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Rezension:Wenn Macht krank macht: Narzissmus in der Arbeitswelt (Gebundene Ausgabe)

Der Autor dieses bemerkenswerten Buches ist der Managementtrainer Werner Berschneider. Er befasst sich mit dem Phänomen des Narzissmus und erläutert zunächst, wann dieser gesund ist, bevor er der Frage nachgeht, wie viel Narzissmus Führungskräfte benötigen.

Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung? Berschneider zeigt auf, was Siegmund Freud, was der Psychoanalytiker Heinz Kohut und auch was Otto F. Kernberg darunter verstehen. Die Zuordnungen der drei Herren verdeutlichen, wie vielgestaltig Narzissmus ist. Bezieht man alle Formen des Phänomens mit ein, kommt man zu dem Ergebnis, dass Narzissmus dann vorliegt, wenn eine starke Konzentration des Interesses auf das eigene Selbst und des Weiteren ein Wechsel zwischen Gefühlen von Grandiosität und Minderwertigkeit vorliegt, (vgl.S.14).

Der Narzissmus dient nicht selten dem Ziel, Scham, Neid und Angst abzuwehren. Für einen pathologischen Narzissten ist es undenkbar von anderen Menschen abhängig und auf sie angewiesen zu sein. Insofern muss er jede Abhängigkeit leugnen. Dabei hilft ihm die Vorstellung eigener Grandiosität, das Zerrbild einer vollständigen Autonomie aufrechtzuhalten. Bereits in jungen Jahren erkennen angehende Narzissten, dass es zwei Wege gibt, um Verletzungen oder Beschämungen von sich fernzuhalten. Der eine besteht darin, sich nicht zu tief in Beziehungen einzulassen, der andere darin, rasch eine Machtposition zu erreichen, (vgl.: S.15).

Nicht jeder Narzissmus ist pathologisch, so Berschneider, allerdings ist am Ende des Kontinuums der Narzissmus mit Borderline-Niveau anzusiedeln. Dieser wird von Kernberg wie folgt beschrieben: "Mangel an Impulskontrolle" (Wutausbrüche, selbstschädigendes Verhalten),"schwere Beeinträchtigung an Produktivität und Kreativität", die über die Erfüllung von lebenswichtigen Bedürfnissen hinausgeht, "chronisches Scheitern im Beruf und in Liebesbeziehungen" und "antisoziales Verhalten", (vgl.: S.16).


Der Autor fragt wie viel Narzissmus Führungskräfte benötigen und gibt darauf auch eine entsprechende Antwort, bevor er die wichtigsten Erscheinungsformen des Narzissmus erörtert. Näher erklärt wird zunächst, was man unter einem dickhäutig, unbeirrten, grandiosen Narzissten zu verstehen hat. Dieser ist u.a. in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, verlangt nach übermäßiger Bewunderung und zeigt einen Mangel an Empathie, (vgl.: S. 29).


Berschneider zeigt immer wieder Beispiele von Narzissten aus seinem Erfahrungsbereich auf und vergisst auch nicht zu erwähnen, dass der Narzisst mit seiner Gier nach Bewunderung im hohen Maße manipulierbar wird. Aufgrund der Glücksgefühle bei Bewunderung erkennt er die Manipulation nicht.

Man lernt des Weiteren den dünnhäutigen, verletzlichen, fragilen Narzissten kennen, dieser hypervigilante Vertreter ist gehemmt und höchst sensibel gegenüber den Reaktionen Dritter. Er meidet es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und fühlt sich sehr schnell gekränkt, (vgl.: S.37).

Der dickhäutige Narzisst ist überheblich und fällt durch Geringschätzung und Machtausübung auf, während der hypervigilante Typus viel indirekter schadet, der dann, wenn er sich gekränkt fühlt, ohne Vorwarnung und ohne Nennung von Gründen Beziehungen abbricht, (vgl.: S.40).


Man lernt in der Folge auch noch den sozial gut angepassten Narzissten kennen sowie die spezifisch weibliche Form des Narzissmus und erfährt dann wie pathologischer Narzissmus entsteht. Thematisiert werden unterschiedliche Bindungsmuster während der Kindheit, Vernachlässigung, Verwahrlosung, Misshandlung und Missbrauch, wie auch die maßlose Überschätzung und Verwöhnung der kleinen Prinzessinnen und Prinzen.


Sehr spannend zu lesen sind Berschneiders Ausführungen der Entwicklung eines "falschen Selbst", das dann entsteht, wenn Kinder zu sehr auf die Bedürfnisse (Leistungsdruck und Bestreben nach Perfektion) der Eltern eingehen und ihre kindliche Seele dadurch Schaden nimmt, (vgl. S.77).

Sofern ein Kind Nähe erlebt und ihm kindgerecht etwas abverlangt wird, hat es übrigens eine gute Chance, keine narzisstische Störung zu entwickeln, (vgl.: S.85).


Der Autor führt an, wer den Narzissten helfen kann und wie man den richtigen Zugang zu ihnen findet. Er schreibt, das Narzissten oft hochintelligent sind und über gute kognitive Fähigkeiten verfügen: wahrnehmen (mit den erwähnten Einschränkungen bezüglich der eigenen Person), lernen, erinnern, denken, Information verarbeiten, Erkenntnisse ableiten. Doch sie haben andererseits Angst vor Gefühlen und Emotionen. Deshalb sei es sinnvoll den Zugang eher über die Kognition zu suchen als über Gefühle, (vgl.: S. 107).

Berschneider berichtet auch über die Hilfestellung durch Logotherapie und erklärt zuvor kurz, was man unter dieser Therapierichtung zu verstehen hat. Dann zeigt er schematisch auf, wo die Problemkreise des Narzissten und worin die hilfreichen Ziele der Logotherapie liegen.


Besonders interessant fand ich die Seiten 139-151. Hier wird ausführlich erklärt, wie man dem Narzissten begegnet. Die jeweiligen Erklärungen sind wie folgt zusammengefasst:

-Gestehen Sie sich ein, wenn Sie gekränkt wurden.
-Werden Sie sich ihrer eigenen Reaktionen bewusst
-Versuchen Sie nicht, den anderen zu ändern
-Lassen Sie sich Unverschämtheiten nicht gefallen
-Wenn Sie sich abgrenzen müssen: Seien Sie mutig- Gerade wenn Sie Angst haben
-Erhalten Sie sich Ihre Unabhängigkeit (fachlich, wirtschaftlich, emotional).
-Nehmen Sie den Menschen ernst, nicht aber sein destruktives Verhalten
-Geben Sie dem Narzissten keine Macht über Ihr Leben
-Lassen Sie sich nicht auf einen Machtkampf ein
-Verzichten Sie auf Rache
-Denken Sie lösungsorientiert
-Findet Sie Ihre Einstellung zu Situation.

Wer in der Arbeitswelt mit Narzissten zu tun hat, ist gut beraten, sich schlau zu machen wie man mit diesen zu verfahren hat. Wenn Narzissten Macht haben, setzen sie diese leider selten in den Dienst einer Aufgabe ein, sondern Macht wird bei ihnen zum Selbstzweck. Sie möchten ihren egoistischen Willen durchsetzen und andere dominieren, um daraus eine narzisstische Gratifikation zu gewinnen, (vgl.: S.156). Insofern eignen sich pathologische Narzissten im Grunde nicht für Führungspositionen, doch leider drängt es sie aus den eingangs genannten Gründen genau dort hin und so werden sie eine Bedrohung für ein gutes Betriebsklima, das notwendig ist, damit die Betriebsergebnisse erfreulich sind.

Empfehlenswert.
Helga König