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Rezension: Ja heisst ja und…Carolin Emcke- S. Fischer

Die Philosophin #Carolin_Emcke hat, basierend auf einem Bühnenprogramm, das im Dezember 2018 an der Schaubühne in Berlin Premiere hatte, diesen Essay verfasst, der sich mit #sexuellem_Missbrauch und #Gewalt, mit #Verschweigen und mit #Machtfacetten  auseinandersetzt. 

Dabei geht es zunächst um die #metoo-Problematik und die damit verbundenen rhetorischen Verhüllungen, die #Tabuisierungen und die entsprechenden Folgen. 

Wie die Autorin so treffend bemerkt, bleibt Gewalt abstrakt und unvorstellbar, unwahrscheinlich und unantastbar, wenn es keine konkreten Begriffe und Beschreibungen gibt. 

Carolin Emcke weiß, wann man individuell entscheiden muss, ob eine #sexuelle_Grenzüberschreitung harmlos, lustig, flirtiv, herablassend, demütigend oder furchteinflößend zu werten sei. Sie verurteilt nicht vorschnell, sondern wägt subtil ab und bleibt dabei fair.

Sie werde, wie sie sagt, von Männern gerne als androgyner Typ "eingemeindet", weil sie lesbisch ist. Sie gehört also nicht in deren "Beuteschema". Das hindert sie aber nicht daran, Macht- und Ohnmachtsverhältnisse unbeeindruckt auszuloten. Sie benennt unzählige Machtverhältnisse, nennt auch die am wenigsten verstandene Macht und zeigt auf, dass jene, die Macht haben, letztlich auch darüber entscheiden, wer sich zu sprechen traut, wer die erwartete Scham in der Folge  ablehnt oder auch die zugeschriebene Mitschuld an der Demütigung. Den langen Arm der Macht muss man sich erst einmal unbeeindruckt bewusst machen.

Die Philosophin schreibt in Miniaturen und Fragmenten über Macht, mal erzählerisch, mal analytisch, denn sexueller Missbrauch ist letztlich Machtmissbrauch. Sexualität wird in solchen Fällen zum Mittel andere zu dominieren.

Frau Emcke erzählt wie sie Zeugin von häuslicher Gewalt wurde bei einer Freundin, deren Ehemann diese schlug. Im Nachdenken über die Geschehnisse erkennt die Autorin, dass sie ihre Freundin bereits allein ließ, als sie duldete, wie deren Mann die später Geschlagene zunächst verbal herabsetzte. Um der Harmonie willen schwiegen Emcke und die anderen Gäste der abendlichen Tischgesellschaft und ließen ungewollt zu, was sich später ereignete. 

Wer solche Situationen schon erlebt und darüber nachgedacht hat, wird sensibler und schweigt zukünftig nicht mehr. Das ist nicht nur die daraus gezogene  Lehre Carolin Emckes.

Um fair zu sein, benötige man stets dichte Beschreibungen von Machtmissbrauchssituationen, von dem, was geschehen ist. Doch daran mangelt es offenbar häufig. Wahrnehmungen werden durch deren präzise Verbalisierung erst eindeutig. 

Dann ist da auch noch die Sache mit der Scham. Die Philosophin schreibt:"Niemand soll sich schämen für den verdinglichenden Blick eines anderen".  Das sehe ich auch so.

Es stimmt auch, dass man sich nicht zuschreiben lassen soll, angeblich provoziert zu haben und anderes mehr. Man muss sich nicht zum Täter machen lassen, wenn man Opfer ist.

Carolin Emcke setzt dem Machtmissbrauch sinnstiftende Macht entgegen. Dazu gehört, sich repressiven Strukturen zu widersetzen, d.h. gegen rassistische Ausgrenzung, gegen antisemitische Ressentiments, gegen die Stigmatisierung von Menschen, um nur einige Beispiele zu nennen. Macht sei auch, Geschichten von all den kreativen, zivilen, poetischen Formen des Protests zu erzählen. Diese seien der Quell der politische Hoffnung 

Wichtig scheint zu sein, wann und wo auch immer das Schweigen und damit die Macht derer zu brechen, die dahinter ihr Unwesen treiben und strategisch mit der Scham der Opfer ihre Spielchen spielen,  die die Wahrheit relativieren und Tatsachen durch Verdunklung  gekonnt verdrehen.. 

Maximal empfehlenswert

Helga König

Im Fachhandel erhältlich

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Ja heißt ja und ...

Rezension: Sich selbst vertrauen-Kleine Philosophie der Zuversicht- Charles Pépin- Hanser

Der französische Schriftsteller Charles Pépin schreibt nicht nur sehr erfolgreiche Bücher, sondern lehrt zudem Philosophie. Das vorliegende, von ihm verfasste Werk wurde in Frankreich zum Bestseller und ist von Caroline Gutberlet aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt worden. 

Um zu verstehen, wie Selbstvertrauen entsteht, lotet der Autor die Lebenswege von Madonna, Patrick Edlinger, George Sand, John Lennon, Serena Williams und anderen aus und macht auf diese Weise deutlich, dass wir nicht vertrauensvoll auf die Welt kommen, sondern es erst mit der Zeit werden. 

#Selbstvertrauen sei stets eine Errungenschaft, die viel Mühe und Geduld erforderlich mache und mitunter sei es ein Anlass zu tiefer Freude, wenn etwas tatsächlich zu beherrschen, darin gipfele, dass wir es loslassen können. 

Um das Rätsel des Selbstvertrauens zu lösen, wendet sich Pépin an Gelehrte der Antike und Philosophen der Neuzeit wie #Emerson, #Nietzsche und #Bergson. Doch dem nicht genug, liest man Weiteres hierzu von Psychiatern und Psychoanalytikern, von Pädagogen aber auch von Sportlern, Piloten und Notärzten, Dichtern und sogar von Mystikern. 

Im Rahmen von 10 Kapiteln erfährt man also mehr darüber, was man unter der Philosophie der Zuversicht zu verstehen hat. 

Zunächst geht es dabei um zwischenmenschliches Vertrauen, denn Selbstvertrauen komme zuallererst von den anderen. Geliebt und mit liebenden Augen angeschaut worden zu sein, schenke uns Kraft fürs Leben. Nur durch den anderen können wir uns selbst bewusst werden. #Selbstvertrauen habe mit unserem Verhältnis zum Handeln zu tun, mit unserer Fähigkeit, uns trotz aller #Zweifel aufzumachen, uns in die komplexe Welt zu wagen. Dabei wird erkennbar, dass Selbstvertrauen zunächst eine Geschichte von Liebe und Freundschaft ist. 

Anschließend wird man mit der Praxis des Vertrauens vertraut gemacht, liest, dass Vertrauen, den Ursprung im Können habe und dieses im intensiven Üben. An Beispielen verdeutlicht Pépin, dass bei großen Künstlern das Vertrauen zuerst aus der Praxis, einer ausdauernden und geradezu obsessiven Praxis erwachse. Hinzukommen müsse nach dem Ergebnis einer Studie allerdings Freude am Tun. Dann könnten zehntausend Übungsstunden zu Stunden echter Aufmerksamkeit und Gegenwärtigkeit für seine Kunst werden. 

#Können kann dazu befähigen, mit Neuem umzugehen, wenn das Können verinnerlicht ist. Dann ist es möglich sich auf unvorhergesehene Situationen einzustellen.. #Können verwandelt sich so in #Vertrauen. In Selbstvertrauen. Auf sich selbst hören, ist wichtig, um so #Dringliches vom Wichtigen zu unterscheiden. Wer unter dem permanenten Druck der #Dringlichkeit steht, verliert nämlich sein Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen. Im Bewusstsein der Unterscheidung zwischen Dringendem und Wichtigem bewahrt man die Fähigkeit, auf sich zu hören, so Charles Pépin. 

Der einzige Philosoph, der die Frage des Selbstvertrauens ernst genommen hat, sei der Philosoph Ralph_Waldo_ Emerson gewesen. Er sagte "Wer Selbstvertrauen hat, vermag selbst inmitten einer Menge auf sich zu hören, als herrschte Ruhe um ihn, als wäre er mit sich ganz allein." Bei allem sei Selbstvertrauen ein Ideal der Moderne, getragen von der Herausbildung demokratischer Prinzipien und der Arbeit der Philosophen der Aufklärung. 

Über das #Staunen und das #Schöne, das Vertrauen schenke, erfährt man  auch viel Wissenswertes und kann sich bewusst machen, dass die#Akzeptanz der Ungewissheit die erste Etappe der inneren Wandlung verkörpert. Dabei muss man wissen, dass je entfernter eine Entscheidung von der einfachen rationalen Wahl ist, sie umso mehr Selbstvertrauen von uns verlange. Jedes Mal, wenn wir uns bewusst entscheiden, lernen wir uns ein wenig mehr zu vertrauen. 

Sich entscheiden zu lernen, ist also die Basis für Selbstvertrauen und für das Vertrauen in das Leben überhaupt.

Der Autor macht dem Leser bewusst, dass tatkräftiges Tun für das Selbstvertrauen sehr nützlich ist, weil unsere Intelligenz keine abstrakte, sondern eine herstellerische sei. Es geht also darum, zu handeln, um Vertrauen zu fassen. Welche Funktion Vorbilder für unser Selbstvertrauen haben, reflektiert der Pépin anhand von Beispielen auch und informiert gut nachvollziehbar über probate Mittel gegen Vertrauenskrisen. 

Wer andere nicht überflügeln, sondern sich stattdessen näherkommen möchte, ist auf dem richtigen Weg. Vertrauen ins Leben zu haben, bedeute auf die Zukunft zu setzen, an die schöpferische Kraft des Handelns zu glauben, das Ungewisse zu lieben, anstatt es zu fürchten, aber auch zu glauben, dass es im Leben etwas Gutes, mehr noch, etwas Gütiges gäbe. 

Wer das Leben weiterhin liebe, auch wenn er die Boshaftigkeit der Menschen oder die Ungerechtigkeit eines Systems habe erfahren müssen oder aufgrund eines Schicksalsschlags einen Neubeginn gewagt habe, entwickele Selbstbewusstsein, ein kreatives Potential, das ihm immer mehr innere Stärke schenke. 

"Wer sich selbst vertraut, findet den Mut, sich dem Ungewissen zu stellen, anstelle vor ihm zu fliehen. Der findet im Zweifel, in Tuchfühlung mit ihm, die Kraft sich aufzuschwingen.", so Charles Pépin am Ende seines Philosophiebuches. 

Das klingt doch sehr verlockend. Es lädt dazu ein, Entscheidungen zu treffen, auch wenn letzte Zweifel bleiben. 

 Maximal empfehlenswert. 

Helga König

Im Fachhandel erhältlich

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Sich selbst vertrauen: Kleine Philosophie der Zuversicht