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Rezension: Die Kunst des Miteinander-Redens- Über den Dialog in Gesellschaft und Politik- Bernhard Pörksen/Friedemann Schulz von Thun



Zu den Autoren:

#Bernhard_Pörksen ist Professor für Medienwissenschaften an der Universität Tübingen. Er hat sich einen Namen gemacht durch seine Arbeiten zur Skandalforschung aber auch durch seine Bücher mit dem Kybernetiker Heinz von Foerster und mit dem Psychologen Friedemann von Thun. 

#Friedemann_Schulz_von_Thun war bis 2009 als Professor für Psychologie an der Universität in Hamburg tätig. Seine Trilogie "Miteinander-Reden" gilt als Standardwerk und entfaltet die Kommunikationsmodelle, so etwa das Kommunikationsquadrat, das Innere Team wie auch das Wertequadrat. Er leitet das Schulz von Thun-Institut für Kommunikation und ist als Berater und Trainer tätig. 

Bernhard Pörksen schreibt im Vorwort über den kommunikativen Klimawandel und fragt gleich eingangs, wo die Ursachen für die große Gereiztheit, für die Sofort-Eskalation öffentlicher Debatten, für den Hass und die Wut liegen, die das Kommunikationsklima der Gegenwart zu ruinieren drohen. Selbst ein pöbelnder Populist könne das Klima nicht im Alleingang ändern, sondern profitiere von einer radikal veränderten Medienwelt. 

So seien von 1970 bis 2016 in den USA 500 Zeitungen eingestellt worden, andere hätten ihre Berichterstattung zurückgefahren, Redaktionen hätten fusioniert, Mitarbeiter seien entlassen worden oder man habe sich von der gedruckten Ausgabe ganz verabschiedet. 

Das Kernproblem bestehe darin, dass sich publizistische Qualität immer schwieriger finanzieren lasse. Auf diese Weise hätten sich die Macht- und Einflussverhältnisse zu Lasten eines qualifizierten, rechercheintensiven Journalismus verändert. Seither geht es um Quote und Klicks, seither sei das Miteinander-Reden zum Aufeinander-Einbrüllen verkommen. 

Misstrauen gegenüber den Medien, von denen man annehme, Ursache und Treiber des kommunikativen Klimawandels zu sein, hätten zu einer medienverdrossenen Gegenöffentlichkeit geführt. 

Man erfährt, wie gegenwärtig die Grammatik der Kommunikation umgeschrieben wird, wie durch Twitter, Facebook, YouTube, Instagram etc. sich die Symbole ändern, mit denen wir uns austauschen, aber auch die Inhalte, über die wir sprechen; und das Wesen von Gemeinschaften, d.h. die Arena, in der sich Gedanken und Debatten überhaupt entfalten könnten. 

An die Stelle der Mediendemokratie alten Typs, die sich um klar identifizierbare, publizistische Machtzentren gruppierte, sei allmählich die Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters getreten. In leicht zugänglichen Ad-hoc-Gemeinschaften mit stark individualistischer Note, die sich um ein #Hashtag gruppierten und digital vernetzt kommunizierten, werde entschieden, was als relevant zu gelten hat. Relevant sei, was interessiert. Auf diese Weise würden der Hype und das Spektakel immer dominanter. 

Dazu kommt, dass das Netzmedium der allgemeinen Bestätigungssehnsucht der Menschen sehr weit entgegen komme und die Stabilisierung marginalisierter Positionen erlaube. So entstünden Mehrheitsillusionen und schwinde die regulative Macht sozialer Tabus.  So würden sich die Grenzen des Sagbaren verschieben. Trotz sogenannter #Filterblasen sei #Filterclash nicht zu vermeiden, d. h. das Aufeinanderprallen von Parallelöffentlichkeiten und Selbstbestätigungsmilieus.

Es sei die unerträgliche Gleichzeitigkeit des Seins, die heute auf einem einzigen Kommunikationskanal erlebbar sei, der Schock des Unvereinbaren, der den Dissonanzkoller produziere, ein Bewusstsein für Ungleichheit und Ungerechtigkeit erzeuge und durch die Sofort-Konfrontation mit radikaler Unterschiedlichkeit große Gereiztheit forciere. 

Es entstünde Sehnsucht nach Stille, die Sehnsuchtsmagazine und entsprechende Bücher für sich nutzbar machten und die auch in der Entspannungssehnsucht durch Wellness und Spiritualität zum Ausdruck komme. 

#Achtsamkeit sei ein großes Thema geworden, die als Bemühen um eine zivilisierte Achtsamkeit zur Dauermoralisierung der Kommunikationsverhältnisse geführt und eine beklemmende, humorfreie Hypersensibilität befördert habe, bei gleichzeitiger verbaler Aggression. 

Das Buch ist in folgende Abschnitte untergliedert: 
Dynamik und Polarisierung 
Möglichkeit und Grenzen des Dialogs 
Transparenz und Skandal 
Desinformation und Manipulation 

Es befasst sich in Dialogform zunächst mit dem Versuch, die Dynamik und Mechanik polarisierender Kommunikation zu beschreiben. Es folgt dann im zweiten Kapitel, eine teilweise kontroverse Auseinandersetzung mit der Frage, ob man in einer konkreten Situation und im von strategischen Überlegungen verminten Feld des öffentlichen- mit jedem reden können und mit jedem reden solle. Im dritten Kapitel dann werden die Folgen einer neuen Sichtbarkeit debattiert und zwar unter den aktuellen Medienbedingungen. Es geht darum, auszuloten, wie sich im Spannungsfeld von Wirkungskalkül und Offenheit das richtige Maß von Authentizität und professioneller Effektivität finden lässt. Im vierten Kapitel schließlich wird mittels paradigmatischer Beispiele beschrieben wie Deutungen und Meinungen in einer hochgradigen vernetzen Welt entstehen. 

Den beiden Autoren gelingt es, Auswege aus der Polarisierungsfalle aufzuzeigen und eine Ethik des Miteinanders zu entwerfen, die Empathie und Wertschätzung mit der Bereitschaft zum Streit und zur klärenden Konfrontation sinnstiftend verbindet. Damit wird das Werk zu einem klugen Ratgeber für alle, die Demokratie am Leben erhalten möchte und zwar mittels Kontroverse und Kompromiss. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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