Der 23. Sammelband des #Philosophicum_Lech befasst sich mit dem Thema "Die Werte der Wenige- Eliten und Demokratie." Dabei reicht das Spektrum an hochkarätigen Vorträgen vom Plädoyer für eine partizipative Arbeitswelt über Daten zur Verteilung von Macht und Kapital bis hin zur Werteethik unserer Wohlstandgesellschaft.
Über die insgesamt 12 Verfasser der 12 Beiträge in diesem Band erfährt man auf den letzten Seiten des Buches Wissenswertes.
Der erste Beitrag mit dem Titel "Die Werte der Wenigen" stammt von Prof. Dr. Paul Liessmann, dem wissenschaftlichen Leiter des Philosophicum Lech. Hier erfährt man gleich eingangs, dass die Eliten, bestehend aus Spitzenpolitikern, Topmanagern, Meinungsführern und prominenten Intellektuellen derzeit einer scharfen Kritik ausgesetzt seien, die von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen werde. Weil die Elitekritik von Rechtspopulisten komme, erscheine der Angriff auf die Eliten als Angriff auf jene Werte der demokratischen und offenen Gesellschaft, die die Eliten möglicherweise nicht immer lebten, doch zumindest propagierten und repräsentierten.
Zu diesen Werten zählten Weltoffenheit, Toleranz, die Berücksichtigung globaler Perspektiven, die Verteidigung von Prinzipien wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Darüber hinaus garantierten Eliten den technischen, wissenschaftlichen, ökonomischen, ästhetischen und moralischen Fortschritt.
Insofern müssen Eliten in die Pflicht genommen werden. Sie müssen zugänglich für Kritik und Selbstkritik sein, wenn sie ein Bollwerk gegen die populistische Versuchung, gegen die Aushöhlung der Demokratie, gegen Fake-News und Verschwörungstheorien bleiben wollen. Wichtig ist, dass sie allen offen stünden und sich um die Verringerung der sozialen Ungerechtigkeiten kümmerten.
Der Philosoph Alexander Grau schreibt in seinem Beitrag über die neuen Eliten und ihre Werte und wartet mit sechs Thesen zu ihrer Ideologie auf. Er verdeutlicht u.a., dass die Eliten der Spätmoderne sich nicht als Hüter des Ewigen sehen wie die alten Eliten der Antike, des Mittelalters und auch der Neuzeit, sondern vielmehr als Speerspitze des Fortschritts. Dabei wird der Habitus dieser neuen Elite nicht bestimmt durch die Tradition ihrer Heimat und Herkunft, sondern durch die Regeln, die Moden und die Denkungsart und den Lifestyle ihrer global präsentierten Klasse. Deshalb komme es zu Konflikten mit jenen, die in einer diachron und räumlich verorteten Welt leben.
Die neue Elite halte nationale Kulturen für überholt, Grenzen jeder Art für einen Ausdruck von Borniertheit, man sei polyglott und bastele sich seinen Lebensstil aus Versatzstücken des globalen, individuellen Lebensstils. Die Moderne sei die erste Epoche, die sich selbst überwinden wolle. Werte wie Flexibilität, Spontanität und Begeisterungsfähigkeit sind die Kategorien, in denen man denkt und lebt.
Die Politikphilosophin Katja Gentinetta erläutert, weshalb eine sachliche Elitekritik nottue und lässt den Leser nicht im Ungewissen, dass gute Eliten allen und schlechte nur sich selbst dienten. Heutige, politische Eliten, die nicht mehr aufs Gemeinwohl verpflichtet sind, sondern stattdessen Effizienz, Gier und Profit vorantrieben, könnten natürlich keine ethischen Autoritäten sein, weil diese nicht dem Zustand der Bindungslosigkeit entsprächen.
Der Soziologe Prof. Dr. Michael Hartmann verdeutlicht in seinem Beitrag, auf welche Weise Eliten die Demokratie gefährden und erläutert die wesentlichen Gründe für den Aufschwung des Rechtspopulismus. In diesem Beitrag auch wird klargestellt, dass die Abgehobenheit der Eliten die Fortsetzung der neoliberalen Politik begünstige.
Über die Macht der Geldeliten schreibt der Philosoph Prof. Dr. Christian Neuhäuser Wissenswertes. Er erklärt zunächst, was man unter Reichtum zu verstehen hat und wann dieser ungerecht wird. Erwähnt wird hier auch der Gerechtigkeitstheoretiker John Rawls, der überzeugt davon war, dass Menschen nur dann in Selbstachtung leben können, wenn die Gerechtigkeitsprinzipien in einer Gesellschaft umgesetzt sind. Reichtum eines gewissen Ausmaßes stehe im Widerspruch zum Gerechtigkeitsprinzip, denn es sei mit den gleichen Grundfreiheiten nicht vereinbar. Dies sei stets dann der Fall, wenn Reichtum zu großer politischer Macht führe, dann gefährde sie die Freiheit aller. Hinterfragt wird, weshalb es keine Beschränkung von Reichtum gäbe und und seitens des Kulturwissenschaftlers Prof. Dr. wie es jenseits der Werte-Eliten weitergehe.
Fest steht, dass die neuen Eliten eine große Verantwortung haben. Um diesen gerecht zu werden, müssen sie mehr ethische Selbstverantwortung übernehmen als dies bislang erkennbar ist. Dies ist die beste Chance, sich Rechtspopulisten vom Hals zu halten.
Sehr empfehlenswert
Helga König