Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Wein und Küsse-200 Ideen aus der Antike- Irene Vallejo- Diogenes


Irene Vallejo, die Autorin dieses Buches mit dem erfreulich schönen Cover, ist in Spanien durch ihre wöchentlichen Kolumnen in "El Pais" bekannt geworden. Dort berichtet sie von ihrer Passion für die Antike. Darüber hinaus hat sie einige Bücher verfasst, u.a. ihr erstes Sachbuch mit dem Titel "Papyrus", das in 37 Sprachen übersetzt worden ist. 

Bei dem vorliegenden Werk "Wein und Küsse"- 200 Ideen aus der Antike- handelt es sich um sehr lesenswerte Kolumnen, die zum Nachdenken anregen und dokumentieren, dass man immer wieder auch Lehrreiches aus der Antike heranziehen sollte, wenn man klüger handeln möchte. 

So liest man gleich in einer der ersten Kolumnen über "Machttrunkenheit". Die Kolumne beginnt mit dem Satz "Wir wählen unsere Regierenden, damit sie die Welt verändern, doch am Ende sind sie es häufig selbst, die sich verändern." Leider nicht zum Positiven. Die Berufskrankheit heiße "Bauchpinselei durch den inneren Kreis". Die Symptome, so Vallejo, die sich hier auf einen Neurologen bezieht, sind: "zunehmende Realitätsferne, ein Übermaß an Selbstvertrauen, messianische Sprachgebrauch und die feste Überzeugung, sich auf dem Pfad der Wahrheit zu befinden und sich keinesfalls vor der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen, sondern allein vor dem Lauf der Geschichte". Dieses Verhalten heiße "Hybris-Syndrom" und gehe auf dem griechischen Begriff "Hybris" zurück. 

Man liest im Zusammenhang mit dieser "Hybris" von Ate, der Göttin der Verblendung als auch von Nemesis und deren Aufgaben und darüber wie in der griechischen Tragödie der Teufelskreis aus Macht, Verblendung, Stolz, fatalem Irrtum und Untergang vielfach dargestellt wird. Daraus Lehren zu ziehen, lohnt sich. 

Auch vom "Pyrrhussieg" sollte man lernen, über den man natürlich Näheres erfährt und darüber, was Marc Aurel in seinen "Meditationen" über das Gleichgewicht schreibt, aus dem man sich nicht bringen lassen soll. Gelassenheit ist ein Schlüssel für ein sinnstiftendes Miteinander, während ein aufbrausendes Verhalten es keinesfalls ist. Dieses dokumentiert in erster Linie Schwäche.

Interessant, dass im alten Rom Weingenuss als Vorstufe des weiblichen Ehebruchs galt. Das z. B. erfährt man in der Kolumne "Wein und Küsse". 

Wichtig auch ist die Lehre des Philosophen Aristoteles von der goldenen Mitte, die für ihn das höchste Gut war. Sich damit zu befassen, ist ebenso sinnvoll wie mit Sündenböcken und Populismus, alles Themen der Kolumnen. 

Es sind Sätze wie etwa "nachteilig ist der Verkehr mit der Menge, leicht tritt man zur Mehrheit über", die inne halten lassen. Dieser Satz stammt übrigens von Seneca

Sehr gut auch ist die Kolumne mit dem Titel "Pathologie der Macht" Hier bezieht sich die Autorin auf die Pulitzer-Preisträgerin Barbara Tuchmann. Führungsmacht mache blind und verhindere, dass die Person besonnen und vernünftig denken. Berauscht vom Beifall ihrer Speichellecker, liefen Regierende dann in Gefahr, in Starrsinn zu verfallen und jede Flexibilität zu verlieren. Caligula ist ein gutes Beispiel für ein solches Verhalten in der Antike. Heutzutage wimmelt es geradezu von Leuten dieser Couleur auf dem politischen Parkett. Auch eine Art von Lifestyle!

Das Buch kann ich jedem empfehlen, der offen ist für Weisheit aus fernen Zeiten und sich gegen Starrsinn und Schlimmeres wappnen möchte.

So liest man in der Kolumne "Beutegierig" einen bemerkenswerten Satz des Griechen Bias von Priene, der sinngemäß sagte: "Denn alles Materielle  besitzen wir gar nicht wirklich, wir nutzen es nur flüchtig als Pächterinnen und Pächter." Denken wir an alles, was wir pausenlos entsorgen, dann wissen wir dass Bias etwas zeitlos Wahres sagte.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

Onlinebestellung: Diogenes oder überall im Buchhandel erhältlich