chr.) von Bedeutung war.
Diese hochgebildete Frau war eine natürliche Zielscheibe in ihrer Zeit, weil die meisten Christen weltliche Bildung als Beweis teuflischer Machenschaften galt und sie kaum in der Lage waren zwischen Wissenschaft und Magie einen Unterschied zu erkennen.
Diese gebildete Frau, deren Vater Mathematiker und Philosoph war, leitete dessen Schule und dennoch wurde sie auf offener Straße vom Mob nackt ausgezogen und brutal gelyncht. Die charismatische Lehrerin und Bewahrerin antiken Gedankengutes stellt ein Symbol des wissenschaftlichen Lichts in der Welt dar, die in dümmste Ignoranz und in Aberglauben abzusinken drohte.

Es führt zu weit an dieser Stelle Betrachtungen über alle 100 Philosophenbeschreibungen anzustellen.

Sehr gut ist es dem Autor gelungen in knappen Sätzen die Kerngedanken des von mir geschätzten Baruch Spinoza zu skizzieren und seine Erkenntnistheorie darzustellen. Ebenso lobenswert sind die Ausführungen zu Sir Francis Bacon, Hobbes, John Locke, Leibniz, Montesquieu, Rousseau, Kant, Mill, Sartre, Popper und Rawls, mit deren philosophischem Gedankengut ich mich in vergangener Zeit bereits ausführlich befasst habe und insofern die Qualität der Kurzfassungen glaube beurteilen zu können.

Es hat mich gefreut, dass man Mary Wollstonecraft eine Seite gewidmet hat. Sie hat sich vor über 200 Jahren bereits nicht nur für die Rechte ihrer Geschlechtsgenossinnen stark gemacht, sondern sich auch mit den Problemen des Sklavenhandels und den generellen Ungleichheiten in der Gesellschaft auseinander gesetzt.

Es ist meines Erachtens notwendig sich mit der Ethik des 1937 geborenen Thomas Nagel in heutigen Tagen zu befassen. Dieser Philosoph fühlt sich dem Realismus und Kant verpflichtet und findet im menschlichen Selbstbewusstsein die notwendigen Konditionen für die Möglichkeit der Moralität und des Altruismus, der Gleichheit und des politischen Engagements.

Ein Buch, das wirklich einen hervorragenden Überblick über das philosophische Denken innerhalb der letzten 2500 Jahre liefert. Ich empfehle es wärmstens.

Rezension:Selbstbetrachtungen (Gebundene Ausgabe)

Marc Aurel ( 121-180 n. Chr.) war römischer Kaiser , der in seinen philosophischen Betrachtungen von Seneca und Epiktet beeinflusst war. Der hochgebildete Rhetorikschüler zeichnete im Briefwechsel mit seinem Lehrer ein dezidiertes Bild der vornehmen Welt Roms. Die meiste Zeit seiner Herrschaft verbrachte er im Heerlager, um die Barbarenstürme abzuwehren. Die Philosophie wurde zu seiner ständigen Begleiterin . Sie half ihm die Last der Regierungsgeschäfte zu tragen. Marc Aurel gilt als der letzte Stoiker der Alten Welt.
Besondere Sorgfalt legte der Kaiser auf die Rechtsprechung . Bei Fragen um dem Status von Sklaven begünstigte er stets deren Freilassung.

Die vorliegenden Aufzeichnungen beginnen mit einer Danksagung Marc Aurels an seine Verwandte, Freunde und Lehrer. Das liest sich , wie folgt:" Fronto verhalf mir zur Einsicht, dass Missgunst , Schlauheit und Heuchelei die Folgen von Willkürherrschaft seien und dass im allgemeinen diejenigen, welche bei uns Edelgeborene heißen, eben doch weniger Menschenliebe besitzen, als andere." Der Danksagung schließen sich zwanglos aufgereihte Bemerkungen über vernünftige Verhaltensweisen und Einstellungen an. Marc Aurel möchte sich selbst damit zu einem verträglichen Menschen erziehen. Er kämpft gegen die negativen Affekte, wie Zorn, Missmut, Rachsucht , Eigensinn etc. und konstatiert:" Wer sündigt, versündigt sich an sich selbst; wer unrecht tut, schadet sich selbst, indem er sich selbst verschlimmert."

Viele Jahrhunderte nach Marc Aurel schrieb Gryphius ein Gedicht, das folgende Sentenz des Kaisers aufgreift: " Alles, was du siehst, wird sehr bald zerstört werden, und die , welche diesen Zerstörungen zuschauen , werden selbst auch bald zerstört, und durch den Tod wird der älteste Greis mit dem Frühverstorbenen in denselben Zustand versetzt werden."

Ich erlaube mir einen weiteren Gedanken des Kaiser zu zitieren, um seine große Klugheit zu dokumentieren:
" Denke nicht an das, was dir fehlt, vielmehr an das, was jetzt noch für dich da ist, und wähle die unter den vorhandenen Gütern die ersprießlichsten aus und erinnere dich ihretwegen daran, wie du sie wohl aufsuchen würdest, wenn sie nicht vorhanden wären! Jedoch hüte dich zugleich, dass dieses Wohlgefallen daran dich nicht an ihre Überschätzung gewöhne; denn sonst müsste ihr einstiger Verlust dich nur beunruhigen."

Marc Aurel wusste, wer immer sich strebend bemüht und sich von Leidenschaften freihält, erlangt Seelenfrieden.

Empfehlenswert!

Rezension: Ein Panorama europäischen Geistes: Texte aus drei Jahrtausenden: 3 Bände (Gebundene Ausgabe)

Wenn Sie einem guten, sehr nachdenklichen Freund ein schönes Weihnachtsgeschenk machen möchten, empfehle ich die drei Bände " Ein Panaroma europäischen Geistes " zu verschenken. Diese Bücher beinhalten rund 120 intellektuell anregende Texte aus drei Jahrtausenden von bekannten und weniger bekannten Dichtern und Denkern. Ausgewählt und vorgestellt werden die Texte von Ludwig Marcuse, der zu jeder einzelnen Person ein paar Worte verliert und textliche Aufschlussreiches den einzelnen schriftlichen Darlegungen zu sehr unterschiedlichen Themen jeweils voranstellt.

Man muss das Buch nicht chronologisch lesen. Wer sich ein wenig im klassischen Schrifttum auskennt, bemerkt sofort, dass die Texte immer bloß Auszüge aus bestimmten Werken der Autoren enthalten. So ist auch nur ein Bruchteil von Platons Gastmahl abgedruckt, genug aber um eine Idee von diesem wundervollen Gesamttext zu erhalten und neugierig auf diesen zu werden. Neugierde soll jeder Text wecken und wohl auch die Lust fördern weiter lesend sich die Gedankenwelt der vergangenen drei Jahrtausende zu erschließen.
Theophrast kannte ich bislang nicht. Er war der bekannteste Schüler des Aristoteles. Sein berühmtestes Buch " Charaktere " ist die erste Typologie innerhalb unserer Kultur. Abgedruckt sind seine Ausführungen über den Schwätzer, den Aufschneider, den Eitlen, den Wichtigtuer, den Abergläubischen, den Grobian und den Schmarotzer. Sich auf den Gesamttext einzulassen ist sicher kein Fehler.

Cicero mochte ich schon im Lateinunterricht. In " Über die menschlichen Pflichten " stellt er nicht zuletzt die Fragen " Sind alle pflichtmäßigen Handlungen vollkommen gute Handlungen?" " Ist eine Pflicht größer als eine andere? " Über solche Sätze lässt sich gut nachdenken, weitaus besser als über die Textstellen aus Cäsers " Der gallische Krieg ". Begeistert bin ich, dass man meinen Lieblingsphilosophen Plutarch nicht vergessen hat, der von sich selbst sagt, dass er mit Leib und Seele der Wahrheit und der Gerechtigkeit ergeben ist. Er machte es sich zu Aufgabe den Menschen aufzuklären und für das Gute zu begeistern. Die Textstelle aus seinen " Moralischen Schriften " ist gut gewählt.

Auch " Der goldene Esel " von Apuleius wird dem Leser entgegengebracht. Es geht hierbei um die Abenteuer eines in einen Esel verwandelten Mannes und die Erlösung durch die Göttin Isis. Die Geschichte von " Amor und Psyche " ist in diesem Werk eingeflochten, allerdings hat Marcuse eine andere Textstelle gewählt.
Im Band II " Von Augustinus bis Hegel " haben mich die Textauszüge von Erasmus von Rotterdams " Lob der Torheit " , von Thomas Morus " Utopia " und Ulrich von Huttens " Ich hab`s gewagt " besonders interessiert . Von Hutten hatte ich bislang noch nichts gelesen . Seine radikale Kampfansage gegen die säkulare Herrschaft der Kurie war mehr als nur mutig.

Mit viel Freude las ich natürlich Hölderlins Briefwechsel mit Diotima: " Seit ich Dich gestern sah, ist nichts als der Wunsch in mir lebendig Dich zu sprechen..." Eine wunderbare Liebeserklärung, derer sich viele versteckt in seinen Briefen finden. Die beiden Briefe Schopenhauers an Goethe sind freilich von ganz anderem Inhalt. Obschon Schopenhauer ein großer Mäkler war, blickt er dennoch zum Kaiser der deutschen Literatur ebenso auf, wie jeder andere Schriftsteller. Mit jedem neuen Text werden mir Bildunglücken bewusster. Fichte? Wieso habe ich ihn bislang noch nicht gelesen? " Die Bestimmung des Menschen " ist eindeutig ein Lesemuss.
" Des Menschen grausamster Feind ist der Mensch. Noch durchirren gesetzlose Horden von Wilden ungeheure Wüsteneien; sie begegnen sich in der Wüste und werden einander zur festlichen Speise; oder , wo die Kultur die wilden Haufen endlich unter das Gesetz zu Völkern vereinigte , greifen die Völker einander an mit der Macht , die ihnen die Vereinigung gab, und das Gesetz.... Das Gute ist immer das schwächere, denn es ist einfach und kann nur um sein selbst willen geliebt werden; das Böse lockt jeden einzelnen mit der Versprechung, die für ihn die verführendste ist, und die Verkehrten, unter sich selbst im ewigen Kampfe, schließen Waffenstillstand, sobald sich das Gute blicken lässt, um diesem mit vereinigter Kraft ihres Verderbens entgegenzugehen....( aus: Die Bestimmung des Menschen) ... und so gelangt man schließlich zu Band III " Von Karl Marx bis Thomas Mann." Büchner " Der Hessische Landbote " fehlt nicht aber auch zwei hervorragende Essay Ralph Waldo Emerson wurden abgedruckt. Emerson schreibt in " Goethe oder der Schriftsteller ": " Goethe war der Philosoph dieser Vielfältigkeit; hunderthändig, argusäugig, fähig und freudig bereit, es mit diesem rollenden Gemengsel von Tatsachen und Wissenschaften aufzunehmen und durch seine eigene Gewandtheit sie mit Leichtigkeit einzuordnen.... Sein ganzes Denken ist von herzerfreuender Freiheit erfüllt. Er war die Seele seines Jahrhunderts...."

Vertiefe ich mich in einen Heinetext schwöre ich sogleich nur noch Heine zu lesen. Er ist für mich der Beste. Eindeutig....auch wenn ich immer wieder Goethe huldige....und das nicht grundlos.

Unmöglich alle Autoren und Texte aufzuzählen. Zum Ende der Rezension vielleicht noch ein kleines Zitat von Epiktet : " Gewöhne Dich nun, bei jedem unangenehmen Ereignis zu sagen: Du bist nicht das, was Du scheinst, sondern nur eine Vorstellung. Sodann prüfe an den Regeln, die Du gelernt hast, besonders an der ersten, indem Du fragst: Gehört es zu dem, was in meiner Gewalt steht, oder nicht? Und gehört es zu dem, was nicht in deiner Gewalt steht, so sage dir selber: Es geht mich also nichts an."
Ein kluger Mann, dieser Epiktet.

Empfehlenswert!




Kommentar 

Rezension:Was ist eine Borderline-Störung? Antworten auf die wichtigsten Fragen (Broschiert)

Der Psychologe und Psychotherapeut Dr. Gerd Möhlenkamp zeichnet in diesem Buch die Symptome einer Borderline - Erkrankung auf.Ein typisches Merkmal ist das Schwarz-Weiß-Denken dieser Personen, denen es beispielsweise nicht gelingt wütend auf eine geliebte Person zu sein und zeitgleich die positive Grundeinstellung nicht zu verlieren. Es gibt stets nur ein Entweder-Oder.

Dieses Menschen sind nicht selten hochgradig aggressiv, suchen und versuchen ihr Selbstwertgefühl dadurch zu schützen, indem sie gegen Dritte zu Felde ziehen. Eifersucht , Kontroll- und Manipulationsverhalten sind an der Tagesordnung. Möhlenkamp erläutert u.a. welche Bedeutung die frühe Kindheit für eine Borderline-Störungen hat.

Offensichtlich stehen diese Menschen unter emotionaler Hochspannung. Für sie gibt es nur Freund oder Feind, alles andere verwirrt nur. Eine Ursache für die Persönlichkeitsstörung ist sexueller Missbrauch während der Kindheit im Zusammenhang mit allgemeiner emotionaler Vernachlässigung. Diese Erfahrung führt zum Zusammenbruch jeglichen Selbstwertgefühls und Beziehungsvertrauens und bedeutet eine Art Seelenmord. Da die emotionale Hochspannung dauerhaft nicht ertragen werden kann, entstehen so genannte Dissoziationen. Das heißt, es werden besonders belastende Empfindungen einfach ausgeschaltet, genauer: Empfindungen , Erinnerungen und Wahrnehmungen werden vom Bewusstsein und von der unmittelbaren Aufmerksamkeit abgetrennt.

Die Multiple Persönlichkeitsstörung ist eine besondere Form der Dissoziation. Oft fällt sie mit einer Borderline-Störung zusammen. Das Ich wird in diverse Teilpersönlichkeiten getrennt, die unabhängig voneinander agieren. Borderline-Störungen gehen nicht selten mit Suchtproblemen einher, deren Zweck es ist kurzfristig von innerer Not abzulenken und sich selbst zu beruhigen. Menschen mit diesem Krankheitsbild sind hochgradig beziehungsgestört. Trennungen werden als Katastrophe betrachtet.

Wenn man sich von einer borderline-erkrankten Person trennt, wird man unter Umständen lange von deren Hass verfolgt. Ein solcher Hass kann sich bis zu realen Verfolgung , ständigem Nachspionieren und Gewaltanwendung steigern.Möhlenkamp resümiert , dass diese Menschen emotional sehr instabil sind. Bereits geringe Anlässe lösen spontan heftige, gefühlsbetonte Reaktionen aus.Schwierigkeiten mit der Spannungs- und Selbstkontrolle führen u.a. zu Wutausbrüchen, Suchverhalten und Zwängen. Die Frustrationstoleranz ist gering. Folge sind häufige Abbrüche von Beziehungen und Arbeitsverhältnissen. Das Selbstbild schwankt zwischen Größenideen und Minderwertigkeitsgefühl. Nach Trennungen sind Wut- Rache- und Stalkingreaktionen nicht unüblich.

Borderline-Gestörte können schwer vergessen und verdrängen.

Ein ungemein erhellender Text.


Rezension:Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (Gebundene Ausgabe)

Die Diplompsychologin Dr. Bärbel Wardetzki setzt sich in diesem Buch mit narzisstischen Beziehungen auseinander, die sie als eitle Liebe bezeichnet. In narzisstischen Beziehungen haben nicht selten beide Partner einen narzisstischen Defekt, wobei der eine Partner ihn grandios überhöht und der andere minderwertig und depressiv auslebt. Solche Partner brauchen sich, um sich gegenseitig zu bestätigen. Die Autorin fokussiert Narzissten, aber auch Komplimentärnarzissten, dabei erklärt sie, was Menschen dazu motiviert, sich über die Maßen selbstbezogen zu verhalten und wie das Gegenüber sich gegen die daraus resultierenden destruktiven Verhaltensweisen wappnen kann.

Glücklich, nährend, erfüllend und dauerhaft befriedigend sind narzisstische Beziehungen selten. In narzisstischen Beziehungen begegnen sich zwei Menschen mit einem verletzten Selbst. Dies führt zu charakteristischen Konflikten wie Entwertung und Erhöhung des anderen und der eigenen Person, die Angst vor Nähe, aber zeitgleich vor Einsamkeit hat, den Wunsch besitzt zu verschmelzen und die Furcht sich darin zu verlieren, das Gerangel um Macht, das Ungleichgewicht in der Begegnung und das Streben nach einem idealen Bild von sich und seinem Gegenüber, wie die Autorin auflistet.

Dr. Wardetzki definiert eingangs den Begriff der narzisstischen Beziehung sehr ausführlich, um in der Folge aufzuzeigen, wie die Persönlichkeit von Menschen geformt ist, deren Liebesbeziehungen scheitern. Narzissmus sei primär keine Krankheit, so die Autorin, sondern kann auch als gesunder oder positiver Narzissmus im Sinne von gesundem Selbstwertgefühl begrüßenswert sein. Es geht im Buch um die Überwertigkeit, darum, wenn Narzissmus als Regulation des Selbstwertgefühls genutzt wird, bzw. Narzissmus als Rückzug auf sich selbst, als Schutz und Abwehrhaltung gegen das Zusammenbrechen des Selbstwertgefühls, gegen das Gefühl wertlos zu sein eingesetzt wird.

Die Autorin verdeutlicht, dass die Art wie Menschen auf Zurückweisung ihrer Liebe reagieren zeigen kann, wie stark oder fragil ihr Selbstwertgefühl ist. "Im schlimmsten Fall stürzen sie in ein schwarzes Loch, verlieren den Boden unter den Füßen, fühlen sich als Mensch zurückgewiesen, unwichtig, nicht liebenswert und ihr Hass ist teilweise grenzenlos."

Es gibt also einen Punkt, an dem der positive Narzissmus in dysfunktionalen umschlägt. Diesen gilt es auszuloten. Menschen, die nur auf sich selbst fixiert sind und versuchen durch Größenfantasien, Perfektionismus, Besonderssein, das Verleugnen oder Umdefinieren enttäuschender Erfahrungen ihr Selbst in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Ursache hierfür ist mit großer Wahrscheinlichkeit Selbstwertmangel, der mit der Selbstüberhöhung ausgeglichen werden soll. Narzissten also sind nach diesem Verständnis Menschen, die Probleme habe ihr Selbstwertgefühl zu regulieren und sich in überhöhten Größenfantasien oder in die Verschmelzung mit einem idealisierten Partner zu retten versuchen.

Dr. Wardetzki fasst zusammen, dass der offene Narzisst charakterisiert ist durch: Dominanzstreben, Misstrauen, Arroganz, Aggressivität, Egozentrismus, Überheblichkeit und geringe Wahrnehmung der Reaktion anderer. Der verdeckte Narzisst hingegen ist sehr empfindlich, gehemmt, depressiv, voller Scham und Gefühle der Demütigung.

Die Psychologin bietet einen Fragebogen an, damit man feststellen kann, wie man sich in Beziehungen fühlt und verhält. Der Fragebogen dient dazu sich Verhaltensmuster klar zu machen.

Narzisstischen Liebesbeziehungen fehlt: die Sorge um den anderen, die Neugier für den anderen und sein Leben, Empathie und Einfühlung in die Gefühle und Bedürfnisse des anderen, optimale Distanz zwischen Partner, Dankbarkeit, Achtung und Wertschätzung.

Narzissten können aufgrund ihres mangelnden Selbstwertgefühls den Partner nicht als eigenständiges Individuum wahrnehmen, sondern nur als "narzisstisches Objekt", als Erweiterung des eigenen Selbst, als etwas, das das eigene Selbst erhöht und schmückt.

Dr. Wardetzki führt weiter aus: "Im Fall der Erniedrigung wird der andere abgewertet und mit einem kritischen, gnadenlosen Blick beurteilt. Der Fokus liegt dabei auf dessen Schwachstellen, nicht auf seinen Stärken. Am Ende wird klar:>>Ich bin besser, schneller , schöner, liebenswerter etc. und dadurch mehr wert als du<<. Und das verschafft ein Gefühl von Selbstwert."

Die Psychologin wartet mit einem kleinen, erhellenden Leitfaden zum Aufspüren narzisstischer Verstrickungen auf, den man sich genau durchlesen und ehrlich beantworten sollte. Sehr gut auch ist ihre Betrachtung der beiden verletzten inneren Kinder, die in fataler Beziehung zueinander stehen und die Hinweise, wie man mit diesen inneren Kindern arbeit. Es folgen eine Fülle weiterer Fakten zum Thema Narzissmus und narzisstische Beziehungen. Dr. Wardetzki zeigt, wie man seinen eigenen Wert vom narzisstischen Gegenüber abkoppelt und dadurch möglicherweise eine Beziehung mit einem Narzissten leben kann.

Ein kluges Buch.

Rezension: Sich ändern - statt ärgern: Vom Umgang mit turbulenten Gefühlen (Broschiert)

Der Autor dieses überaus erhellenden Buches ist der Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Kurt A. Richter. Er stellt in seinem Buch das von ihm entwickelte " Update your brain "-Training vor und nutzt zur Wissensvermittlung die sokratische Dialogform. Die Methode der " Mäeutik " soll durch Fragen den Leser zur Erkenntnis führen. Innerhalb von 22 Dialogen wird dargelegt wie man sinnvoller mit arroganten, nörglerischen, vorwurfsvollen, eifersüchtigen, rechthaberischen, neidischen und zynischen Menschen umgeht. Aufgezeigt wird aber auch die selbstschädigende Wirkung einer übelwollenden Absicht. Richter macht unmissverständlich klar, dass demjenigen, der anderen wehtun möchte, selbst etwas wehtut und sich ein solcher Mensch, indem er andere zu verletzten sucht, letztlich sich selbst schädigt, mithin seinen eigenen Schmerz verstärkt und durch ein solches Tun sein eigenes Leid vergrößert.

Der innere Zustand, den man Glücklichsein nennt, steht nicht nur in enger Beziehung zu einem Gefühl tiefer Dankbarkeit, Achtung und Respekt vor dem Leben, sondern er korrespondiert auch mit dem Gefühl von echtem Wohlwollen, dem intensiven Wunsch für das Glück anderer. Was macht Menschen glücklich? Ich erlaube mir die Richters Liste der positiven Gefühle wiederzugeben, nicht zuletzt, weil sein Buch den Weg eröffnet dieser Gefühle teilhaftig zu werden: Die Fähigkeit zu lieben, geistige Klarheit, herzliches Mitgefühl, inner Ruhe, Begeisterungsfähigkeit, strahlende Gesundheit, Verständnis, Beharrlichkeit, die Fähigkeit zu staunen, geistige Kraft, Herzlichkeit, innere Sicherheit, Lebensfreude, persönliche Ausstrahlung, Besonnenheit, Einsatzfreude, Flexibilität, eine positive Lebenseinstellung, Tatkraft, Weisheit, Dankbarkeit, Entschlossenheit, Gleichmut, Humor, menschliche Größe, Selbstbewusstsein, tiefe Freude, Widerstandkraft, einen wachen Verstand, Interesse, inneren Frieden, Selbstvertrauen, tiefe innere Zufriedenheit, innere Ausgeglichenheit, Inspiration, mit sich im Reinen sein, Sinn für Zärtlichkeit, tiefe Verbundenheit mit seinen Mitmenschen, Zielstrebigkeit, die Achtung vor sich selbst, die Fähigkeit anderen Freude zu machen, Geborgenheit, innere Harmonie, Fürsorge, innere Freiheit, klarer Kopf in schwierigen Situationen, tiefes Glück, Einfühlungsvermögen, Geduld, Geschicklichkeit im Umgang mit Menschen, innere Freude, Mut , seelische Kraft, Spontanität, Zuversicht, Ausdauer, die Fähigkeit viele Menschen gern zu haben, Geistesgegenwart, innere Gelassenheit, Kreativität, Aufgeschlossenheit und seelische Stabilität.

Die seelische Stabilität ist die Basis für soziale Kreativität. Wer mit kritischen sozialen Situationen kreativ und flexibel umgehen möchte, benötigt eine gewisse geistige Klarheit, innere Ausgeglichenheit und Stabilität.
Der Psychologe macht im Rahmen seiner Dialoge begreifbar, dass übertriebene und herabsetzende Kritik, unberechtigte, auch versteckte und stumme Vorwürfe, falsche Unterstellungen, spitze, gehässige und abfällige Bemerkungen, überhebliches, neidisches rechthaberisches oder bevormundendes Verhalten, aber auch mitleidige und zynische Bemerkungen letztlich keine Auswirkungen auf das eigene Selbstbewusstsein haben können, wenn man sich darüber im Klaren wird, das man selbst derjenige ist, der entscheidet , ob man verletzt sein möchte oder nicht. Richters Dialoge verdeutlichen sehr gut, dass jeder bewusste Mensch über seine Gefühle selbst entscheiden kann. Man muss sich nicht in die Attacken eines Destrukteurs reinziehen lassen, sondern ist gut beraten ein negativ agierendes Gegenüber neugierig zu studieren und sich klar zu machen, dass ein solcher Mensch eine zutiefst unzufriedene Person ist, die aus ihrer Unzufriedenheit heraus boshaft agiert und nicht fähig ist an einem konstruktiven Gespräch teilzunehmen. Man muss sich nicht als Reibungsfläche zur Verfügung stellen.

Jedem sollte klar werden, dass man positive Ziele niemals durch Negativenergie erreichen kann. Wer beispielweise misstraut und pausenlos kontrolliert wird in der Folge unglücklich. Das gleiche gilt für Herabsetzungen aller Art, die nicht zuletzt auch die Folge von Misstrauen und Kontrolle sind.
Richter weist auf die kontraproduktive Wirkung von Etikettierung und Labeling hin, die immer trennend wirkt und einem positiven Miteinander nicht zuträglich ist. Hüte man sich vor ungünstigen geistigen Haltungen. Ihnen folgt in der Regel ein negativer innerer Gefühlszustand aus dem nicht selten sehr fehlgeleitete , unkluge Reaktionen resultieren, die die Probleme eskalieren lassen und letztlich dazu beitragen, dass man seine Ziele nicht erreicht. Andere Abwerten und Herabsetzen und sie durch Wehtunwollen zu beeinflussen und zu manipulieren, greift nicht, wenn der Andere sich bewusst ist, dass nur er selbst darüber entscheidet, wie er mit den Attacken Dritter umgeht und nicht der Destrukteur.

Personen mit geballter negativer Energie sind arme Menschen, die Aufmerksamkeit erzeugen möchten. Es mangelt ihnen am Bewusstsein für positive Interaktion. Leidvolle, störende, negative Gefühle unterdrücken das Selbstbewusstsein, das Glücklichsein, die Lebensfreude, die Kreativität und die Fähigkeit zu lieben. Das sollte man sich bewusst machen. Es ist nicht klug Ärger, Wut, Groll und Hass in sich zu " kultivieren ". Diese Gefühlszustände sind die Unterdrücker des eigenen Glücksgefühls. Wenn man sich bewusst negativ agierende Menschen anschaut, so sieht man hinter der Maske ihres Hasses, ihres Ärgers, ihres Grolls nur geballte Anspannung, Stress und Leid. Im Laufe der Jahre graben sich diese Emotionen in Form von Zornes- und Missmutfalten tief ins Gesicht solcher Personen ein und werden von ihren Mitmenschen deshalb nicht selten als unsympatisch gemieden. Ihre Attacken sind Ausdruck ihres Leids. Man muss sich in dieses Leid nicht einbinden lassen, denn für seine eigenen Gefühle ist man immer nur selbst zuständig.


Sehr empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension:Von der Freundschaft: Ein Lesebuch (Broschiert)

Latein war mein Lieblingsfach in der Schule. Mit großem Vergnügen las ich damals Ciceros "Laelius" im Original, viel später dann las ich Gedanken über die Freundschaft von Michel de Montaigne, von Francis Bacon, von Immanuel Kant und von Friedrich Schiller. Mich interessierte immer wie Dichter und Denker den Begriff " Freundschaft" mit Inhalt füllten. Wann ist man ein guter Freund? Wodurch zerbricht Freundschaft? Ich denke, einzig durch Verrat.

In einer meiner jüngste Rezensionen sage ich:<< In meinen Augen gibt es kein schöneres Geschenk als dieses, eines anderen Menschen Freund sein zu dürfen. Nicht jedem wird dieses Geschenk zuteil. Ich glaube, dies ist auch der Grund, weshalb viele Menschen so unzufrieden sind. Eines anderen Freund sein zu dürfen bedeutet, von einem Du völlig uneigennützig angenommen worden zu sein. Wenn man sich selbst bemüht Freund zu sein, dann hat man meines Erachtens die größte Chance auch Freunde zu bekommen. Der Beginn einer Freundschaft setzt Respekt vor dem Du voraus. Wer nicht gelernt hat, sich und seine Gegenüber "o.k." zu finden, wird niemals Freunde haben.<< Meine Gedanken sind freilich sehr schlicht, gemessen zu den hochphilosophischen Einlassungen der Essayisten im Buch, so dass ich mich im Nachhinein fast schäme, sie öffentlich festgehalten zu haben.

Im Lesebuch der Herausgeberinnen Silvia Bovenschen und Juliane Beckmann reflektieren Silvia Bovenschen, Sappho, Platon, Aristoteles, Cicero, Lukian, Aelred von Rievvaulx, Michel de Montaigne, Francis Bacon, Friedrich Gottlieb Klopstock, Immanuel Kant, Mathhias Claudius, Johann Gottfried Herder, Christian Daniel Friedrich Schubart, Adolph Freiherr von Knigge, Friedrich Schiller, Franz Grillparzer, Friedrich Hölderlin, Clemens Bretano, Bettine von Arnim, Karl Philipp Moritz, Sören Kierkegaard, Friedrich Nietzsche und Rainer Maria Rilke den Freundschaftbegriff.

Die Texte zeigen, dass Freundschaft viele Varianten kennt, aber vergleichsweise wenig Unverträglichkeit, wie Bovenschen gleich zu Beginn unterstreicht. Bemerkenswert auch ihre Reflektion, dass es anders als bei der Liebe kaum den Ausweg in Lyrismen gibt: Man spricht kaum von "Freundschaftslyrik". Angesiedelt ist Freundschaft in einer sozial und kulturell nicht leicht auszumachenden Zwischensphäre - zwischen Verwandtschaft, Liebe und Bekanntschaft. Bovenschen erwähnt in ihrem Essay Siegfried Kracauer, der im Gespräch den >>Hauptreiz<< der Freundschaft erkennt . "In ihm, dem Gespräch der Freunde, werde das schnelle Gleiten von den >>leichtesten Scherzworten<< zu den >>innerlichsten Antworten möglich, die unaufhörliche Berührung von >>Tiefe und Oberfläche, Alltag und Ewigkeit<<, >>das gemeinsame Durchmessen weiter Räume<< in einem <<< ", zitiert Bovenschen Kracauer. Gefallen hat mir die Metapher des Tanzes, weil sie die hohe Flexibilität der Freundschaft, die zeitgleich eine soziale Flexibilität darstellt, vor Augen führt.

Die Essays und Gedichte zeigen eine ganze Palette von Freundschaftreflektionen. Ihnen gemeinsam ist tatsächlich der Gedanke, dass Freundschaft einem kommunikativen Tanz mit einem Du gleichkommt.

Selten habe ich ein so beeindruckenderes Gedicht zum Thema Freundschaft gelesen wie " Requiem" von Rilke , das er für eine Freundin, ich vermute für Lou Andreas-Salomé, schrieb. Das Gedicht ist zu lang, als dass ich es hier wiedergeben könnte.
Eine paar Zeilen allerdings möchte ich zitieren:
".....
.........
Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist:
die Freiheit eines Lieben nicht vermehren,
um alle Freiheit, die man in sich aufbringt,
Wir haben, wo wir lieben nur dies:
einander lassen, denn dass wir uns halten,
das fällt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.
....."

Kant bringt es in seinem Essay auf den Punkt: "Ohne Freund ist der Mensch ganz isoliert. Durch Freundschaft wird die Tugend im Kleinen kultiviert."

Ein lesenswertes Buch. 


Rezension: Von der Freundschaft und andere Essais (Broschiert)

Der französische Schriftsteller Michel de Montaigne ( 1533- 1592) legte seine Reflexionen über Philosophie, Geschichte, Politik , Literatur u.a. in seinen " Essais " nieder. Damit schuf er eine eigenständige Form, die im Gegensatz zu Traktat eine subjektive, lockere, vielseitige Darstellung ermöglichte.
Montaigne knüpfte an den antiken Skeptizismus an, den er dogmatischen Wahrheitsansprüchen entgegenstellte.

Seine " Essais " zeigen Montaigne als typischen Sohn seiner Zeit: ein weltlicher Geist, kritisch, skeptisch - bemüht sich von Vorurteilen frei zu machen - . Im Mittelpunkt seines Denkens steht der Mensch. Der Mensch der Renaissance, befreit von vielerlei Bindungen und im Bewusstsein ungeahnter neuer Räume und Möglichkeiten möchte das Rätsel seiner selbst ergründen.

Was ist der Mensch? Was ist unser Leben?

Seine Reflexionen gehen auf Staat und Politik, auf Geist und Wissen, Erziehung, Tugend und Tapferkeit, aber sie kehren doch immer wieder zurück zu Leben und Tod.
" Leben heißt sterben zu lernen" , so die Worte des Philosophen. Der Tod scheint Bedingung und Teil unseres Wesens, das Werk unseres Lebens ist unseren Tod zu bauen.

Im vorliegenden Büchlein finden sich seine Essais "Von der Freundschaft", "Dass unsere Empfindung des Guten und Bösen großteils von der Meinung abhängt, die wir davon haben ", " Philosophieren heißt sterben lernen", " Von der Einsamkeit" und " Von der Schonung des Willens ". Die Texte sind wie viele andere Essais von Montaigne von großer gedanklicher Tiefe, scharf in der Beobachtung und dabei elegant im Ausdruck.

Um zu zeigen, wie der Philosoph schreibt möchte ich zwei Zitate anfügen, zum einen einen Gedanken aus seinem Essay " Von der Freundschaft" :" In der Freundschaft ist es eine allgemeine und alles erfüllende Wärme, milde überdies und gleichmäßig; eine beständige und ruhige, ganz Innigkeit und Zartheit, die nichts Brennendes oder Durchbohrendes hat. Mehr noch als dies, in der Liebe ist nur ein ungestümes Verlangen, nach dem, was flieht....... Sobald das Freundschaftsverhältnis eintritt, dass heißt die Übereinstimmung zweier Willen, verraucht sie und erlahmt. Der Genuss zerstört sie, weil seine Absicht körperlich und deren Sättigung unterworfen ist. Die Freundschaft wird in eben dem Maße genossen, indem sie begehrt wird, und keimt, nährt und wächst nur mit ihrem Genuss, weil sie geistig ist und die Seelen sich in ihrer Ausübung verfeinern."
Zum anderen eine Passage aus " Philosophieren heißt sterben lernen " : " Es ist ungewiss, wo der Tod uns erwartet: erwarten wir ihn überall. Die Besinnung auf den Tod ist die Besinnung auf die Freiheit. Wer sterben gelernt hat, der hat das Dienen verlernt. Sterben zu wissen, befreit uns von aller Unterwerfung und allem Zwang. Das Leben hat keine Übel mehr für den, der recht begriffen hat, dass der Verlust des Lebens kein Übel ist."

Ich hoffe, ich konnte Ihre Neugierde hinsichtlich des klugen Franzosen wecken.



Rezension:Berühmte Briefe: Briefe aus dem Exil (Gebundene Ausgabe)

Der römische Politiker Redner und Philosoph Cicero (106 v. Chr.- 43 n. Chr.) vereitelte 63 v. Chr. als Konsul die Verschwörung des Catilina. Unter dem Druck der Machtverhältnisse ging er 58/57 ins Exil. Aus dieser Zeit stammen die im Buch beinhalteten Briefe.Erst in der Zeit danach entstanden seine Hauptwerke. 51 wurde Cicero als Stadthalter nach Kilikien geschickt. Im Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar entschied er sich für Pompeius, erlangte aber später die Gunst Caesars. Nach dessen Ermordung (44) trat Caesar für die Wiederherstellung der Senatsherrschaft ein und geriet in Gegensatz zu Marcus Antonius, gegen den er seine 14 philippischen Reden richtete. Dieser ließ ihn nach Abschluss des 2. Triumvirats auf die Proskriptionsliste setzen und ermorden.

Cicero gilt als einer der größten römischen Redner, seine Schriften beeinflussten erheblich das abendländische Denken. In der Einleitung wird das Leben Ciceros skizziert.Anschließend erfährt man, dass Briefe in der Antike auf Wachstäfelchen oder Papyrus geschrieben wurden. Die Briefe wurden mit einem Bändchen und mit Wachs versiegelt.Obgleich die hier versammelten Briefe private Gebrauchsbriefe sind, wurden sie fast alle in schöner Sprache und stilisierter Form verfasst. Man erfährt, dass Briefe entweder einem Sklaven diktiert oder, wenn sie persönlicher Natur waren, mit eigener Hand geschrieben wurden. Cicero diktierte Briefe nur, wenn er krank oder auf Reisen oder sehr beschäftigt war. Das bezeugt er in diversen Briefen. Selbst in Phasen tiefster Verzweiflung, Sorge und Enttäuschung, bemüht sich der Römer um eine ausgefeilte, mit Stilmitteln geschmückte Sprache.Nachdem der Leser über einige Seiten hinweg über die Vorgeschichte zu Ciceros Exil und die Zeit des Exils informiert worden ist, folgen die berühmten Briefe, die in lateinischer und deutscher Sprache abgedruckt sind.Diese Briefe wurden von dem italienischen Humanisten Francesco Petrarca wieder entdeckt. Lange Zeit galten sie als vermisst. Es handelt sich um Briefe an seinen Verleger Atticus, an seinen Bruder Quintus und an seine Ehefrau Terentia und die gemeinsamen Kinder.Auf die einzelnen unterschiedlichen Inhalte der knappen Briefe einzugehen sprengt leider den Rahmen dieser Rezension.

Wie man einem Beitrag über Ciceros Leben nach dem Exil entnehmen kann, trennte er sich nach seiner Rückkehr 47 oder Anfang 48 von seiner Frau , weil er sich wirtschaftlich von ihr betrogen fühlte, da sie ihn nicht an ihrem Testament beteiligte. Die Ehe zwischen den beiden hatte 30 Jahre gehalten, obschon in Rom zu jener Zeit eine Scheidung unproblematisch war.

Aus dem Exil in Thessaloniki schreibt er u.a an Terentia:" Was Du von unserem Haus schreibst, d.h. vom Grundstück, ich werde mich wahrlich erst rehabilitiert fühlen, wenn es uns zurückgegeben sein wird. Das liegt allerdings nicht in meiner Hand. Ich bedauere, dass Du von den Kosten, die aufzuwenden sind, einen Teil übernehmen musst, da Du elend und beraubt bist. Wenn dieser Handel klar geht, werden wir alles wiedererlangen; wenn nicht. Wenn uns aber das Schicksal bedrückt, wirst Du Arme dann auch noch Deine übrigen Güter opfern? Ich beschwöre Dich, mein Leben, was die Kosten anbelangt, versuche nicht ohne die anderen, die können, wenn sie nur wollen, sie auf Dich zu nehmen und Deine schwache Gesundheit zu belasten, wenn Du mich liebst. Denn mir stehst Du Tag und Nacht vor Augen, ich sehe Dich alle Mühen auf Dich nehmen und fürchte, dass Du dich übernimmst. Ich sehe aber, dass an Dir alles liegt. Daher achte auf Deine Gesundheit, damit wir erlangen, was Du hoffst und was Du betreibst.
...
...
Leb wohl, meine Sehnsucht, leb wohl."

Die Briefe Ciceros an seine Frau sind ein Dokument dafür, das nichts auf diese Welt von Dauer ist.......