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Rezension: Die Werte der Wenigen-Eliten und Demokratie-Herausgegeben von Konrad Paul Liessmann- Philosophicum Lech- Zsolnay

Der 23. Sammelband des #Philosophicum_Lech befasst sich mit dem Thema "Die Werte der Wenige- Eliten und Demokratie."  Dabei reicht das Spektrum an hochkarätigen Vorträgen vom Plädoyer für eine partizipative Arbeitswelt über Daten zur Verteilung von Macht und Kapital bis hin zur Werteethik unserer Wohlstandgesellschaft. Über die insgesamt 12 Verfasser der 12 Beiträge in diesem Band  erfährt man auf den letzten Seiten des Buches Wissenswertes. 

Der erste Beitrag mit dem Titel "Die Werte der Wenigen" stammt von Prof. Dr. Paul Liessmann, dem wissenschaftlichen Leiter des Philosophicum Lech. Hier erfährt man gleich eingangs, dass die Eliten, bestehend aus Spitzenpolitikern, Topmanagern, Meinungsführern und prominenten Intellektuellen derzeit einer scharfen Kritik ausgesetzt seien, die von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen werde. Weil die Elitekritik von Rechtspopulisten komme, erscheine der Angriff auf die Eliten als Angriff auf jene Werte der demokratischen und offenen Gesellschaft, die die Eliten möglicherweise nicht immer lebten, doch zumindest propagierten und repräsentierten. 

Zu diesen Werten zählten Weltoffenheit, Toleranz, die Berücksichtigung globaler Perspektiven, die Verteidigung von Prinzipien wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Darüber hinaus garantierten Eliten den technischen, wissenschaftlichen, ökonomischen, ästhetischen und moralischen Fortschritt.

Insofern müssen Eliten in die Pflicht genommen werden. Sie müssen zugänglich für Kritik und Selbstkritik sein, wenn sie ein Bollwerk gegen die populistische Versuchung, gegen die Aushöhlung der Demokratie, gegen Fake-News und Verschwörungstheorien bleiben wollen. Wichtig ist, dass sie allen offen stünden und sich um die Verringerung der sozialen Ungerechtigkeiten kümmerten. 

Der Philosoph Alexander Grau schreibt  in seinem Beitrag über die neuen Eliten und ihre Werte und wartet mit sechs Thesen zu ihrer Ideologie auf. Er verdeutlicht u.a., dass die Eliten der Spätmoderne sich nicht als Hüter des Ewigen sehen wie die alten Eliten der Antike, des Mittelalters und auch der Neuzeit, sondern vielmehr als Speerspitze des Fortschritts. Dabei wird der Habitus dieser neuen Elite nicht bestimmt durch die Tradition ihrer Heimat und Herkunft, sondern durch die Regeln, die Moden und die Denkungsart und den Lifestyle ihrer global präsentierten Klasse. Deshalb komme es zu Konflikten mit jenen, die in einer diachron und räumlich verorteten Welt leben.

Die neue Elite halte nationale Kulturen für überholt, Grenzen jeder Art für einen Ausdruck von Borniertheit, man sei polyglott und bastele sich seinen Lebensstil aus Versatzstücken des globalen, individuellen Lebensstils. Die Moderne sei die erste Epoche, die sich selbst überwinden wolle. Werte wie Flexibilität, Spontanität und Begeisterungsfähigkeit sind die Kategorien, in denen man denkt und lebt. 

Die Politikphilosophin Katja Gentinetta erläutert, weshalb eine sachliche Elitekritik nottue und lässt den Leser nicht im Ungewissen, dass gute Eliten allen und schlechte nur sich selbst dienten. Heutige, politische Eliten, die nicht mehr aufs Gemeinwohl verpflichtet sind, sondern stattdessen Effizienz, Gier und Profit vorantrieben, könnten natürlich keine ethischen Autoritäten sein, weil diese nicht dem Zustand der Bindungslosigkeit entsprächen. 

Der Soziologe Prof. Dr. Michael Hartmann verdeutlicht in seinem Beitrag, auf welche Weise Eliten die Demokratie gefährden und erläutert die wesentlichen Gründe für den Aufschwung des Rechtspopulismus. In diesem Beitrag auch wird klargestellt, dass die Abgehobenheit der Eliten die Fortsetzung der neoliberalen Politik begünstige. 

Über die Macht der Geldeliten schreibt der Philosoph  Prof. Dr.  Christian Neuhäuser Wissenswertes. Er erklärt zunächst, was man unter Reichtum zu verstehen hat und wann dieser ungerecht wird. Erwähnt wird hier auch der Gerechtigkeitstheoretiker John Rawls, der überzeugt davon war, dass Menschen nur dann in Selbstachtung leben können, wenn die Gerechtigkeitsprinzipien in einer Gesellschaft umgesetzt sind. Reichtum eines gewissen Ausmaßes stehe im Widerspruch zum Gerechtigkeitsprinzip, denn es sei mit den gleichen Grundfreiheiten nicht vereinbar. Dies sei stets dann der Fall, wenn Reichtum zu großer politischer Macht führe, dann gefährde sie die Freiheit aller. Hinterfragt wird, weshalb es keine Beschränkung von Reichtum gäbe und und seitens des Kulturwissenschaftlers Prof. Dr. wie es jenseits der Werte-Eliten weitergehe. 

Fest steht, dass die neuen Eliten eine große Verantwortung haben. Um diesen gerecht zu werden, müssen sie mehr ethische Selbstverantwortung übernehmen als dies bislang erkennbar ist. Dies ist  die  beste Chance, sich Rechtspopulisten vom Hals zu halten.

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Wer werden wir sein?- Über die Zukunft des Menschen-Herder



Dieses Buch enthält eine Sammlung von Fragen und wissenschaftlich fundierten Antworten aus ausgewählten Bereichen des endlosen Spektrums unseres Lebens. Dabei soll es nur ein kleines Abbild dessen sein, was uns bewegt und was uns Sorgen bereitet. 

Die Antworten unterschiedlicher namhafter Wissenschaftler wie etwa Manfred Spitzer, Peter Bieri und Harald Welzer zu Fragen von Andreas Lipinski dokumentieren, wie wir uns neu zu erfinden suchen und wie viel wir bereits erkannt und, trotz aller noch vor uns liegender Probleme, bereits vernünftig gelöst haben. 

Es sollte uns bewusst sein, dass die Entwicklung der menschlichen Zivilisation nicht gradlinig verläuft, sondern Misserfolge, Irrwege und regressive Phasen geradezu vorprogrammiert sind. Die wissenschaftliche Methode sei allerdings derzeit noch das einzige uns bekannte, zuverlässige Mittel, aus diesen Rückschritten zu lernen und die künftige Entwicklung in eine humane und lebensbejahende Richtung voranzutreiben. Weil es wichtig ist, dass viele Menschen, um den Schatz wissenschaftlicher Erkenntnisse wissen, um ihn zu würdigen, ist dieses Buch auf den Markt gekommen. Hier liefert die Wissenschaft Ansatzpunkte für den Leser und Erklärungen für die bislang erforschten und erkannten Prinzipien der Natur und unseres Zusammenlebens. 

Über die renommierten Gesprächspartner von Andreas Lipinski liest man auf den letzten Seiten Näheres, auch wird man informiert, welche Bücher diese Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verfasst haben. 

Untergliedert sind die Gespräche in drei Rubriken: 

Wer sind wir? Unsere Welt heute. 
Was kommt auf uns zu? Eine Welt im Umbruch. 
Wer werden wir sein? Blicke in die Zukunft. 

Zu einigen Themen, die in den Gesprächen ausgelotet werden, habe ich Bücher rezensiert. Vor nicht allzu langer Zeit zu Manfred Spitzers "Digitaler Demenz" und Barbara Bleischs "Familienbande in einer individualisierten Gesellschaft".  Mit Peter Bieri konnte ich vor einigen Jahren ein Gespräch realisieren zur Thematik "Wie wollen wir leben?"

Rezensionen zu Büchern von Harald Welzer und ein Interview sind auf "Buch, Kultur und Lifestyle" ebenfalls auffindbar. 

Der sehr belesene Andreas Lipinski stellt viele spannende Fragen. Hier hat mich vor allem das Gespräch mit dem promovierten Neurobiologen Peter Spork neugierig gemacht und zwar zum Thema "Der zweite Code-Epigenetik" und mich  zum Weiterlesen mir bislang noch nicht bekannter Bücher motiviert. 

Wer neugierig ist, wird hier viele Fragen beantwortet finden, die er sich  vielleicht selbst bereits gestellt hat und aus Mangel an wissenschaftlichem Hintergrundwissen bislang nicht beantworten konnte, so etwa "Warum neigen die meisten Menschen dazu, sich mit einfachen Erklärungen zufriedenzugeben, und verlassen sich auf althergebrachte und wissenschaftlich nicht bewiesene Tatsachen?"

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Lieben wir das Leben noch?- #Erich_Fromm- #dtv




Dieses Buch enthält eine Reihe bemerkenswert interessanter Texte des Psychoanalytikers, Philosophen und Sozialpsychologen Erich Fromm (1900-1980). Die Quellennachweise der Texte kann man den letzten Seiten entnehmen. Der Text "Lieben wir das Leben noch?" hat dem Buch den Titel gegeben. 

Für Fromm steht fest, dass ohne ein bestimmtes Minimum an Liebe zum Leben kein Mensch und keine Kultur existieren können. Dabei habe Leben stets die Tendenz, zu vereinen und zur Ganzheit zu gelangen. Das bedeute, Leben sei ein notwendiger Prozess des Wachstums und Wandels. Sobald Wachstum und Wandel enden, trete der Tod ein. 

Liebe beinhalte stets ein aktives Interesse am Wachstum und der Lebendigkeit dessen, was wir liebten. Dabei drücke sich die Liebe zu allem, was lebendig sei in den leidenschaftlichen Wunsch aus, dieses Wachstum zu fördern. Der Wunsch zu kontrollieren oder gar Gewalt anzuwenden, widersprächen der Natur der Liebe und stellten ein Hindernis für ihre Entwicklung und Realisierung dar. 

Leider besäßen nicht alle Menschen diese Liebe zum Leben, sondern stattdessen eine Affinität zu Totem, Zerstörung, Krankheit Verfall und Desintegration. Sie strebten danach, Wachstum und Lebendigkeit zu ersticken, hassten das Leben, weil sie sich seiner nicht erfreuen und keine Kontrolle darüber ausüben könnten. Erich Fromm nennt diese Menschen #nekrophil. 

Für den Psychoanalytiker gibt es ohne Lust und Stille keine #Liebe. Sie sei eine Fähigkeit, sich am Sein zu erfreuen anstelle am Tun, am Haben und am Gebrauchen. Je mehr man das Leben liebe, umso mehr fürchte man unter der ständigen Bedrohung der Wahrheit, Schönheit und Unversehrtheit des Lebens zu leiden. Gleichwohl sei zu leiden, nicht das Schlimmste im Leben. Das Schlimmste sei die Gleichgültigkeit. 

Erich Fromm schreibt in der Folge u.a. die moralische Verantwortung des modernen Menschen und hier, dass der Mensch zu seinen Mitmenschen und der Natur in Beziehung treten sollte, wobei bei der echten Liebe Bezogenheit auf andere und Integrität erhalten bleiben müssen. 

Es führt zu weit, ihm Rahmen der Rezension auf alle Texte einzugehen. Selbstsucht und Selbstliebe aber auch Hass und Selbsthass sind u.a. spannende Themen, jedoch vor allem die Liebe als leidenschaftliche Bejahung des Lebens. 

Fromm schreibt auch über zwei Phänomene, die eng miteinander verknüpft sind, die masochistische und sadistische Liebe. Beide sind Ausdruck eines starken Bedürfnisses, das von einer grundlegenden Unfähigkeit herrührt, unabhängig zu sein. 

Liebe sei ohne Freiheit und Unabhängigkeit nicht möglich. Grundsätzlich sei Liebe das Gegenteil von Hass, denn dieser sei der leidenschaftliche Wunsch zu zerstören. 

Der Wille zum Leben basiert auf der Liebe zum Leben. Darüber und über vieles mehr, doch auch über die Bedeutung eines aktiven Lebens erfährt man bei Fromm viel Wissenswertes.

Wer passiv sei, der leide. Aktivität bedeute, dass in uns etwas geboren werde, das aus uns selbst komme, das uns nicht aufgezwungen sei, das aus der schöpferischen Kraft stamme, die uns allen inne wohne. 

Packen wir unser Leben also an, lieben es,  nicht nur gerade jetzt in Zeiten des Corona-Virus. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Alter ist eine Illusion- Michael Lehofer- GU



Prof. Dr. med phil #Michael_Lehofer ist #Psychiater, #Psychologe, #Psychotherapeut, #Führungskräftecoach und #Philosoph. Im vorliegenden Buch befasst er sich mit der Frage, wie real Alter eigentlich ist. 

Dass der Körper eines Menschen mit den Jahrzehnten sich verändert, dürfte jedem klar sein. Dass 80 Prozent aller Falten und Pigmentstörungen, Folge von zu vielen #UVA- und #UVB_Strahlen sind, zeigt, dass es hierbei nicht zwingend um eine Altersfrage geht.

In unserem Kulturkreis geht es Menschen darum, möglichst jung zu wirken. Dazu sollte man wissen, dass das Wesen des Jungseins #Neugierde, der #Aufbruch, der #Lebenshunger und dergleichen ist und nicht das, was viele meinen: So bleiben zu wollen, wie man ist. Denn Stereotypen sind, wie Lehofer zu Recht konstatiert, Zeichen des Alters.

Insofern gibt es Leute, die sich gerade dadurch, dass sie zwingend jung sein möchten, als Alte outen. Zwingend jung bleiben zu wollen, fordere uns eine Leistung ab. Die damit verbundene Verbissenheit sei eine Verkrampfung, die befremdliche Gier zum Ursprung habe. #Verbissenheit mache alt. 

Am jüngsten sind wir offenbar, wenn wir authentisch sind. Reife Menschen sind dies immer. Nicht alle, die alt an Lebensjahren, sind auch reif, betont Lehofer und führt weiter aus, dass der reife Mensch jene #Herzoffenheit habe, die sich auf die Begegnung mit dem Leben und allem, was es zu bieten hat, einlasse. Der reife Mensch lasse einen in der Begegnung aufatmen.

Der Mensch, der unaufhaltsam altere, zeichne sich dadurch aus, dass er festhalte und alles unbedingt kontrollieren möchte. Er lebe rückwärtsgewandt und wolle auf diese Weise jung bleiben. Doch so funktioniert es nicht. #Jungsein, so Lehofer, muss man leben. Dies bedeute allerdings nicht, das Verlorene mit ungeheurem Energieaufwand zu kompensieren, sondern vielmehr das Gegenwärtige in sich aufzunehmen und Teil von sich selbst werden zu lassen. 

Begegnung mache jung, vor allem feinfühlige, heilsame Begegnungen. 

Der Zeitpunkt des Beginns des Alters sei zugleich der Zeitpunkt des Endes des vermeintlichen Unwissens. Sobald ein Mensch also meint, sich in der Welt auszukennen, akzeptiert er deren Wandel nicht mehr, der ein Garant dafür ist, dem Alter zu widerstehen. 

Michael Lehofer wirbt für Nähe, weil wir durch sie heilen, reifen und ganz werden. Mauern, die man aufgrund von Kränkungen aufbaut, hindern uns an Begegnungsfähigkeit. Doch diese benötigen wir, um unsere Lebendigkeit zu erhalten. 

Immer wieder betont der Autor die Wichtigkeit von Bindungen. Sie auch sind das Zaubermittel gegen #Stress. Bindungen seien das Lebenselexier für uns Menschen. Von ihr hänge die Plastizität des Gehirns im Alter ab. Bindungen halten also jung, während #Einsamkeit uns vorzeitig altern lasse. Einsamkeit sei ein typisches Altersphänomen. 

Lehofer schreibt u.a.  über Verantwortung als Form von Lebendigkeit, auch von Wandlung und Leidenschaft und vielem anderen, das man bis zum Ende seiner Tage leben sollte und auch kann, wenn man jung bleiben möchte. 

Doch man erfährt auch Gegenteiliges, z. B. dass,  wer am Beleidigtsein am eigenen Leiden festhalte, letztlich rascher altere. Altern bedeutet mithin Stillstand. Beleidigungen beruhten auf ärgerlichen Erinnerungen. Dabei hätten dauerbeleidigte Menschen viele Brüche im Leben zu verzeichnen und würden durch ihren Ärger  rascher altern. 

Schlimm auch sei Verbitterung in punkto Altern. Dabei handelt es sich um enttäuschte Erwartungen. Es sei wichtig, die Realität des Lebens anzuerkennen und sich so Verbitterung- sie sei als  kristallisierte Frustration zu begreifen-  zu entziehen.

Das Wesentliche an der #Frustration sei die Erwartung, von der wir uns nicht lösen können. Frustrierend auch ist der ewigen #Vergleich, den man besser unterlässt, so auch #Selbstmitleid. Es gelte für sein Leben einzustehen, das mache jung. 

Interessant auch, der Gedanke, dass Zuhören Jugendlichkeit vermittele und die Tatsache, dass man noch nicht fertig sei. Wer interessiert bleibe an dieser Welt, für den ist Alter eine Illusion. 

Lehofer lotet Begriffe wie #Hoffnung aus und warnt vor ihr. Besser sie mit Zuversicht zu ersetzen, denn sie kann ein Konzept von vorgestern sein, das heute nicht mehr passend sein. Der Autor befasst sich mit der Frage, ob wir ohne Zukunft glücklich sein können und wie es sich mit einem Leben entgegen der Erfahrung verhält.  Auch #Gelassenheit bleibt nicht ausgespart, denn sie sei Ausdruck der positiven Bewältigung von Ängsten. 

Es sei wichtig, bis ans Ende aller Tage Visionen zu haben, auch mit der Zeit zu leben, dem Moment unvoreingenommen zu begegnen, dem Überraschenden Raum zu geben, zu staunen, zu leben und sich nicht selbst zu boykottieren. 

Michael Lehofer bringt es auf den Punkt: "Man spürt es sofort, ob ein alter Mensch alt ist oder ob das Alter bei ihm eine entlarvte Illusion darstellt, Es fehlt die Schwere, die Bitterkeit, das Verstrickte. Die Schwere fehlt, weil derjenige niemanden, nicht einmal sich selbst etwas nachträgt. Die Bitterkeit fehlt, weil Verlusterlebnisse verarbeitet sind und die Einsicht entstanden ist, dass man nichts verlieren kann. Und schließlich fehlt die Verstrickung, weil man verstanden hat, dass diese nur eine Konsequenz der Beharrlichkeit auf etwas ist und einem nichts bedeutet."

Wer sich früh übt, lebendig zu bleiben, macht es genau richtig. Ein gutes Buch. 

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Die Kunst des Miteinander-Redens- Über den Dialog in Gesellschaft und Politik- Bernhard Pörksen/Friedemann Schulz von Thun



Zu den Autoren:

#Bernhard_Pörksen ist Professor für Medienwissenschaften an der Universität Tübingen. Er hat sich einen Namen gemacht durch seine Arbeiten zur Skandalforschung aber auch durch seine Bücher mit dem Kybernetiker Heinz von Foerster und mit dem Psychologen Friedemann von Thun. 

#Friedemann_Schulz_von_Thun war bis 2009 als Professor für Psychologie an der Universität in Hamburg tätig. Seine Trilogie "Miteinander-Reden" gilt als Standardwerk und entfaltet die Kommunikationsmodelle, so etwa das Kommunikationsquadrat, das Innere Team wie auch das Wertequadrat. Er leitet das Schulz von Thun-Institut für Kommunikation und ist als Berater und Trainer tätig. 

Bernhard Pörksen schreibt im Vorwort über den kommunikativen Klimawandel und fragt gleich eingangs, wo die Ursachen für die große Gereiztheit, für die Sofort-Eskalation öffentlicher Debatten, für den Hass und die Wut liegen, die das Kommunikationsklima der Gegenwart zu ruinieren drohen. Selbst ein pöbelnder Populist könne das Klima nicht im Alleingang ändern, sondern profitiere von einer radikal veränderten Medienwelt. 

So seien von 1970 bis 2016 in den USA 500 Zeitungen eingestellt worden, andere hätten ihre Berichterstattung zurückgefahren, Redaktionen hätten fusioniert, Mitarbeiter seien entlassen worden oder man habe sich von der gedruckten Ausgabe ganz verabschiedet. 

Das Kernproblem bestehe darin, dass sich publizistische Qualität immer schwieriger finanzieren lasse. Auf diese Weise hätten sich die Macht- und Einflussverhältnisse zu Lasten eines qualifizierten, rechercheintensiven Journalismus verändert. Seither geht es um Quote und Klicks, seither sei das Miteinander-Reden zum Aufeinander-Einbrüllen verkommen. 

Misstrauen gegenüber den Medien, von denen man annehme, Ursache und Treiber des kommunikativen Klimawandels zu sein, hätten zu einer medienverdrossenen Gegenöffentlichkeit geführt. 

Man erfährt, wie gegenwärtig die Grammatik der Kommunikation umgeschrieben wird, wie durch Twitter, Facebook, YouTube, Instagram etc. sich die Symbole ändern, mit denen wir uns austauschen, aber auch die Inhalte, über die wir sprechen; und das Wesen von Gemeinschaften, d.h. die Arena, in der sich Gedanken und Debatten überhaupt entfalten könnten. 

An die Stelle der Mediendemokratie alten Typs, die sich um klar identifizierbare, publizistische Machtzentren gruppierte, sei allmählich die Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters getreten. In leicht zugänglichen Ad-hoc-Gemeinschaften mit stark individualistischer Note, die sich um ein #Hashtag gruppierten und digital vernetzt kommunizierten, werde entschieden, was als relevant zu gelten hat. Relevant sei, was interessiert. Auf diese Weise würden der Hype und das Spektakel immer dominanter. 

Dazu kommt, dass das Netzmedium der allgemeinen Bestätigungssehnsucht der Menschen sehr weit entgegen komme und die Stabilisierung marginalisierter Positionen erlaube. So entstünden Mehrheitsillusionen und schwinde die regulative Macht sozialer Tabus.  So würden sich die Grenzen des Sagbaren verschieben. Trotz sogenannter #Filterblasen sei #Filterclash nicht zu vermeiden, d. h. das Aufeinanderprallen von Parallelöffentlichkeiten und Selbstbestätigungsmilieus.

Es sei die unerträgliche Gleichzeitigkeit des Seins, die heute auf einem einzigen Kommunikationskanal erlebbar sei, der Schock des Unvereinbaren, der den Dissonanzkoller produziere, ein Bewusstsein für Ungleichheit und Ungerechtigkeit erzeuge und durch die Sofort-Konfrontation mit radikaler Unterschiedlichkeit große Gereiztheit forciere. 

Es entstünde Sehnsucht nach Stille, die Sehnsuchtsmagazine und entsprechende Bücher für sich nutzbar machten und die auch in der Entspannungssehnsucht durch Wellness und Spiritualität zum Ausdruck komme. 

#Achtsamkeit sei ein großes Thema geworden, die als Bemühen um eine zivilisierte Achtsamkeit zur Dauermoralisierung der Kommunikationsverhältnisse geführt und eine beklemmende, humorfreie Hypersensibilität befördert habe, bei gleichzeitiger verbaler Aggression. 

Das Buch ist in folgende Abschnitte untergliedert: 
Dynamik und Polarisierung 
Möglichkeit und Grenzen des Dialogs 
Transparenz und Skandal 
Desinformation und Manipulation 

Es befasst sich in Dialogform zunächst mit dem Versuch, die Dynamik und Mechanik polarisierender Kommunikation zu beschreiben. Es folgt dann im zweiten Kapitel, eine teilweise kontroverse Auseinandersetzung mit der Frage, ob man in einer konkreten Situation und im von strategischen Überlegungen verminten Feld des öffentlichen- mit jedem reden können und mit jedem reden solle. Im dritten Kapitel dann werden die Folgen einer neuen Sichtbarkeit debattiert und zwar unter den aktuellen Medienbedingungen. Es geht darum, auszuloten, wie sich im Spannungsfeld von Wirkungskalkül und Offenheit das richtige Maß von Authentizität und professioneller Effektivität finden lässt. Im vierten Kapitel schließlich wird mittels paradigmatischer Beispiele beschrieben wie Deutungen und Meinungen in einer hochgradigen vernetzen Welt entstehen. 

Den beiden Autoren gelingt es, Auswege aus der Polarisierungsfalle aufzuzeigen und eine Ethik des Miteinanders zu entwerfen, die Empathie und Wertschätzung mit der Bereitschaft zum Streit und zur klärenden Konfrontation sinnstiftend verbindet. Damit wird das Werk zu einem klugen Ratgeber für alle, die Demokratie am Leben erhalten möchte und zwar mittels Kontroverse und Kompromiss. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Seelische Trümmer- Bettina Alberti- Kösel

Die Autorin dieses hervorragenden Buches ist die in Lübeck praktizierende Diplom-Psychologin #Bettina_Alberti. Ihr besonderes Interesse gilt der Bedeutung von Kontakt und Bindung für die psychische Entwicklung des Menschen unter Berücksichtigung traumatischer Erfahrungen. 

Bereits in der Einleitung erläutert die Psychologin, weshalb sie ein Buch über die in den 1950er und 1960er Jahre Geborenen aus Sicht der Psychotherapie geschrieben hat. Für die Menschen, die in dieser Zeit hierzulande zur Welt kamen, gehe es um Trauer um die eigene Familiengeschichte, eine Trauer, die die vorherigen Generationen sich aufgrund ihrer psychischen Lebensbedingungen oft haben nicht erlauben können. 

Alberti wartet in ihrem Werk mit vielen Geschichten auf, die auf Gesprächen mit Betroffenen basieren. Hier werden die Gründe für die Trauer dann hinreichend belegt. 

Aufgabe der 1950er und 1960er Jahre Geborenen sei es, einen seelischen Raum ohne Bewertung zu öffnen, damit das über Generationen wirkende innere Leid tatsächlich anerkannt und der bewussten Verarbeitung zugänglich gemacht werden könne. 

Das Buch ist in 7 Kapitel untergliedert. Im Vorfeld wird bereits thematisiert, dass die Folgen elterlicher Kriegsbelastung sich für die erwachsenen Kinder nicht selten hinter einem gut funktionierenden Pseudoselbst verbergen. Die Kriegstraumatisierung und die Prägung durch die NS-Paradigmen hätten viele Eltern, die in der NS-Zeit Kinder waren, dazu gebracht, der Seele ihrer Kinder nicht begegnen zu können. Dies habe #Selbstverleugnung, #Lebensangst und #Einsamkeit zur Folge. 

Der #Bindungssehnsucht Raum zu geben und das eigene Selbst zu besetzen, ohne in Narzissmus abzutriften, sei für die Generation der in den 1950er und 1960er Jahren Geborenen vor den Hintergrund ihrer Kriegsbelastenden Familienbiografie eine kollektive Aufgabe. Neben dem 2. Weltkrieg wirkten  zudem die Teilung Deutschlands und der Kalte Krieg auf diese Generation. Die Aufgabe ist nach Ansicht Albertis  also Heilung, um sich von Vergangenem zu befreien. 

Was wissen wir über unsere Eltern? Wissen wir, was sie während der Kriegsjahre tatsächlich erlebten? Solche Fragen, aber auch "Haben die Kriegserfahrungen meiner Eltern Auswirkungen auf mich gehabt, auf unsere Beziehung, auf meine seelische Entwicklung?" stimmen nachdenklich. Spannend zu lesen ist, was in den Geschichten der einzelnen Betroffenen zum Vorschein kommt. Vieles kam mir sehr bekannt vor, aufgrund meiner eigenen Vita und den Erfahrungen mit meiner schwerst-traumatisierten Mutter. 

Man erfährt in der Folge dann mehr über psychische Traumata und deren Auswirkungen auf die Seele. Diese Traumatisierungen führen zu Verletzungen und langfristigen Veränderungen im seelischen Erleben. Betroffene Menschen komme die innere Ruhe und der Frieden abhanden. Die Frustrationstoleranz für Stress sinke. Die Fähigkeit Leid zu ertragen und zu verarbeiten, scheine ausgeschöpft. Folge sei eine latent gereizte, aggressive oder aber auch eine latent traurige, depressive Stimmung. Die Betroffenen scheinen unerreichbar und unverbunden mit anderen. Schwierig war und ist es für die Folgegeneration mit Vätern oder Müttern der Kriegskindergeneration entspannt umzugehen. Im Alter neigten die Kriegskinder zu körperlichen Beschwerden ohne organische Ursachen. Die Folgegeneration, sprich die in den 1950er- und 1960er Jahren Geborenen zeigten dagegen psychische Symptome wie Ängste, Selbstwertprobleme und Depressionen als Ausdruck der Überbelastung und des Mangels. 

Traumatische Erfahrungen wirkten über die Bindungsbeziehungen innerhalb der Familie in die nächste Generation. Auch das wird durch die Geschichten von Betroffenen deutlich. Belastende Bindungserfahrungen, verursachten seelische Störungen und beeinträchtigten die Entwicklung. Unsere Liebes- und Abgrenzungsfähigkeit, auch unsere Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten hängen damit zusammen. 

Die Autorin listet auf, welchen Traumatisierungen die Kriegskinder während des zweiten Weltkrieges ausgesetzt waren und auf welche Weise sie auf der Bindungsebene erschüttert wurden. Alberti erwähnt mehrfach den nationalsozialistischen Erziehungsratgeber von Johanna Haarer mit dem Titel "Die deutsche Mutter und ihr Kind", der bis Kriegsende eine Gesamtauflage von 690 000 Exemplare erreichte und auch nach 1945 immer noch als Ratgeber in Sachen Erziehung galt. Gedruckt wurde das Monsterwerk bis 1986. Haarer empfahl größtmögliche Distanz zwischen Mutter und Kind und hat mit ihrem Buch viel Leid gestiftet. 

Die Autorin nennt die Gründe für die emotionale Kluft zwischen den in den 1950 und 1960er Jahren Geborenen und deren Eltern. Dazu gehörten beispielsweise eine kollektive emotionale Unerreichbarkeit der Elterngeneration als Folge ihrer Kriegserfahrung, auch die verinnerlichten nationalistischen Erziehungsprinzipien, die eine physische und emotionale Distanz zwischen Eltern und Kindern installierten. Das Problem dieser Eltern: Wenn andere Menschen starke Emotionen zeigen, wie Kummer, Angst oder Freude, kann das zur psychischen Abwehr führen, weil sie dies als bedrohlich empfinden. 

Kinder der 1950er und 1960er Jahre gehen aufgrund ihrer Erfahrungen mit traumatisierten Vorfahren  mit sich sehr häufig unemphatisch um, legen Wert darauf, ständig zu funktionieren und neigen dazu sich abzuwerten, so die Autorin. Die Gründe hierfür werden erläutert und es wird auch  die innere Einsamkeit angesprochen, die nicht wenige Betroffene spüren. 

Dies und all das, was mit dem Kalten Krieg und der Teilung Deutschlands zusammenhängt. erfordert Frieden mit der familiären Vergangenheit und mit sich selbst zu schließen.Wie man die Verstrickungen löst, erläutert Bettina Alberti sehr gut nachvollziehbar. Deshalb auch empfehle ich das Buch allen, speziell den Betroffenen.

Maximal empfehlenswert.

 Helga König

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Rezension: Wut und Hass- Über die Bedeutung von Aggression bei Persönlichkeitsstörungen und sexuellen Perversionen- Otto F. Kernberg-Fachbuch Klett-Cotta



Otto F. Kernberg ist einer der international führenden psychoanalytischen Forscher. In seinem vorliegenden Werk stellt er die jüngsten Untersuchungen zu Ätiologie, Natur und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen vor. Dabei überprüft er zu Beginn des Buches die psychoanalytische Theorie der Motivation und befasst sich in diesem Zusammenhang speziell mit Aggression. Hier versucht er das Verhältnis zwischen Aggression und Wut und zwischen Wut und Hass zu klären.

In den zentralen Abschnitten des Werks aktualisiert er dann seine ichpsychologische Objektbeziehungstheorie und befasst sich primär mit den spezifischen Verzerrungen, welche strukturierte Aggression in der Übertragung und Gegenübertragung, hervorruft, sofern sie als chronischer Hass und sekundäres Abwehrmanöver gegen Hass auftritt. 

Im Schlussabschnitt thematisiert er den spezifischen Einfluss, den psychische Struktur und Aggression auf die Ausgestaltung psychopathologischer Erscheinungsformen ausüben. Darüber hinaus befasst sich der Autor mit Perversionen. Er benennt die Psychodynamik von Perversionen und Persönlichkeitsstörungen und verdeutlicht ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede. 

Den überaus komplexen Inhalt hier ausführlich darzulegen, sprengt vom Umfang her den Rahmen dieser Rezension.

Das Werk ist in sechs Teile untergliedert: 

Teil I: Die Rolle der Affekte in der psychoanalytischen Theorie 
Teil II: Entwicklungsaspekte verschiedenartigster Persönlichkeitsstörungen 
Teil III: Klinische Anwendung von Objektbeziehungen 
Teil IV: Technisches Vorgehen bei massiven Regressionen 
Teil V: Die Psychodynamik der Perversion. 

Dieses Fachbuch ist interessant für alle, die sich mit psychoanalytischer Behandlungslehre befassen 
möchten. Kein leichter Stoff. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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