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Rezension:Wege zur Weisheit: Der Traum vom richtigen Leben (Gebundene Ausgabe)

Hanne Tügel beginnt ihr Buch mit einem Zitat der Königin von Saba, die dort auszuloten versucht, womit man Weisheit vergleichen könne und was sie sei.

Nach einem neugierig machenden Prolog mit dem Titel "Und die mich suchen, finden mich", gliedert die Autorin ihr Anliegen "Wege zur Weisheit" in drei Abschnitte:
Das Ideal
Die Annäherungen
Der Weg

Seit etwa 5000 Jahren geistere, so Tügel, der Begriff Weisheit durch die Weltgeschichte, ohne dass die Gelehrten sich darauf einigen können, wie man ihn einzugrenzen vermöge.

Das Ideal der Weisheit fächere sich in ein Mosaik begehrenswerter Eigenschaften auf. Zu diesen zählen Gelassenheit, Humor, Großzügigkeit, liebevolle Nachsicht für die Unwägbarkeiten des Lebens.

Tügel stellt eine ganze Reihe weiser Menschen aus unterschiedlichen Jahrhunderten und unterschiedlichen Kulturkreisen vor und fragt, was man von ihnen lernen kann.

Was macht einen weisen Menschen aus und weshalb ist das Weisheitsideal seit 4500 Jahren kulturübergreifend lebendig?

Um solche Fragen also geht es in diesem Buch, während die Autorin sich durch die Zeitläufte bewegt.

In der Antike ersannen Weisheitsfreunde ihre Theorien nicht um deren Selbstzweck, sondern um ethisches Handeln zu begründen. Im Buch begegnen uns viele Weisheitslehrer, natürlich auch Salomo und das nach ihm benannte Urteil.

Das moderne westliche Weisheitskonzept orientiert sich nach wie vor an Philosophen wie Sokrates, Platon und Aristoteles. Diese haben die kognitiven Aspekte hervorgehoben, während die östliche Weisheit den Schwerpunkt auf eher emotionale Faktoren legt, (vgl. S.74/75).

Die Delphistudie besagt, dass laut Befragung in den Augen vieler Menschen Weisheit eine persönliche Eigenschaft sei, die man als Form fortgeschrittener geistiger und emotionaler Entwicklung begreifen müsse, die von Erfahrung getragen werde. Sie sei ausschließlich menschlich und könne erlernt werden. Das klingt etwas wage, wird aber durch Salomo (siehe unten) m.E. gut begreifbar.
Gefallen hat mir der Hinweis auf dessen Betrachtungen im Hinblick auf "Timing". Meines Erachtens sind dies die weisesten Aussagen, die ein Mensch je gemacht hat und wenn man ihnen gemäß gelassen und achtsam lebt, ist man vielleicht schon ein wenig weise.

"Ein Jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel seine Stunde:

Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist,
hat seine Zeit,
töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat
seine Zeit;
herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit."

Klar muss uns sein, dass uns mitunter nur das Warten hilft und wir nichts übers Knie brechen dürfen. Schade, dass man unendlich alt werden muss, um Geduld zu besitzen.

Tügel nennt in ihrem Kapitel "Annäherungen" die Hilfsmittel, mit denen man sich auf Weisheitssuche begeben kann. Dazu zählen Erkenntnislust, Versenkung, Poesie, Eros und Kunst und anderes mehr. Auch liest man Wissenswertes über die Wege, so etwa Achtsamkeit, Humor, Gelassenheit, Geduld und Erfahrung und beginnt zu begreifen, dass Weisheit seinen Preis hat.Sie setzt voraus, dass man bewusst lebt, dass man sich selbst sehr gut kennt, dass man sehr diszipliniert handelt und wirklich begreift und akzeptiert, dass nichts, absolut nichts von Dauer ist. Wer sich mit dieser Tatsache nicht abfinden kann, wird niemals weise werden.

Empfehlenswert.

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Rezension:Die heilende Kraft des Schreibens (Broschiert)

Prof Dr. Lutz von Werder und Dr. Barbara Schulte-Steinicke haben dieses Buch verfasst, das sich facettenreich mit der heilenden Kraft des Schreibens auseinandersetzt.

Der Leser wird zunächst unterrichtet, was man unter einer Schreibtherapie zu verstehen hat. Hier lernt man dann auch Beispiele berühmter Dichterinnen und Denker der abendländischen Geschichte kennen, die den selbstanalytischen Weg des Schreibens wählten. So erfährt man, dass der Philosophenkaiser Marc Aurel es war, der für die Methode der Selbsterforschung das Selbstgespräch wählte und damit die Tradition der Selbsterforschung als Selbstkritik einleitete.

Ausführlich wird man anschließend über die tiefenpsychologischen Grundlangen des therapeutischen Schreibens unterrichtet. Zur Sprache gebracht werden Siegmund Freud, C.G. Jung, Alfred Adler und Karen Horney. Sie übrigens unterscheidet zwei Typen der Selbstanalyse: die gelegentliche Selbstanalyse bei Situtationsneurosen und die systematische Selbstanalyse, (vgl.: S.31).

Im zweiten Teil des Buches erhält man eine sehr hilfreiche Anleitung zum heilenden Schreiben, das sich aus Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten ergibt. Hier lernt man anhand von Übungen die Schreibmethoden der gelenkten Assoziation, der freien Assoziation, des Freewriting, des seriellen Schreibens, der Literarisierung und des Clustering kennen und sie für die eigenen Zwecke einzusetzen.
Anhand vieler Übungen begreift man, wie heilsam es sein kann, seine Erfahrungen schreibend zu wiederholen und sich auf diese Weise an Körper und Seele gesünder zu schreiben. Schreiben heißt in diesem Falle loszulassen, sich von seelischen Lasten zu befreien, indem man sie nochmals neu durchlebt, aber diesmal bewusst.

Empfehlenswert.

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Rezension: Warum gibt est alles und nicht nichts?

Den Philosophen Richard David Precht habe ich auf der Frankfurter Buchmesse 2011 mehrfach mit seinem Einverständnis fotografiert, nachdem sich unsere Wege nachmittags am Messestand von Randomhouse und abends auf einer Messeparty abermals kreuzten. Das hübscheste Foto habe ich auf meiner Website in die Rubrik "Events" eingebunden.

Precht ist ein sehr schöner Mann mit leuchtenden Augen. Er könnte ebenso gut als Fotomodell für eine der großen Modeagenturen tätig sein und würde dort mit Sicherheit viele lukrative Aufträge erhalten. Doch Precht ist Philosoph geworden, ein Philosph mit schönen Gedanken in einem schönen Körper. Das gibt es nicht so häufig.

Dieses Stimmige zwischen seinem Inneren und dem Äußeren fasziniert mich sehr. In seinem neuen Buch lernen wir den Philosophen als liebevollen Vater kennen, der seinem Sohn Oskar Geschichten erzählt, ihn im anschließenden Dialog zum philosophischen Nachdenken anregt und die Denkergebnisse jeweils in Form von kurzen philosophischen Einsichten zu Papier bringt.

Richard und Oskar Precht unternehmen Ausflüge an verschiedene Orte in Berlin. Über diese Orte, so etwa über das Museum für Naturkunde, das Technikmuseum , über Sanssouci, über den Mauerpark etc. liest man Wissenswertes. Dabei konstruiert Precht auf der Plattform dieser Ausflugsziele die Geschichten für seinen Sohn. Es sind sehr informative Geschichten, die ich übrigens mit großem Interesse gelesen habe.

Die Geschichten beginnen immer mit einer Frage. Eine beispielsweise lautet "Warum können Gorillas unsichtbar sein?" Im Rahmen der Geschichte berichtet Precht von einem Experiment, das seitens amerikanischer Forscher vor etwa 10 Jahren durchgeführt worden ist und bei dem die Zuschauer dazu gebracht wurden, sich bei dem Spiel zweier Basketball-Mannschaften völlig auf das Aufspringen des Balles zu konzentrieren und mitzuzählen. Die Probanten waren so sehr auf den Ball fokussiert, dass sie den Gorilla, der die ganze Zeit auf dem Spielfeld war und auf seine Brust trommelte, nicht sahen.

Precht vermittelt durch diese Geschichte seinem Sohn und seinen Lesern die philosophische Einsicht, dass der Mensch ein Tier mit begrenzter Aufmerksamkeit sei, unser Gehirn zwar das Bewusste und das Unbewusste speichere, wir aber an das Unbewusste selten herankommen.

Die Geschichte finde ich  deshalb so bemerkenswert, weil sie zeigt, wie Personen, die uns manipulieren wollen, arbeiten. Nicht immer spielt die Musik dort, wo mit dem Finger heftig drauf gezeigt wird.

Weitere Fragen lauten beispielsweise: "Bin ich wirklich ich?", "Gibt es Moral im Gehirn?", "Sind fünf Menschen mehr wert als einer?", "Warum stören Spiegel beim Klauen?", "Darf man Tiere essen?", "Was ist Schönheit"?, "Was ist Freiheit?"

Precht schafft es, durch seine Geschichten nicht nur junge Leser nachdenklich zu stimmen. Dennoch meine ich, dass man das Büchlein besonders jungen Menschen an Weihnachten auf den Gabentisch legen sollte, weil es für wichtige philosophische Fragen sensibilisiert und mit solchen Fragen kann man nicht früh genug konfrontiert werden.

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Rezension:Wie wollen wir leben? (Broschiert)

Prof. Dr. Peter Bieri wartet in der Reihe "Unruhe bewahren" mit drei Vorlesungen auf.
Diese tragen die Titel:

Was wäre ein selbstbestimmtes Leben?

Warum ist Selbsterkenntnis wichtig?

Wie entsteht kulturelle Identität?

Der ersten Vorlesung kann man u.a. entnehmen, dass unser Leben dann selbstbestimmt ist, wenn wir es schaffen, es innen und außen in Einklang mit unserem Selbstbild zu leben- wenn wir es schaffen, im Handeln, Denken, Fühlen und Wollen der zu sein, der wir sein möchten. Die Selbstbestimmung gelangt an ihre Grenzen bzw. scheitert völlig, wenn zwischen Selbstbild und Realität eine Kluft bleibt, (vgl.: S.13).

Wer zur Selbstbestimmung gelangen möchte, muss einen inneren Umbau vornehmen. Das bedingt laut Bieri, Kulissenwechsel, neue Erfahrungen, neue Beziehungen, auch die Arbeit mit Therapeuten und Trainern. Das Gesamte sei ein Kampf gegen die innere Monotonie, gegen eine Starrheit des Erlebens und Wollens, (vgl.:S. 14).

Der Philosoph unterstreicht, dass Selbstbestimmung sehr viel damit zu tun habe, dass wir uns selbst verstehen, insofern sei Selbsterkenntnis dasjenige, das dazu führe, dass wir eine transparente seelische Identität ausbilden und wir uns aufgrund dessen zu einem "empathischen Autor und Subjekt unseres Lebens" entwickeln können. (vgl.: S.15). Wer im Denken selbstständiger und mündiger wird (das gelingt nur durch kritische Distanz zu sich selbst, d. h. indem man sein Denken immer wieder auf den Prüfstand stellt), wird lt. dem Autor auch wacher im Hinblick auf blinde sprachliche Gewohnheiten, die uns letztlich nur vorgaukeln, etwas zu denken, (vgl.S.17). Bieri erwähnt nicht von Ungefähr, dass so mancher grammatisch wohlgeformte Satz keinen echten gedanklichen Inhalt ausdrückt. Für ihn gilt deshalb, dass die Philosophie diejenige Disziplin sei, in der die Idee des Gedankens ernster genommen wird als in jeder anderen und insofern auch die Idee der Selbstbestimmung, (vgl.: S.18).

Mittels Selbstbeschreibung arbeiten wir, so der Autor, an unserer persönlichen Identität. Dies geschieht auch dann, wenn wir Unbewusstes mittels Sprache in das Bewusste überführen. Durch eine neue Beschreibung eines Erlebten, ist es möglich einen neuen Grad von Bewusstheit zu erlangen. Das bedingt beispielsweise verleugnete Gefühle in voller Klarheit zu erleben und hierdurch unsere seelische Identität zu wandeln.

Bieri reflektiert das erzählerische Selbstbild, und ihnen zugrunde Erinnerungen, die zu verständlichen Erinnerungen werden, wenn wir sie zu Wort kommen lassen. Sie bleiben nur ein Kerker, wenn sie sich keinen erzählerischen Ausdruck verschaffen können, nur dann besitzen sie den Geschmack der inneren Selbstbestimmung, nur dann belagern sie uns als Gegner, (vgl.: S.23).

Der Autor meint, dass für den Weg der Selbstbestimmung das Lesen literarischer Texte uns gedanklich ein Spektrum an Möglichkeiten eröffne, indem wir hierdurch erkennen, was es alles gibt. Noch mehr als das Lesen würde das Schreiben einer Geschichte dazu beitragen, über das eigene Leben zu bestimmen und es im Sinne einer klareren Identität zu verändern, (vgl.: S.25 ). Es sei das Entdecken der eigenen Stimme und des eigenen Klangs, die es ermöglichten, uns zu verändern.

Bieri macht in der Folge auf einen wichtigen Moment aufmerksam, den er die moralische Intimität nennt. Dieser ereignet sich dann zwischen zwei Menschen, die sich nicht als auszurechnende Gegner sehen, sondern, die eine auf Loyalität begründete Beziehung zueinander haben. Solche Beziehungen gefährden die Selbstbestimmung niemals, sondern sie sind ihr natürlicher Ausdruck.

Wer selbstbestimmt leben möchte, muss lernen den Blick der Anderen auszuhalten. Wissen muss man allerdings, dass das Bedürfnis selbst sein Leben zu bestimmen, mit dem Bedürfnis einhergeht, nicht manipuliert zu werden. Insofern geht es um Authentizität, "darum, nicht das zu leben und zu sagen, was andere uns vorleben und vorsagen, sondern das, was der Logik der eigenen Biographie entspricht",(Zitat: S.33).

Nachdem Bieri in seiner ersten Vorlesung verdeutlicht hat, was man unter einem selbstbestimmten Leben zu verstehen hat, geht er in der zweiten Vorlesung der Frage der Selbsterkenntnis nach. Diese setzt immer Achtsamkeit voraus. Bieri weiß, dass Selbstbilder stets anfällig sind für Selbsttäuschungen, die interessengeleitete Irrtümer über uns selbst darstellten. Das erläutert der Autor in Einzelnen sehr gut. Eng verwoben ist Selbsterkenntnis mit Selbstbestimmung und auch diese erklärt Bieri gut nachvollziehbar, auch dass es bei Gefühlen und Wünschen einen Zusammenhang zwischen Erkennen und Verändern gibt.

Die Erweiterung von Selbsterkenntnis deutet der Philosoph als einen Prozess, bei dem Unbewusstes ins Bewusste überführt wird. Selbsterkenntnis vermag zu wachsen, indem man nachdenkt und auch schreibt. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass sie die Quelle von Freiheit und Glück ist. Selbsterkenntnis ist nicht nur für uns selbst wichtig, sondern auch im Hinblick auf den Umgang mit anderen, weil sie uns die Möglichkeit schenkt, mit diesen in moralischer Intimität zu leben. Bieri unterstreicht zum Schluss der Vorlesung, dass Menschen, die sich mit sich selbst auskennen, ihre eigenen Projektionen durchschauen und auch einfacher die Projektionen ihrer Mitmenschen erkennen, woraus sich ein besseres Miteinander herbeiführen lässt.

In der dritten Vorlesung beantwortet Bieri die Frage wie kulturelle Identität entsteht und verdeutlicht hier zunächst die Wichtigkeit von Sprache, die uns zu Kulturwesen macht. Für ihn ist die wichtigste Leistung einer Kultur das Verstehen und nur die Sprache befähigt uns zu hierzu. Kulturelle Identitäten werden durch das Empfinden von Nähe und Ferne zu anderen definiert, durch die Vorstellung von Intimität und Fremdheit, (vgl.: S.70). Bieri erklärt in dieser Vorlesung den Prozess der Aneignung der kulturellen Identität, die nie etwas Endgültiges sein kann, sehr facettenreich und verdeutlicht, auf welche Weise ein selbstbestimmtes Leben, Selbsterkenntnis und kulturelle Identität positiv zusammenwirken können und den Einzelnen zum Kulturwesen machen, dass aus dem Schatten blinder Prägungen hinaustritt und innerlich frei am Prozess der Bildung teilnehmen kann, die für uns alle von großer Bedeutung ist, weil nur sie uns frei macht.

Empfehlenswert.

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Rezension:Der Weg zur authentischen Persönlichkeit (Gebundene Ausgabe)

Das vorliegende Buch habe ich mit großem Interesse gelesen. Der Autor Winfried Hille ist der Gründer der 1998 auf den Weg gebrachten, heute führenden Zeitschrift für ganzheitliche Lebenskunst "Bewusster Leben".

Ziel des Buches ist, dem Leser zu zeigen, wie er sich zu einer authentischen Persönlichkeit entwickeln kann. Hille weiß, wovon er schreibt, denn er hat zunächst eine Banklehre absolviert, dann Germanistik und Erziehungswissenschaften studiert und lange an verantwortlicher Stelle im Verlagswesen gearbeitet, bevor er das tat, was er eigentlich schon in jungen Jahren tun wollte. Erst nach der Trennung von seiner Frau und seinen Kindern hörte er auf seine innere Stimme und entwickelte sich zu dem Menschen, der er heute ist und lebt seither mit sich und seinem Tun im Einklang.

In seinem Buch reflektiert er zunächst, was es heißt, authentisch zu leben. Für den Autor bedeutet es, sich immer wieder neu zu erfinden und um die eigene Identität neu zu ringen. Dies heißt aber auch, zu begreifen, dass es im Leben keine Sicherheiten gibt, außer unserem Vertrauen in unsere Fähigkeiten und dem Mut Dinge zu tun, die uns wichtig sind sowie unserer inneren Bestimmung in diesem Leben entsprechen, (vgl.: S.30).

Ein authentischer Mensch ist das Gegenteil eines Menschen, der sich permanent selbst inszeniert und den Helden im Alltag mimt, (vgl.: S.31). Authentisch ist man dann, wenn unsere rationalen und emotionalen, verbalen und nonverbalen Signale und Äußerungen übereinstimmen. Ein solcher Mensch handelt auf der Basis seiner eigenen Überzeugungen und diese bedingen eine umfassende Selbstkenntnis, sowie den Mut zur Individualität, (vgl.: S. 33).

Menschen, die immer nur Rollen spielen und sich selbst verleugnen, verlieren auf Dauer ihre Ausstrahlung, erhalten im Gegenzug heutzutage noch nicht einmal mehr eine sichere Laufbahn mit unbefristeten Arbeitsverträgen inklusive Krankenversicherung und Absicherung im Alter und sollten sich insofern überlegen, ob sie nicht umgehend nach Authentizität streben sollten, denn diese ist die Voraussetzung, um kreativ zu sein.

Der Autor verdeutlicht, dass Authentizität kein Lernziel ist, das man durch Einhaltung strukturierter Schritte erreichen kann. Es geht stattdessen darum, wiederzufinden, was in uns verborgen ist. Hille hält fest, dass Authentizität dann entsteht, wenn man mit sich und anderen bewusst, ehrlich, konsequent und aufrichtig umgeht, (vgl.: S.38).

Hille berichtet immer wieder von seinen persönlichen Erfahrungen, um zu zeigen, worum es ihm eigentlich geht und was er seinen Lesern vermitteln möchte. Er möchte, dass wir aus seinen Lebenskrisen die richtigen Schlüsse ziehen und erkennen, dass solche Krisen stets die Chance zur Neuorientierung bietet.

Man muss sich stets auf Neue bewusst machen, dass man den Boden für eine existentielle Krise bereitet, wenn man seine eigentliche Berufung, sein wahres selbst vergisst. Mit dieser Erkenntnis steht Hille nicht alleine. Ich sehe es auch so.

Immer wieder wartet der Autor mit Rubriken, die Selbstbefragungen und Selbstbeobachtungen beinhalten, auf. Die Fragen sollte man sich ehrlich beantworten, denn sie bringen uns auf dem Weg zur Authentizität weiter.

Man muss sich klar machen, dass man sein Leben selbst in die Hand nehmen kann und zwar immer und zu jedem Zeitpunkt und in jeder Lebensphase, (vgl.: S.72) und dass man immer Entscheidungen treffen und handeln muss, wenn man frei sein möchte.

Es ist wohl wahr, dass Frustration, Depression, Langeweile und unterdrückte Wut, deren Herkunft auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, typische Symptome verkörpern, die durch Selbstverleugnung entstehen, denn es gibt nichts Erschöpfenderes als auf Dauer gegen die innere Berufung zu leben, (vgl.:S.154).

Wie man Authentizität erlangt, zeigt Hille in acht gut nachvollziehbaren Schritten, die man mutig genug sein sollte zu gehen.

Ein gelungenes Buch, dessen Inhalt ich völlig zustimme.

Empfehlenswert.

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Rezensionen:Nur Mut! Die Kunst, schwierige Situationen zu meistern (Broschiert)

Die Fachärztin und Psychoanalytikerin Renate Daniel zeigt in ihrem Buch, wie man durch mutiges Handeln schwierige Situationen meistert. Die Autorin möchte, dass die Leser durch das Buch das Talent zum Mutigsein entfalten, indem man das Phänomen Mut genauer kennen- und Selbsterkenntnis sowie Kompetenzen zu vertiefen lernt. Geschult wird die Fähigkeit, einen ganz auf unsere Persönlichkeit zugeschnittenen Mut zu entdecken und auf diese Weise zu neuen Ufern aufzubrechen, (vgl.: S.8).

Die Autorin thematisiert die verschiedenen Entscheidungstypen, sprich- Denk- und Fühltypen, beleuchtet, wie uns innere Zerrissenheit bei einer Entscheidungsfindung lähmen kann und thematisiert auch Schuldgefühle in ihren mannigfaltigen Facetten, die sich auf Entscheidungen bremsend auswirken können.

Gefangensein zwischen zwei Alternativen kann sich abrupt lösen, wenn man in eine Notsituation gerät, die alles im neuen Lichte zu zeigen vermag. Mut ist einfacher mobilisierbar, wenn man z.B. an eine lebensbedrohliche Erkrankung stößt, (vgl.: S.28).

Wichtig ist natürlich, sich zu getrauen, sich selbst zu finden. Das ist möglich durch eine bewusste Beziehung und sorgfältige Auseinandersetzung mit der eigenen Innenwelt, die sich in Phantasien, Träumen und Wünschen zeigt. Selbsterkenntnis gewinnt man allerdings keineswegs nur durch Selbstreflektion, sondern auch innerhalb der Beziehungen mit Menschen und der Beschäftigung mit Büchern etc., so die Autorin. Selbsterkenntnis ist eine der Voraussetzungen, um auch mutig Nein zu sagen.

Dr. Daniel zeigt anhand von Übungen, wie man lernt, gute Entscheidungen zu treffen, indem sie Fragen stellt, mit denen man sich vor Entscheidungen und nicht nur dann auseinandersetzen sollte.

Nach ihrer Ansicht ist Mut in erster Linie eine Herzensangelegenheit, denn je intensiver unsere Gefühle sind, desto vitaler und energiegeladener erleben wir uns.

Weshalb vertrauensvolle Beziehungen Mut fördern, erklärt die Autorin ausführlich. Dennoch ist die Prämisse falsch, dass zwei oder mehrere Menschen sich nicht irren können. Die Quantität der Zustimmung hat nichts mit der Qualität zu tun.

Warum sich Zivilcourage lohnt, zeigt Dr. Daniel an Beispielen und wartet mit Übungen zum Thema, wie fasse ich mir ein Herz auf. Es sind Fragen, die es zu beantworten gilt, wie etwa: "Wie ausgeprägt ist Ihr Selbstvertrauen auf einer Skala von 0 bis 10"?,"Wie ausgeprägt schätzen Sie Ihre Tendenz zu Eigenständigkeit und Unabhängigkeit?" (Zitate: S. 78).

Die Psychoanalytikerin geht auch der Frage nach, wann wir feige sind und thematisiert hier den Minderwertigkeitskomplex, der dafür ursächlich sein kann. Dass es mitunter des Zornes braucht, um mutig zu sein, ist jedem klar, denn Zorn erschließt eine Kraft in uns, die sich impulsiv entladen kann.

Dr. Daniel geht es darum, dass der Leser lernt Kraftpotentiale zu erkennen und Neues zu wagen und nennt Enthusiasmus als Quelle der Kraft, weiß aber auch, dass Kompetenzen und Wissen ermutigen können und Stressresistenz ein wesentlicher Faktor für Mut darstellt.

Anhand weiterer Übungen zeigt die Autorin, wie und wo man Kraft schöpfen kann, fragt nach Kraftkillern und Kraftquellen, bevor sie in ihren Schulungen fortfährt und darauf aufmerksam macht, dass das Nachdenken über Vorbilder, mitunter sehr hilfreich ist, wenn es darum geht, mutig zu sein und entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Ein lesenswertes Buch, das uns verdeutlicht, dass Mut eine Tugend ist, die man kultivieren muss, um im Leben zu bestehen.

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Rezension:Psycho? Logisch! Nützliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie (Taschenbuch)

Dr. Volker Kitz und Dr. Manuel Tusch warten in ihrem Buch mit nützlichen Erkenntnissen der Alltagspsychologie auf. Nach jedem Kapitel gibt es eine Liste mit weiterführender Literatur, wodurch die beiden dokumentieren, dass sie nicht oberflächlich herumquatschen, sondern wichtige psychologische Erkenntnisse verstehen, kurzweilig dazustellen. Sehr lobenswert.

Man erfährt, was man unter "fundamentalen Attributionsfehlern" zu verstehen hat und weshalb diese zu zahllosen Missverständnissen führen.

Das Dilemma des sozialen Vergleichs ist ein Thema und auch die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Man lernt, wie sinnvoll aktives Zuhören ist und lernt weiter den entwicklungspsychologischen Egozentrismus zu überwinden, um auf diese Weise ganz wir selbst sein zu können.

Eine Fülle nützlicher Erkenntnisse, auch aus der Stressforschung verhelfen dem Leser, den Alltag besser zu meistern, wenn er bereit ist, aus dem Wissen praktischen Nutzen zu ziehen. Nicht uninteressant ist es, sich die Logik der künstlichen Verknappung zu Nutze zu machen und sich mit dem sogenannten Ähnlichkeitsprinzip ernsthaft auseinanderzusetzen. Soziale Homophilie ist eine Tatsache, die nicht nur in Liebesangelegenheiten zu positiven Ergebnissen führt.

Es führt zu weit, auf alle Punkte im Buch einzugehen. Lobend erwähnen möchte noch ich die amüsanten Karikaturen, die die Erkenntnisse flapsig visualisieren.

Alles in allem ein empfehlenswertes Buch, lesenswert, sofern man darin interessiert ist, unnötige Probleme in der Interaktion mit wem auch immer zu vermeiden.

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Rezensionen: 111 Tugenden, 111 Laster: Eine philosophische Revue (Gebundene Ausgabe)

Der Autor dieses Buches, Dr. Martin Seel, ist Professor für Philosophie an der Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt. Er befasst sich in diesem Buch mit 111 menschlichen Eigenschaften, die, sieht man mal von der Grausamkeit ab, die Gestalt einer Tugend oder eines Lasters annehmen können. Der Autor unterstreicht, dass der Hauptteil des Buches wie eine Regietheater-Inszenierung der Nikomachischen Ethik gelesen werden könne. Viele Tugenden, so habe bereits Aristoteles gesagt, sind heikle Balancen, die nur mit Mühe gehalten werden können, (vgl.: S. 234).

Damit Sie eine Vorstellung von den fokussierten Eigenschaften haben, liste ich diese kurz auf: Leichtsinn, Freundlichkeit, Unverschämtheit, Schamgefühl, Takt, Unbefangenheit, Unparteilichkeit, Grausamkeit, Mitgefühl, Selbstmitleid, Humor, Albernheit, Ironie, Neugier, Aufgeschlossenheit, Gier, Lust, Mäßigung, Pünktlichkeit, Genauigkeit, Willensschwäche, Besonnenheit, Klugheit, Dummheit, Weisheit, Melancholie, Trägheit, Faulheit, Lebhaftigkeit, Zorn, Lächerlichkeit, Ausgeglichenheit, Echtheit, Natürlichkeit, Stil, Naivität, Coolness, Keuschheit, Phantasie, Sensibilität, Schönheit, Anmut, Eitelkeit, Würde, Selbstachtung, Ehrgefühl, Ehrgeiz, Stolz, Arroganz, Genie, Originalität, Bewunderung, Neid, Schadenfreude, Ressentiment, Geiz, Großzügigkeit, Toleranz, Glaube, Hoffnung, Aberglaube, Skepsis, Bescheidenheit, Koketterie, Demut, Dankbarkeit, Verantwortung, Gewissen, Peinlichkeit, Frömmigkeit, Betrachtung, Liebe, Elternliebe, Selbstliebe, Narzissmus, Selbstgenügsamkeit, Leutseligkeit, Freundschaft, Nächstenliebe, Freiheit, Trotz, Fatalismus, Fanatismus, Glück, Mut, Zynismus, Hochstapelei, Angabe, Aufrichtigkeit, Selbsterkenntnis, Vertrauen, Selbstvertrauen, Treue, Gerechtigkeit, Selbstgerechtigkeit, Nachsicht, Geduld, Ausdauer, Opportunismus, Ernsthaftigkeit, Redlichkeit, Nüchternheit, Langeweile, Zerstreutheit, Aufmerksamkeit, Bildung, Beredsamkeit, Geschmack, Spielfreude, Rationalität und Gelassenheit.

Seels Reflektionen zu den einzelnen Eigenschaften im Buch zeigen, dass jedem menschlichen Vorzug eine Tendenz zur Abirrung vom Pfad der Tugend und beinahe jedem Laster ein Impuls zum Abbiegen auf ihn innewohnt. Es sei notwendig die Verwandtschaftsbeziehung zwischen Tugend und Laster zu begreifen, um den Konflikt zwischen ihnen wirklich zu verstehen, (vgl.: S.235). Das Kriterium, das Tugenden von Lastern unterscheidet, bringt Seel folgendermaßen auf den Punkt:"Tugenden respektieren und fördern, Laster hingegen verletzen und behindern die Selbstachtung, und Selbstbestimmung der Menschen", (Zitat: Seite 236).

Seel zeigt die Ambivalenz der Tugenden auf, so etwa bei der Neugier, bei der ein Übermaß, wie auch der Mangel die soziale wie auch die kognitive Kraft zunichtemachen, (vgl.: S.245). Bei einer großen Anzahl tugendrelevanter Eigenschaften ist nicht deutlich erkennbar, ob es sich eher um eine Tugend oder ein Laster handelt. Seel führt als Beispiele Naivität, Leutseligkeit, Selbstliebe und Koketterie an, (vgl.: S.246).

Es macht Freude die Betrachtungen Seels zu den einzelnen Eigenschaften zu lesen und darüber nachzudenken. Die dümmste Variante von Arroganz manifestiert sich in glatter Selbstüberschätzung, im Extremfall gepaart mit offener Geringschätzung für den Rest der Menschheit, (vgl.: S.107), doch mitunter ist Arroganz ein Mittel die allzu Aufgeblasenen in die Schranken zu weisen, (vgl.: S.108).

Es ist unmöglich die Reflektionen zu den 111 Eigenschaften an dieser Stelle im Einzelnen zu thematisieren. Mir gefällt an diesen Überlegungen der Gedanke allem letztlich etwas Positives abzugewinnen und aufzuzeigen, dass Schwarz-Weiß unergiebig ist und fast jede Eigenschaft aus ihrer Mitte heraus einen positiven Beitrag zu einem zufriedenstellenden Miteinander leisten kann.

Die gute Botschaft des Buches lautet, dass es im Gedeihen von Individuen und Gemeinschaften auch ohne alles überbietende Superlative geht, (vgl. S. 254). Tatsächlich geht es um die Balance, die einer Eigenschaft alle bedenkenswerte Lasterhaftigkeit zu entziehen vermag und das Tugendhafte in einer Gemeinschaft erst auslebbar macht. Man sollte weder Ernsthaftigkeit, Selbstgenügsamkeit, Frömmigkeit- um drei Beispiele zu nennen- wie eine Monstranz vor sich hertragen, denn dann verpufft die positive Wirkung der Tugend, dann kann daraus Selbstgerechtigkeit und Arroganz oder Schlimmeres werden.

Entspannen wir uns also und führen keine Kriege im Namen der Tugend gegen Bigotte, Blasierte, Dreiste, Dogmatiker und andere lasterhafte Zeitgenossen, sondern schauen stattdessen auf deren sonstige Eigenschaften, denn in der Regel überlagert selten eine bedenkliche Eigenschaft alle guten. Zumeist ist es unser lasterhaft überkritische Blick, der die Tugenden der Mitmenschen übersehen will.:-))

Empfehlenswert.

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Rezension:Wenn Macht krank macht: Narzissmus in der Arbeitswelt (Gebundene Ausgabe)

Der Autor dieses bemerkenswerten Buches ist der Managementtrainer Werner Berschneider. Er befasst sich mit dem Phänomen des Narzissmus und erläutert zunächst, wann dieser gesund ist, bevor er der Frage nachgeht, wie viel Narzissmus Führungskräfte benötigen.

Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung? Berschneider zeigt auf, was Siegmund Freud, was der Psychoanalytiker Heinz Kohut und auch was Otto F. Kernberg darunter verstehen. Die Zuordnungen der drei Herren verdeutlichen, wie vielgestaltig Narzissmus ist. Bezieht man alle Formen des Phänomens mit ein, kommt man zu dem Ergebnis, dass Narzissmus dann vorliegt, wenn eine starke Konzentration des Interesses auf das eigene Selbst und des Weiteren ein Wechsel zwischen Gefühlen von Grandiosität und Minderwertigkeit vorliegt, (vgl.S.14).

Der Narzissmus dient nicht selten dem Ziel, Scham, Neid und Angst abzuwehren. Für einen pathologischen Narzissten ist es undenkbar von anderen Menschen abhängig und auf sie angewiesen zu sein. Insofern muss er jede Abhängigkeit leugnen. Dabei hilft ihm die Vorstellung eigener Grandiosität, das Zerrbild einer vollständigen Autonomie aufrechtzuhalten. Bereits in jungen Jahren erkennen angehende Narzissten, dass es zwei Wege gibt, um Verletzungen oder Beschämungen von sich fernzuhalten. Der eine besteht darin, sich nicht zu tief in Beziehungen einzulassen, der andere darin, rasch eine Machtposition zu erreichen, (vgl.: S.15).

Nicht jeder Narzissmus ist pathologisch, so Berschneider, allerdings ist am Ende des Kontinuums der Narzissmus mit Borderline-Niveau anzusiedeln. Dieser wird von Kernberg wie folgt beschrieben: "Mangel an Impulskontrolle" (Wutausbrüche, selbstschädigendes Verhalten),"schwere Beeinträchtigung an Produktivität und Kreativität", die über die Erfüllung von lebenswichtigen Bedürfnissen hinausgeht, "chronisches Scheitern im Beruf und in Liebesbeziehungen" und "antisoziales Verhalten", (vgl.: S.16).


Der Autor fragt wie viel Narzissmus Führungskräfte benötigen und gibt darauf auch eine entsprechende Antwort, bevor er die wichtigsten Erscheinungsformen des Narzissmus erörtert. Näher erklärt wird zunächst, was man unter einem dickhäutig, unbeirrten, grandiosen Narzissten zu verstehen hat. Dieser ist u.a. in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, verlangt nach übermäßiger Bewunderung und zeigt einen Mangel an Empathie, (vgl.: S. 29).


Berschneider zeigt immer wieder Beispiele von Narzissten aus seinem Erfahrungsbereich auf und vergisst auch nicht zu erwähnen, dass der Narzisst mit seiner Gier nach Bewunderung im hohen Maße manipulierbar wird. Aufgrund der Glücksgefühle bei Bewunderung erkennt er die Manipulation nicht.

Man lernt des Weiteren den dünnhäutigen, verletzlichen, fragilen Narzissten kennen, dieser hypervigilante Vertreter ist gehemmt und höchst sensibel gegenüber den Reaktionen Dritter. Er meidet es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und fühlt sich sehr schnell gekränkt, (vgl.: S.37).

Der dickhäutige Narzisst ist überheblich und fällt durch Geringschätzung und Machtausübung auf, während der hypervigilante Typus viel indirekter schadet, der dann, wenn er sich gekränkt fühlt, ohne Vorwarnung und ohne Nennung von Gründen Beziehungen abbricht, (vgl.: S.40).


Man lernt in der Folge auch noch den sozial gut angepassten Narzissten kennen sowie die spezifisch weibliche Form des Narzissmus und erfährt dann wie pathologischer Narzissmus entsteht. Thematisiert werden unterschiedliche Bindungsmuster während der Kindheit, Vernachlässigung, Verwahrlosung, Misshandlung und Missbrauch, wie auch die maßlose Überschätzung und Verwöhnung der kleinen Prinzessinnen und Prinzen.


Sehr spannend zu lesen sind Berschneiders Ausführungen der Entwicklung eines "falschen Selbst", das dann entsteht, wenn Kinder zu sehr auf die Bedürfnisse (Leistungsdruck und Bestreben nach Perfektion) der Eltern eingehen und ihre kindliche Seele dadurch Schaden nimmt, (vgl. S.77).

Sofern ein Kind Nähe erlebt und ihm kindgerecht etwas abverlangt wird, hat es übrigens eine gute Chance, keine narzisstische Störung zu entwickeln, (vgl.: S.85).


Der Autor führt an, wer den Narzissten helfen kann und wie man den richtigen Zugang zu ihnen findet. Er schreibt, das Narzissten oft hochintelligent sind und über gute kognitive Fähigkeiten verfügen: wahrnehmen (mit den erwähnten Einschränkungen bezüglich der eigenen Person), lernen, erinnern, denken, Information verarbeiten, Erkenntnisse ableiten. Doch sie haben andererseits Angst vor Gefühlen und Emotionen. Deshalb sei es sinnvoll den Zugang eher über die Kognition zu suchen als über Gefühle, (vgl.: S. 107).

Berschneider berichtet auch über die Hilfestellung durch Logotherapie und erklärt zuvor kurz, was man unter dieser Therapierichtung zu verstehen hat. Dann zeigt er schematisch auf, wo die Problemkreise des Narzissten und worin die hilfreichen Ziele der Logotherapie liegen.


Besonders interessant fand ich die Seiten 139-151. Hier wird ausführlich erklärt, wie man dem Narzissten begegnet. Die jeweiligen Erklärungen sind wie folgt zusammengefasst:

-Gestehen Sie sich ein, wenn Sie gekränkt wurden.
-Werden Sie sich ihrer eigenen Reaktionen bewusst
-Versuchen Sie nicht, den anderen zu ändern
-Lassen Sie sich Unverschämtheiten nicht gefallen
-Wenn Sie sich abgrenzen müssen: Seien Sie mutig- Gerade wenn Sie Angst haben
-Erhalten Sie sich Ihre Unabhängigkeit (fachlich, wirtschaftlich, emotional).
-Nehmen Sie den Menschen ernst, nicht aber sein destruktives Verhalten
-Geben Sie dem Narzissten keine Macht über Ihr Leben
-Lassen Sie sich nicht auf einen Machtkampf ein
-Verzichten Sie auf Rache
-Denken Sie lösungsorientiert
-Findet Sie Ihre Einstellung zu Situation.

Wer in der Arbeitswelt mit Narzissten zu tun hat, ist gut beraten, sich schlau zu machen wie man mit diesen zu verfahren hat. Wenn Narzissten Macht haben, setzen sie diese leider selten in den Dienst einer Aufgabe ein, sondern Macht wird bei ihnen zum Selbstzweck. Sie möchten ihren egoistischen Willen durchsetzen und andere dominieren, um daraus eine narzisstische Gratifikation zu gewinnen, (vgl.: S.156). Insofern eignen sich pathologische Narzissten im Grunde nicht für Führungspositionen, doch leider drängt es sie aus den eingangs genannten Gründen genau dort hin und so werden sie eine Bedrohung für ein gutes Betriebsklima, das notwendig ist, damit die Betriebsergebnisse erfreulich sind.

Empfehlenswert.
Helga König

Rezension:Über das Glück: Ein Symposion (Taschenbuch)

"Die Fantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in die Metempsychose zu uns. Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgens ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und die Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich. Jetzt scheint es uns freilich innerlich so dunkel, einsam, gestaltlos, aber wie ganz anders wird es in uns dünken, wenn diese Verfinsterung vorbey, und der Schattenkörper hinweggerückt ist. Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt", (Zitat: Goethe, S.168).

Das Glück in seiner Vielgestaltigkeit wird in diesem Symposion über das Glück von international angesehenen Wissenschaftlern vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Disziplinen- der Philosophie, Psychologie, Ethnologie, Literaturwissenschaft, der Kunst und Wissenschaftsgeschichte in Augenschein genommen.

Der Philosoph Prof. Heinrich Meier hat den Prolog "Über das Glück" verfasst. In der Folge kann man sich in die Glücksdarstellung in der klassischen deutschen Literatur vertiefen. Man wird mit den Glücksvorstellungen in der Aufklärung konfrontiert und hier auch mit jener von Lessing, in dessen Schriften sich das künstlerisch und intellektuell anspruchsvollste Zeugnis aufklärerischer Glücksemphase entfaltet, zumindest was den deutschsprachigen Raum anbelangt.

Thematisiert wird das katastrophale Glück bei Kleist, das Glück durch Mitteilung bei Goethe und Hebels unverhofftes Glück.

Es lohnt sich, Ulrich Pothasts Gedanken zum Glück und dessen Unverfügbarkeit zu lesen. Bestimmte Persönlichkeitszüge, Gefühlshaltungen, Handlungsweisen sollen, so schreibt er, das Glück fördern. Stichworte aus der Philosophiegeschichte sind hier Tugend, Tätigkeit, Seelenruhe, Vernunft, Affektfreiheit, (vgl.:S.55). Treffend bemerkt Pothast, dass es ein großes Geschenk der Fortuna sei, ohne weiteres Nachdenken und ohne besondere Glücksbemühungen ein glückliches Leben zu führen und allenfalls, wenn man danach fragt, überhaupt das Wort Glück darauf anzuwenden,(vgl.:S.72).

Sehr gut hat mir der Beitrag Camille Paglias über das flüchtige Glück des abendländischen Künstlers gefallen und ein Satz, der speziell auch für Chopin, mit dem sich Paglia auch befasst besonders zutrifft: "So viel Kunst beginnt für dazu begabte Menschen mit dem Glück, das sie dabei empfinden, Materialien mit den Händen zu bearbeiten", (vgl: S.218).
Im Epilog schreibt Prof. Meier einen wichtigen Satz: "Wenigen gelingt es, gegenüber der Macht Fortunas die innere Freiheit zu wahren", (Zitat: S.285). Es stimmt, die Wandelbarkeit der Zeit gebiert das Glück und Unglück, das Fortuna für den Handelnden bereithält. Versuchen wir also Seelenruhe zu entwickeln, denn diese allein scheint die Basis der Glückseligkeit zu sein.
Lesenswert.

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Rezension: Warum Tagträume uns kreativer, mutiger und gelassener machen (Gebundene Ausgabe)

Heiko Ernst, der Autor dieses Buches, befasst sich seinem dicht geschriebenen Text mit dem Phänomen der Tagträume.

Das umfangreiche Literaturverzeichnis am Ende macht deutlich, dass der Autor sich intensiv mit dem Thema befasst hat. Wenn er zum Schluss seines Buches resümierend festhält, dass das Innenleben eine Festung der Privatheit, das Atelier der Kreativität, das Sanktuarium der Erinnerung sei und von daher die erste Verteidigungslinie des Privaten bei den Tagträumen beginne, für die man Stille und Alleinsein benötige, macht er deutlich, dass sie der seelische "Sauerstoff" sind, der lebensnotwenig für unsere Seele und unser Gehirn ist, (vgl.: S.234).

Gleich zu Anfang des Buches fragt der Autor, ob nur die "Unbefriedigten" mit offenen Augen träumen und Fantasien ein blasser Glücks-Ersatz seien, (vgl.: S.16). Hier nimmt Ernst bei der Beantwortung der rhetorischen Fragen auf Freud Bezug und verdeutlicht, dass der Psychoanalytiker, wie viele andere Psychologen das Tagträumen in ein schiefes Licht gesetzt haben, (vgl.: S.18). Erst die Nach-Freudianer erkannten, dass die Tagträume und Fantasien sich als eine legitime und fruchtbare Quelle für die Kreativitätsforschung, Psychotherapie und Selbsterkenntnis erwiesen haben, (vgl.:S.21).

Heiko Ernst hält fest, dass Fantasien, bildhafte Vorstellungen und Tagträume neben anderen Bewusstseinsfunktionen, wie Lernen, Nachdenken oder Planen, die Hauptmethoden darstellen, mit denen wir uns an unsere Umwelt anpassen, uns assimilieren. Es verhält sich wohl so, dass wir mittels Fantasien und Tagträumen alles bearbeiten, was uns wiederfährt, "damit wir es aushalten oder auch verändern können", (vgl.:S.23).

Der Autor macht begreifbar, wie wir Tagträume einfangen und nutzen können, zeigt auch, wie sie uns verändern und dazu beitragen, bestimmte Wünsche zu erfüllen oder Probleme zu lösen.

Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass Heiko Ernst den Philosophen Bloch anführt, der sich in seinem Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung", dort auch sehr positiv zu Erträumtem äußert und der wusste, dass dieses sich mit Realem nur dann zu einer neuen Wirklichkeit zusammenfügen kann, wenn wir uns unserer Imaginationskraft bedienen, (vgl.: S.38).

Ernst schreibt, zu welchen Zeiten wir tagträumen- es sind nämlich nicht nur die Leerlaufzeiten- und macht klar, dass die Kraft der Imagination zur Menschwerdung gehört. Der Autor nimmt diesbezüglich nicht nur auf Bloch, sondern auch auf Sartre Bezug und zitiert Aufschlussreiches aus dessen Werk "Das Imaginäre", (siehe S. 55).

Man erfährt Wissenswertes über die Ursprünge des Fantasierens und die Verzauberung der Welt des Kindes durch das Spiel. Kinder vermögen schon im Alter von zwei Jahren zu begreifen, dass der brummende Vater kein Bär ist, sondern ihn nur imaginiert und lachen genau deshalb ganz ungemein vergnügt, (vgl.: S.61). Tagträume, Fantasien, Imaginationen, Luftschlösser, so der Autor, sind Residuen und Fortsetzungen der frühkindlichen Psyche, mit denen man auch im Erwachsenenalter die Wirklichkeit bewältigt, (vgl.: S.63).

Nicht zuletzt machen Tagträume die Entbehrung und den Befriedigungsaufschub erträglicher. Tagträume reduzieren Stress in Zeiten Konzentrationshochleistungszeiten, (vgl.: S.75). Weshalb sie so wichtig sind, listet der Autor zum schnellen Zwischenbilanzziehen auf den Seiten 97-101 für Essenzleser kurz auf und fasst noch kürzer in einem Satz zusammen, dass sie sie der Königsweg zu uns selbst sind.

Im zweiten großen Abschnitt des Buches macht Heiko Ernst begreifbar, wie wir unser Leben fantasieren, fokussiert unsere Kern-Tagträume, auch das Pornokino im Kopf.

Es führt zu weit, im Rahmen der Rezension alle Facetten der Tagträume zu benennen. Ernsts Überlegungen zum Tagtraum im Hinblick auf die Kunst finde ich bemerkenswert. Der Autor erwähnt hier Peter von Matt, der erkannt hat, dass der Künstler in der von ihm so genannten "Opus-Fantasie" gewissermaßen seinen eigenen kreativen Prozess reflektiere. Der Kunstschaffende "sieht" sein eigenes Werk vor sich und eventuell auch seinen Erfolg und diese Fantasie über das Fantasieren, demnach die "Metafantasie steuere mithin sein Schaffen, (vgl.: S.182).

Heiko Ernst hat mit diesem Buch ein Plädoyer für unsere Tagträume geschrieben, die wir benötigen und uns gestatten sollen, um unsere innere Balance zu halten und kreativ zu bleiben.

Sehr empfehlenswert.

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Rezension:Transformationen der Gefühle: Philosophische Emotionstheorien 1270-1670 (Gebundene Ausgabe)

Prof. Dr. Dominik Perler rekonstruiert und diskutiert in diesem Buch einflussreiche Emotionstheorien, die im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden sind. Dabei geht es ihm um die Analyse systematisch relevanter Probleme und um den Vergleich diverser Theorieansätze.

Der Autor möchte auf die Transformationen der metaphysischen, handlungstheoretischen und moralpsychologischen Kontexte aufmerksam machen, in denen Emotionen diskutiert werden. Des Weiteren wird untersucht, wie in den jeweiligen Kontexten die Frage nach einer Transformation der Emotion beantwortet wurde.

Wer sich mit Emotion befasst, kommt nicht umhin, diese zu erörtern. Der Grund dafür besteht darin, dass sich eine Einsicht in die Natur und Struktur von Emotionen erst gewinnen lässt, wenn man begriffen hat, was unter geistigen Phänomenen und ihren Merkmalen, einer Geist-Körper-Einheit, einem komplexen Zustand und einem kognitiven Mechanismus zu verstehen ist, (vgl.: S.19).

Prof Dr. Perler geht der Frage nach, wozu historische Analyen notwendig sind und thematisiert die Emotionen als sinnliche Regungen bei Thomas von Aquin, als Emotionen im Willen bei Johannes Duns Scotus und bei William Ockham, als Emotionen in skeptischer Sicht bei Michel de Montaigne, als Emotionen in dualistischer Sicht bei René Descartes und als Emotionen als psychophysische Einheit bei Baruch de Spinoza.

Alle diese Autoren waren bemüht zu analysieren, wie sehr Emotionen immer schon rational geprägt sind und umgekehrt wie sehr rationale Aktivitäten durch Emotionen beeinflusst sind. Die einzelnen Autoren fragen auf unterschiedliche Weise nach den Gründen für diese enge Verbindung und zeigen dadurch, dass sie diese Frage in den Mittelpunkt stellen mit aller Klarheit, dass Emotion weitaus mehr als ein philosophisches Spezialproblem verkörpere.

Prof. Dr. Perler kommt zu dem Ergebnis "Wer nur nach der Natur und Kontrollierbarkeit von Emotionen fragt, muss unweigerlich die anthropologische Grundfrage aufgreifen, wie Menschen als gleichzeitig sinnliche und rational Lebewesen verstanden werden können," (Zitat :S. 469).

Es ist überaus interessant, sich in die einzelnen Betrachtungen zu vertiefen, nicht zuletzt um die Veränderung des theoretischen Rahmens zur Erklärung von Gefühlen zu erkennen.

Empfehlenswert.

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Rezension: Scham - Stephan Marks

Stephan Marks befasst sich in diesem Buch mit dem Phänomen der Scham. Dabei zeigt er zunächst die einzelnen Formen von Scham auf, die er jeweils näher erklärt. Thematisiert werden:

Anpassungs-Scham
Körper-Scham
Gruppen-Scham
Empathische Scham
Intimitäts-Scham

So versteht man unter dem Begriff "Empathische Scham" jene, die wir mit-fühlen, wenn wir Zeuge der Scham eines Mitmenschen sind, etwa wenn dieser erniedrigt wird. Empathische Scham befähigt uns zu Mitgefühl, Solidarität und Freundschaft und ist der Motor dafür, Schwachen beizustehen, sie zu schützen, oder zu verteidigen, (vgl. S.27).

Wer sich schämt, verliert -zumindest vorübergehend- die Geistesgegenwart und Selbstkontrolle. Menschen, die sich schämen, fühlen sich geistig wie gelähmt oder verwirrt. Man empfindet sich dann unfähig, unzulänglich, minderwertig, hilflos, schwach, machtlos, wertlos, lächerlich, gedemütigt oder gekränkt. Die Gefühle münden in folgende Reaktionen: Man fühlt sich deprimiert, traurig, enttäuscht, möchte in den Boden versinken, sich verbergen oder verstecken. Man verlässt fluchtartig die Scham auslösende Situation und läuft weg oder man wird überheblich und aggressiv. Des Weiteren hat man den Impuls, die Person, die uns beschämt hat, ebenfalls zu beschämen oder anderweitig zu bestrafen, (vgl.: S.37).

Man erfährt wie Menschen körperlich auf Scham reagieren und wie sich Scham entwickelt. Es gibt zwei Vorstufen von Scham, einerseits die Intimitäts-Scham, andererseits die traumatische Scham. Die Intimitäts-Scham basiert in der Erfahrung der Heranwachsenden, dass seine Grenzen akzeptiert werden und dass er gesehen, geliebt und zugehörig ist. Hieraus kann sich das Bewusstsein der eigenen Würde entwickeln und auch die Fähigkeit gesunder Weise seine körperlichen und seelischen Grenzen zu schützen. Traumatische Scham ist mit dem Gefühl des Liebesunwert-Seins verbunden. Zustande kommt es durch eine extrem schmerzhafte Erfahrung oder auch durch eine Vielzahl von erniedrigender Erfahrungen, die sich zu einem kumulativ-traumatischen Beziehungsmuster aufaddieren, (vgl.: S.43).

Man erfährt, was man unter struktureller Erniedrigung zu verstehen hat und auch, dass Beschämung und Scham wie ein transgenerationaler Teufelskreis von Generation zu Generation weitergegeben wird, (vgl.: S. 51). Die Fähigkeit, Scham zu erleben, fußt auf einem Entwicklungsschritt, den Kinder erst ab Mitte des zweiten Lebensjahres vollziehen. Dann nämlich werden sie zu objektiver Selbsterkenntnis fähig, (vgl.: S. 53).

Der Autor erläutert, was man unter Anpassungs-Scham und Gewissens-Scham zu verstehen hat und unterstreicht, dass nicht selten Scham und Schuld verwechselt wird. Die Unterschiede zwischen Scham und Schuld zeigt er detailliert auf. Hierbei lässt er nicht unerwähnt, dass Scham in verschiedener Hinsicht ein narzisstischer Affekt ist, (vgl. S. 60ff.)

Dass Kränkungen krank machen, zeigt der Autor auch auf. Es geht sogar so weit zu konstatieren, dass der plötzliche Entzug von Anerkennung tödliche Folgen haben kann, (mehr dazu Seite 69). Beschämungen bis hin zum Mobbing bedingen einen unkontrollierbaren sozialen Stress und bedingen u.a. ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko, Depressionen und psychosomatische Symptome, (vgl.S.70).

Dargelegt wird auf welche Weise Schamgefühle abgewehrt werden. Zu Sprache gebracht werden die Verhaltensmuster des Versteckens, des Sich- Einigelns, der emotionalen Erstarrung, der Projektion, des Angreifens und hier des Beschämens, der Verachtung, des Zynismus, des Negativismus, der Schamlosigkeit, der Arroganz, des Grolls, des Neides, der Ressentiments, des Trotzes, des Zornes, der Wut und der Gewalt, des Wiederherstellens der verlorenen Ehre und als weiteres Verhaltensmuster das Fliehen und dort die Größenphantasien, die Idealisierung, der Perfektionismus, die Schwerverständlichkeit, Rätselhaftigkeit und schlussendlich die Sucht, (vgl.: S.99).

Nicht selten werden Schamgefühle dadurch abgewehrt, dass andere dazu gezwungen werden, sich zu schämen, sich für lächerlich oder liebensunwert zu halten. Aus diesem Grunde werden sie beschämt, erniedrigt, gedemütigt, verhöhnt und verspottet, (vgl.: S.79).

Um eigene Schamgefühle abzuwehren geht man so weit, andere zu zwingen, sich wie Dreck zu fühlen. Und um das zu erreichen, wird eingeschüchtert, entwürdigt, schikaniert und versucht den anderen zu vernichten, (vgl.: S.82). Zynismus ist ein Indiz dafür, dass jemand zutiefst verletzt ist. Das Gleiche gilt auch für Negativismus.

Schamlosigkeit entsteht übrigens nicht an einem Mangel an Werten, sondern aus einem Widerstand gegen diese, (vgl.: S.86). Der Autor zeigt wie die einzelnen Schamgefühle unbewusst abgewehrt werden. Es ist interessant zu lesen, dass traumatisierte Menschen nicht selten versuchen, die Würde anderer zu verletzen. Man sollte sich das klar machen, wenn Mitmenschen es darauf anlegen zu verletzten und zu demütigen. Offenbar treibt eine seelisch kranke Struktur den Menschen in solche Verhaltensmuster. Wer verletzt, ist verletzt.

Marks macht deutlich, dass Frauen zu Schamabwehrreaktionen neigen, die sich auf die eigene Person richten (Depression, Trotz, Sucht), während Männer mit ihren Abwehrreaktionen gegen ihre Mitmenschen zielen (Verachtung, Gewalt), (vgl.: S.100-101).

In der Folge thematisiert der Autor die Auswirkungen von Scham und verschiedene Formen ihrer Abwehr für Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Erziehung. Sehr lesenswert ist hier das Kapitel "Scham und ihre Abwehr in der Nachkriegszeit".

In Kapitel 5 erfährt man, wie man konstruktiv mit Scham umgeht. Das setzt voraus, dass man dies wahrnimmt. Wer seine Scham aushält und sie reflektiert, wird nicht mit destruktiver Schamabwehr agieren, sondern Selbstachtung und Selbstliebe erlernen. Welche positiven Folgen das hat, wird jedem spätestens dann klar, wenn er dieses aufschlussreiche und empfehlenswerte Buch gelesen hat.

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Rezension:Intimität und Verlangen: Sexuelle Leidenschaft wieder wecken (Gebundene Ausgabe)

Vor einigen Tagen habe ich das Buch mit dem Titel "Es war doch nur Sex!: Seitensprung - ein altes neues Verlangen" rezensiert. In besagtem Buch geht es um das Phänomen des Seitensprungs, der nicht selten dann auf der Tagesordnung steht, wenn in einer Kernbeziehung die sexuelle Leidenschaft eingeschlummert ist. Dr. David Schnarch, der Autor des vorliegenden Buches "Intimität und Verlangen", verdeutlicht wie man sexuelle Leidenschaftwieder erwecken kann.
Schnarch untergliedert sein Buch in vier Hauptteile:
1) Warum normale Menschen Probleme mit ihrem sexuellen Verlangen haben

2) Wie wir uns durch die Lösung von sexuellen Problemen gemeinsam entwickeln können

3) Lustlosigkeit vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Geschichte

4) Benutzen Sie Ihren Körper, programmieren Sie Ihr Gehirn neu und entwickeln Sie sich gemeinsam mit Ihrem Partner im Bett.

Der Klinische Psychologe und Sexualtherapeut Schnarch hat fünf Jahre an diesem Buch gearbeitet und hat zahlreiche Geschichten, wie jene von Brett und Connie, Doreen und Adam, Larry und Juanita etc. in seine theoretische Texte eingebunden, um diese besser begreifbarer zu machen.

Schnarch konstatiert, dass es stets einen Partner mit schwachen Verlangen gäbe und dieser immer den Sex kontrolliere. Das sexuelle Verlangen könne durch hormonelle, neurochemische und andere medizinisch-biologische Störungen geschwächt werden. Dabei verhalte es sich nicht selten so, dass die Beeinträchtigungen des sexuellen Verlangens oft weitaus mehr beinhalten als sexuelle Hemmungen, Mangel an Phantasie und Schwierigkeiten beim Initiieren sexueller Situationen, (vgl.: S.43).

Schnarch nennt die vier Antriebe von Liebe und sexuellem Verlangen, (siehe Seite 47 und 48):
1)Lust (Wollust- das Verlangen nach sexueller Befriedigung- animalische Geilheit)

2)Romantische Liebe (verliebt sein in einen bestimmten Partner)

3)Bindung (ein ruhiger, Sicherheit vermittelnder Einklang im Rahmen einer längerfristigen Partnerschaft, was die Entstehung einer Paarbindung, Monogamie, Elternschaft und das Akzeptieren von Verwandtschaftsbeziehungen einschließt.)

4) Die Entwicklung und Erhaltung des Selbstempfindens.

Unser Selbstempfinden ist ein zentraler Bestandteil unseres sexuellen Verlangens. Es prägt es sogar. Mehr noch als Testosteron, Oxytocin und Vasopressin spielt beim Ja zum Sex das "Selbst" eine entscheidende Rolle. Das wird sehr deutlich, wenn der Partner, dann wenn die Hormone zu tanzen beginnen, eine einzige herabwürdigende Äußerung tätigt. Dann ist sofort das beendet, was sich zuvor angebahnt hat, (vgl.: S.49).
Schnarch befasst sich in der Folge ausführlich mit unserem Selbst und verdeutlicht, weshalb die Entwicklung und Aufrechterhaltung eines starken Selbstempfindens so wichtig ist. Identitätsempfinden, Selbstwertgefühl und Sicherheit normaler Menschen werden stets von anderen Menschen beeinflusst, weil die meisten Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung nicht über das erste, gespiegelte Selbstempfinden hinausgekommen sind. Der Autor lässt nicht unerwähnt, dass viele Menschen nie ein besonders stabiles Selbstempfinden entwickeln und insofern ihr Leben lang von der psychischen Kraft abhängig bleiben, die Dritte auf sie übertragen, bzw. die sie von diesen ausborgen, (vgl.:S.71). Weiter konstatiert er, dass die meisten Menschen es auf sich selbst beziehen, wenn ihr Partner ein starkes oder schwaches Verlangen habe, dass hänge damit zusammen, dass wir uns bei einem sensiblen Thema wie Sex besonders häufig von einem gespiegelten positiven Selbstempfinden abhängig machten, (vgl.: S.71).

Wer ein stabiles Selbstempfinden entwickeln möchte (dies bedeutet den Zustand des Erwachsenseins zu erreichen), benötigt viel Zeit und auch Mühe. Es entsteht durch Selbstkonfrontation und zwar insbesondere dadurch, dass man sich selbst respektiert, (vgl.: S.72). Hat man ein gespiegeltes Selbstempfinden, sucht man pausenlos nach Hinweisen dahingehend, was der andere über uns denken und welche Gefühle man ihnen gegenüber hat. Die Gedanken und Meinungen unserer Mitmenschen sind dann für uns von elementarer Bedeutung, weil wir dann in deren Augen gut dastehen mögen.

Schnarch erklärt dem Leser, was es mit dem mentalen Spiegeln auf sich hat und weshalb Mentalisieren im Zentrum aller sozialen Interaktionen steht. Er hebt hervor:"Die Fähigkeit, den geistigen Zustand anderer zu manipulieren, um ihr Verhalten zu ändern, zeugt von sozialer Intelligenz", (Zitat: Seite 77). Mentalisieren beginnt bereits kurz nach der Geburt. Wie es dann weiter geht, erläutert der Autor gut nachvollziehbar und gelangt zu dem Ergebnis, dass dann, wenn Paare ein Problem mit dem sexuellen Verlangen haben, deren mentale Einfühlung ihre Funktion nicht mehr erfülle, (vgl.: S.82). Wichtig zu wissen ist, dass mentales Einfühlen niemals endet, doch es kann sich die Zielrichtung des mentalen Spiegels im Laufe der Entwicklung und Reifung der Beziehung ändern.

Einen wichtigen und zentralen Satz des Buches möchte ich an dieser Stelle zitieren und das Zitat nicht grundlos auch in die Kopfzeile einfügen, gewissermaßen als Merksatz: Menschen, die nicht in der Lage sind sich selbst zu kontrollieren, kontrollieren die Menschen in ihrer Umgebung. Wenn sie sich auf einen anderen Menschen verlassen, um in den Genuss eines gespiegelten Selbstempfindens zu kommen, versuchen sie immer, den anderen zu kontrollieren,"( Zitat: S.92).

Wie man bei sich bleibt, verdeutlicht Schnarch auf vielschichtige Weise und wem erst einmal klar ist, dass ein stabiles Selbst Freiheit, Autonomie, Entscheidungen und damit Selbstbestimmung möglich macht sowie Liebesbeziehungen eine tiefere Bedeutung verleiht, der wird bestrebt sein, ein solches Selbst zu kultivieren, anstelle ein gespiegeltes Selbstempfinden weiterhin sein Eigen nennen zu wollen.

Wer ein stabiles Gleichgewicht besitzen möchte, das in Beziehungen nicht unwichtig ist, benötigt neben einem stabilen und flexiblen Selbst u.a. die Fähigkeit sich selbst zu beruhigen, nicht über zu reagieren und auch eine sinnvolle Beharrlichkeit. Diese vier Aspekte der Balance übrigens entscheiden über den Verlauf unseres Lebens, (vgl.: S.106).

Schnarch thematisiert in der Folge emotionale Patt-Situationen in einer Beziehung und verdeutlicht, dass dann, wenn man diese als solche begriffen hat (inhaltlich werden die Pattsituationen sehr gut erklärt), die Chance besteht, sich gemeinsam mit dem Partner zu entwickeln. Ein hoher Entwicklungsgrad der vier Aspekte der Balance schließlich entscheidet über die Tiefe des Verlangens, die Intimität, die Sexualität und die Liebe, (vgl.: S.129).

Weshalb Intimität unser sexuelles Verlangen formt und sie zur zweitgrößten Falle in der Ehe werden kann, wird gut erläutert und auch erklärt, wieso Pattsituationen im Hinblick auf die Intimität das Verlangen schwächen. Wissen sollte man, dass Intimität und sexuelles Verlangen nicht zwingend miteinander verbunden sind, denn es gibt auch Menschen, die den Eindruck haben, dass Intimität ihr Verlangen mindere,(mehr dazu auf Seite 161).

Ein weiteres Thema ist die Monogamie, der Ehebruch und die menschliche Natur und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es gerade auch die Monogamie ist, die bei Paaren mit geringem Differenzierungsgrad schwaches Verlangen erzeugen. Gelingt es uns, das potentielle Martyrium der Monogamie in Freiheit zu verwandeln, dann werden die vier Aspekte der Balance und auch das Verlangen in uns gestärkt, (vgl.: S.191).

Das Verlangen verblasst, wenn wir uns aufhören zu entwickeln, so das Credo Dr. David Schnarchs. Sobald der Partner für uns zu wichtig wird, treten sexuelle Probleme ein. Nach seiner Meinung verhält es sich so, dass Paare, die sich darüber streiten, ob sie sexuell etwas Neues probieren möchten, in Wahrheit darüber streiten, ob sie einander etwas Neues offenbaren möchten, (vgl.S.214).

Zur Sprache gebracht wird Lustlosigkeit vor dem Hintergrund der persönlichen Geschichte. Auch weshalb es so wichtig ist, gewählt zu werden und es wird auch der Frage nachgegangen, was es eigentlich bedeutet, gewollt zu werden, wenn wir es stattdessen aber benötigten, gebraucht zu werden. Der Autor verdeutlicht, dass unser Wollen uns wachsen lässt. Weniger differenzierte Menschen möchten nicht wollen, sondern gewollt werden, (vgl.: S.245). Sofern wir uns gestatten zu wollen, mobilisieren wir uns und lassen uns im gewissen Sinne verlangend vorantreiben.

Der Sexualtherapeut befasst sich auch mit normalem ehelichen Sadismus, bei dem es darum geht, den Partner bezüglich seines sexuellen Verlangens zu foltern. Nicht selten sind Menschen gerade dann sadistisch, sofern sie versuchen, sich einem Entscheidungsdilemma zu entziehen, (vgl.:S.271).

Thematisiert wird des Weiteren, wie sich Sachverhalte in einer Beziehung verändern lassen, weshalb Bindungen, bei denen es primär um Sicherheit geht, das sexuelle Verlangen abtöten und was man tun kann, um ein unangenehmes Empfinden von Berührungen zu heilen.

Sehr gut geht der Autor auf die Praktiken von sanftem und liebevollem Sex ein, welche implizieren, sich halten zu lassen und mittels Sex mit offenen Augen zum Partner in eine starke Verbindung zu treten, (vgl. S.393). Wer mit seinem Partner intensiven Sex haben möchte, kann das nur unter bestimmten Bedingungen, die der Autor im letzten Kapitel des Buches näher beschreibt. Bemerkenswert finde ich übrigens folgenden Satz, den ich zum Ende meine Rezension jetzt zitieren möchte und der gewiss Intellektuelle aufhorchen lässt: "Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Körper und Geist mit dem Körper und Geist ihres Partners in Einklang zu bringen, könnte dies zur Weiterentwicklung ihres Gehirns beitragen." Diesbezüglich wünsche ich viel Erfolg.:-))
Empfehlenswert.

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Rezension:Es war doch nur Sex!: Seitensprung - ein altes neues Verlangen (Taschenbuch)

Die Paartherapeutin Andrea Bräu setzt sich in diesem Buch sehr differenziert mit dem Seitensprung auseinander, der bekanntermaßen gemeinsam mit dem Begriff "Fremdgehen" den Oberbegriff für Bezeichnungen wie etwa, Affäre oder Außenbeziehung darstellt. Dabei handelt es sich stets um ein sexuelles Erlebnis mit einem Partner außerhalb der Kernbeziehung. In der Folge beschreibt die Autorin den One-Night-Stand, die Affäre, die Beziehung, die Partnerschaft, die Dreiecks-Beziehung als Außenbeziehung und die Vierecksbeziehung näher, bevor sie sich mit dem Seitensprung in früheren Zeiten auseinandersetzt.


Gefreut habe ich mich, dass Bräu die Rede des Aristophanes im Gastmahl erwähnt. Platon berichtet dort von den sagenhaften Kugelmenschen, die man einst entzwei schnitt und die sich seither voller Sehnsucht suchen. Sie Sehnsucht nach der Vereinigung und Eins-Sein der richtigen beiden Teile ist möglicherweise die Grundbedingung für das Bedürfnis nach körperlicher Liebe und vielleicht auch ein Grund für einen Seitensprung, weil das Kugelmenschideal in der Regel mit keinem Partner wirklich zu erreichen ist, sondern als immerwährende Hoffnung durch den Kopf geistert. Bei der Nächsten/dem Nächsten funktioniert die "Verstöpselung" gewiss 100%ig, so das Credo der typischen Seitenspringer nach meiner Interpretation.:-)). Die Paartherapeutin allerdings wartet mit vielen anderen Gründen auf, wieso man fremdgeht. Nach meiner Ansicht basieren alle Gründe auf diesem einen der optimalen "Verstöpselung", wie sie m.E. in dem Roman "Salz auf unserer Haut" brillant beschrieben worden ist.


Man liest vom Ehebruch im Römischen Reich und auch im Mittelalter, dem höfischen Ideal der Minne, auch dem Kontrollinstrument des Keuschheitsgürtels, den Verhaltensmustern der Neuzeit und den Jahrhunderten bis zur Emanzipation, durch die sich die gängigen Normen veränderten. War früher der Seitensprung ein moralisches Problem, ist er heute ein eher seelisches. Diskutiert werden nun primär Verletzung, Trauer, Wut und Angst und diesbezüglich wird nicht selten therapeutische Hilfe in Anspruch genommen, (vgl.: S.38).

Die Geschichte des Seitensprungs zeigt sich zunehmend als Entwicklungsprozess, je intensiver der Mensch sich individualisiert und dabei in den Vordergrund gerückt hat, um so stärker ist sein Sexualleben davon betroffen und entsprechend mit einbezogen. Die Statistiken zeigen, dass der Seitensprung ein Phänomen unserer Gesellschaft darstellt, so die Autorin. Sie vermutet, dass dies möglicherweise mit den Veränderungen an der Struktur unserer Bedürfnisse zusammenhängt, an den Veränderungen in den Bereichen Körper, Geist und Seele und deren Wechselwirkung, (vgl.: S.41). Das halte ich auch für denkbar.

Bräu versucht auszuloten, welche Gründe es sind, die zum Seitensprung führen, thematisiert in diesem Zusammenhang den Konflikt zwischen Bindung und Unabhängigkeit, auch den Leidensdruck bei länger andauernden Außenbeziehungen, die unterschiedliche Libido, den Wunsch Versäumtes nachzuholen und anders mehr. Bemerkenswert finde ich ihre Gedanken zum Thema Nähe und Balance und auch die Gedanken im Hinblick auf die Unzufriedenheit in einer bestehenden Kernbeziehung, die nach einem Ausgleich des Defizits sucht. Ihrer Meinung nach mündet geistige, seelische oder körperliche Unzufriedenheit fast immer in sexueller Unzufriedenheit und die Folge davon ist das sich Öffnen für Seitensprünge. Die Therapeutin wartet immer wieder mit Beispielen aus ihrer Praxis auf und verdeutlicht, dass Sexualität ein Spiegel der Seele, vielleicht der klarste überhaupt ist, (vgl.: S.66-73).

Der Treue und Untreue wird ein Kapitel gewidmet und es kommt hier auch die Sprache auf die Treue zu sich selbst. Die Autorin bezweifelt aufgrund ihrer Berufserfahrung, dass man bei einer Affäre Körper von Seele und Geist trennen und ausschließlich sexuell untreu sein kann. In diesem Punkt habe ich große Zweifel. Ich bin überzeugt, dass insbesondere Männer, dazu in der Lage sind, wenn auch nicht alle.

Der Seitensprung im Internet bleibt im Buch nicht ausgespart und es wird auch thematisiert, wer in Seitensprungportalen zu finden ist. Die Autorin hat aufschlussreiche Interviews mit Besuchern von solchen Portalen gemacht, die man ab S. 126 im Buch nachlesen kann.

Bräu versucht aufzuschlüsseln, was eine gute Beziehung ausmacht und was man tun sollte, um eine solche langfristig zu haben. Dass Kommunikation der Dreh- und Angelpunkt einer guten Beziehung ist, dürfte klar sein und dass ohne gegenseitige Wertschätzung früher oder später das Aus der Beziehung droht, ohnehin.

Die Therapeutin veranschaulicht auch, was sie in ihren Paartherapien unternimmt, wenn die Außenbeziehungen nicht mehr verheimlicht werden können und die Kernbeziehung zu enden droht.

Alles in allem ein nicht uninteressantes Buch. Ob eine gelungene Partnerschaft immer dazu beträgt, einen Seitensprung zu verhindern, sei dahingestellt. Wenn ein in einer gelungen Beziehung lebender Mann mit einer ebenfalls in einer gelungenen Beziehungen lebenden Frau vier Wochen unbeobachtet in einen Raum eingesperrt werden und diese beiden Personen sich auf Anhieb mögen, bin ich mir sicher, dass sie miteinander Sex haben werden, trotz aller ernstgemeinten Treueschwüre ihren Partnern gegenüber, oder irre ich mich da? Wie monogam sind wir wirklich?

Ein Buch, das ich gerne empfehle.


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