Vor einigen Tagen habe ich das Buch mit dem Titel
"Es war doch nur Sex!: Seitensprung - ein altes neues Verlangen" rezensiert. In besagtem Buch geht es um das Phänomen des Seitensprungs, der nicht selten dann auf der Tagesordnung steht, wenn in einer Kernbeziehung die sexuelle Leidenschaft eingeschlummert ist. Dr. David Schnarch, der Autor des vorliegenden Buches "Intimität und Verlangen", verdeutlicht wie man sexuelle Leidenschaftwieder erwecken kann.
Schnarch untergliedert sein Buch in vier Hauptteile:
1) Warum normale Menschen Probleme mit ihrem sexuellen Verlangen haben
2) Wie wir uns durch die Lösung von sexuellen Problemen gemeinsam entwickeln können
3) Lustlosigkeit vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Geschichte
4) Benutzen Sie Ihren Körper, programmieren Sie Ihr Gehirn neu und entwickeln Sie sich gemeinsam mit Ihrem Partner im Bett.
Der Klinische Psychologe und Sexualtherapeut Schnarch hat fünf Jahre an diesem Buch gearbeitet und hat zahlreiche Geschichten, wie jene von Brett und Connie, Doreen und Adam, Larry und Juanita etc. in seine theoretische Texte eingebunden, um diese besser begreifbarer zu machen.
Schnarch konstatiert, dass es stets einen Partner mit schwachen Verlangen gäbe und dieser immer den Sex kontrolliere. Das sexuelle Verlangen könne durch hormonelle, neurochemische und andere medizinisch-biologische Störungen geschwächt werden. Dabei verhalte es sich nicht selten so, dass die Beeinträchtigungen des sexuellen Verlangens oft weitaus mehr beinhalten als sexuelle Hemmungen, Mangel an Phantasie und Schwierigkeiten beim Initiieren sexueller Situationen, (vgl.: S.43).
Schnarch nennt die vier Antriebe von Liebe und sexuellem Verlangen, (siehe Seite 47 und 48):
1)Lust (Wollust- das Verlangen nach sexueller Befriedigung- animalische Geilheit)
2)Romantische Liebe (verliebt sein in einen bestimmten Partner)
3)Bindung (ein ruhiger, Sicherheit vermittelnder Einklang im Rahmen einer längerfristigen Partnerschaft, was die Entstehung einer Paarbindung, Monogamie, Elternschaft und das Akzeptieren von Verwandtschaftsbeziehungen einschließt.)
4) Die Entwicklung und Erhaltung des Selbstempfindens.
Unser Selbstempfinden ist ein zentraler Bestandteil unseres sexuellen Verlangens. Es prägt es sogar. Mehr noch als Testosteron, Oxytocin und Vasopressin spielt beim Ja zum Sex das "Selbst" eine entscheidende Rolle. Das wird sehr deutlich, wenn der Partner, dann wenn die Hormone zu tanzen beginnen, eine einzige herabwürdigende Äußerung tätigt. Dann ist sofort das beendet, was sich zuvor angebahnt hat, (vgl.: S.49).
Schnarch befasst sich in der Folge ausführlich mit unserem Selbst und verdeutlicht, weshalb die Entwicklung und Aufrechterhaltung eines starken Selbstempfindens so wichtig ist. Identitätsempfinden, Selbstwertgefühl und Sicherheit normaler Menschen werden stets von anderen Menschen beeinflusst, weil die meisten Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung nicht über das erste, gespiegelte Selbstempfinden hinausgekommen sind. Der Autor lässt nicht unerwähnt, dass viele Menschen nie ein besonders stabiles Selbstempfinden entwickeln und insofern ihr Leben lang von der psychischen Kraft abhängig bleiben, die Dritte auf sie übertragen, bzw. die sie von diesen ausborgen, (vgl.:S.71). Weiter konstatiert er, dass die meisten Menschen es auf sich selbst beziehen, wenn ihr Partner ein starkes oder schwaches Verlangen habe, dass hänge damit zusammen, dass wir uns bei einem sensiblen Thema wie Sex besonders häufig von einem gespiegelten positiven Selbstempfinden abhängig machten, (vgl.: S.71).
Wer ein stabiles Selbstempfinden entwickeln möchte (dies bedeutet den Zustand des Erwachsenseins zu erreichen), benötigt viel Zeit und auch Mühe. Es entsteht durch Selbstkonfrontation und zwar insbesondere dadurch, dass man sich selbst respektiert, (vgl.: S.72). Hat man ein gespiegeltes Selbstempfinden, sucht man pausenlos nach Hinweisen dahingehend, was der andere über uns denken und welche Gefühle man ihnen gegenüber hat. Die Gedanken und Meinungen unserer Mitmenschen sind dann für uns von elementarer Bedeutung, weil wir dann in deren Augen gut dastehen mögen.
Schnarch erklärt dem Leser, was es mit dem mentalen Spiegeln auf sich hat und weshalb Mentalisieren im Zentrum aller sozialen Interaktionen steht. Er hebt hervor:"Die Fähigkeit, den geistigen Zustand anderer zu manipulieren, um ihr Verhalten zu ändern, zeugt von sozialer Intelligenz", (Zitat: Seite 77). Mentalisieren beginnt bereits kurz nach der Geburt. Wie es dann weiter geht, erläutert der Autor gut nachvollziehbar und gelangt zu dem Ergebnis, dass dann, wenn Paare ein Problem mit dem sexuellen Verlangen haben, deren mentale Einfühlung ihre Funktion nicht mehr erfülle, (vgl.: S.82). Wichtig zu wissen ist, dass mentales Einfühlen niemals endet, doch es kann sich die Zielrichtung des mentalen Spiegels im Laufe der Entwicklung und Reifung der Beziehung ändern.
Einen wichtigen und zentralen Satz des Buches möchte ich an dieser Stelle zitieren und das Zitat nicht grundlos auch in die Kopfzeile einfügen, gewissermaßen als Merksatz: Menschen, die nicht in der Lage sind sich selbst zu kontrollieren, kontrollieren die Menschen in ihrer Umgebung. Wenn sie sich auf einen anderen Menschen verlassen, um in den Genuss eines gespiegelten Selbstempfindens zu kommen, versuchen sie immer, den anderen zu kontrollieren,"( Zitat: S.92).
Wie man bei sich bleibt, verdeutlicht Schnarch auf vielschichtige Weise und wem erst einmal klar ist, dass ein stabiles Selbst Freiheit, Autonomie, Entscheidungen und damit Selbstbestimmung möglich macht sowie Liebesbeziehungen eine tiefere Bedeutung verleiht, der wird bestrebt sein, ein solches Selbst zu kultivieren, anstelle ein gespiegeltes Selbstempfinden weiterhin sein Eigen nennen zu wollen.
Wer ein stabiles Gleichgewicht besitzen möchte, das in Beziehungen nicht unwichtig ist, benötigt neben einem stabilen und flexiblen Selbst u.a. die Fähigkeit sich selbst zu beruhigen, nicht über zu reagieren und auch eine sinnvolle Beharrlichkeit. Diese vier Aspekte der Balance übrigens entscheiden über den Verlauf unseres Lebens, (vgl.: S.106).
Schnarch thematisiert in der Folge emotionale Patt-Situationen in einer Beziehung und verdeutlicht, dass dann, wenn man diese als solche begriffen hat (inhaltlich werden die Pattsituationen sehr gut erklärt), die Chance besteht, sich gemeinsam mit dem Partner zu entwickeln. Ein hoher Entwicklungsgrad der vier Aspekte der Balance schließlich entscheidet über die Tiefe des Verlangens, die Intimität, die Sexualität und die Liebe, (vgl.: S.129).
Weshalb Intimität unser sexuelles Verlangen formt und sie zur zweitgrößten Falle in der Ehe werden kann, wird gut erläutert und auch erklärt, wieso Pattsituationen im Hinblick auf die Intimität das Verlangen schwächen. Wissen sollte man, dass Intimität und sexuelles Verlangen nicht zwingend miteinander verbunden sind, denn es gibt auch Menschen, die den Eindruck haben, dass Intimität ihr Verlangen mindere,(mehr dazu auf Seite 161).
Ein weiteres Thema ist die Monogamie, der Ehebruch und die menschliche Natur und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es gerade auch die Monogamie ist, die bei Paaren mit geringem Differenzierungsgrad schwaches Verlangen erzeugen. Gelingt es uns, das potentielle Martyrium der Monogamie in Freiheit zu verwandeln, dann werden die vier Aspekte der Balance und auch das Verlangen in uns gestärkt, (vgl.: S.191).
Das Verlangen verblasst, wenn wir uns aufhören zu entwickeln, so das Credo Dr. David Schnarchs. Sobald der Partner für uns zu wichtig wird, treten sexuelle Probleme ein. Nach seiner Meinung verhält es sich so, dass Paare, die sich darüber streiten, ob sie sexuell etwas Neues probieren möchten, in Wahrheit darüber streiten, ob sie einander etwas Neues offenbaren möchten, (vgl.S.214).
Zur Sprache gebracht wird Lustlosigkeit vor dem Hintergrund der persönlichen Geschichte. Auch weshalb es so wichtig ist, gewählt zu werden und es wird auch der Frage nachgegangen, was es eigentlich bedeutet, gewollt zu werden, wenn wir es stattdessen aber benötigten, gebraucht zu werden. Der Autor verdeutlicht, dass unser Wollen uns wachsen lässt. Weniger differenzierte Menschen möchten nicht wollen, sondern gewollt werden, (vgl.: S.245). Sofern wir uns gestatten zu wollen, mobilisieren wir uns und lassen uns im gewissen Sinne verlangend vorantreiben.
Der Sexualtherapeut befasst sich auch mit normalem ehelichen Sadismus, bei dem es darum geht, den Partner bezüglich seines sexuellen Verlangens zu foltern. Nicht selten sind Menschen gerade dann sadistisch, sofern sie versuchen, sich einem Entscheidungsdilemma zu entziehen, (vgl.:S.271).
Thematisiert wird des Weiteren, wie sich Sachverhalte in einer Beziehung verändern lassen, weshalb Bindungen, bei denen es primär um Sicherheit geht, das sexuelle Verlangen abtöten und was man tun kann, um ein unangenehmes Empfinden von Berührungen zu heilen.
Sehr gut geht der Autor auf die Praktiken von sanftem und liebevollem Sex ein, welche implizieren, sich halten zu lassen und mittels Sex mit offenen Augen zum Partner in eine starke Verbindung zu treten, (vgl. S.393). Wer mit seinem Partner intensiven Sex haben möchte, kann das nur unter bestimmten Bedingungen, die der Autor im letzten Kapitel des Buches näher beschreibt. Bemerkenswert finde ich übrigens folgenden Satz, den ich zum Ende meine Rezension jetzt zitieren möchte und der gewiss Intellektuelle aufhorchen lässt: "Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Körper und Geist mit dem Körper und Geist ihres Partners in Einklang zu bringen, könnte dies zur Weiterentwicklung ihres Gehirns beitragen." Diesbezüglich wünsche ich viel Erfolg.:-))
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