Dr. Dr. Hans-Otto Thomashoff zeigt in seinem Buch, was man unter Aggression zu verstehen hat, wie sie sich entwickelt und wie man der Aggressionsspirale entkommt.
Der Autor unterstreicht gleich zu Beginn, dass Aggression überall vorhanden ist, dass sie jeden von uns betrifft und dass sie jeder hat.
Aggression ist jene dem Menschen innewohnende Disposition und Energie, die sich ursprünglich in Aktivität und später in den verschiedenen individuellen und kollektiven, sozial gelernten und sozial vermittelten Formen von Selbstbehauptung bis zur Grausamkeit ausdrückt. Aggression leitet sich vom lateinischen aggredior -aggredi ab und heißt ursprünglich herangehen (im Sinne von Annäherung), angreifen (im Sinne von Berühren, aus dem später Begreifen wird.) Erst in neuerer Zeit ist Aggression als manifestes oder latentes Angriffsverhalten bekannt und hin und wieder von Aggressivität als feindseliger Eigenschaft oder Einstellung unterschieden worden (vgl.: Hacker, F . Aggression, S.80)
Generell kann Aggression sowohl konstruktiv als auch destruktiv sein. Destruktive Aggression entsteht aus Frustration und Stress.
Der Autor verdeutlicht, dass bereits das vorgeburtliche Erleben in unserer Hirnstruktur gespeichert wird und Stress vor und während der Geburt zeitlebens zu einem höheren Aggressionspotential führt.
Die Entwicklungspsychologie macht deutlich, dass ein Kind auf Frustration mit Aggression auf der Basis seiner schon bei Geburt bestehenden Hirnstruktur reagiert und die Mutter dem Kind dabei hilft, seine Aggression auszuhalten und zu nutzen. Ziel ist das Erleben, etwas bewirken zu können.
Der Autor resümiert, dass Wirkmächtigkeit das zentrale Bedürfnis unserer Psyche ist.
Aggression dient der Entfaltung der Psyche. Thomashoff folgert, dass Aggression damit eigentlich konstruktiv und nicht destruktiv ist. Ausschlaggebend sind die frühen Beziehungen. Sie nämlich prägen den Umgang mit der Aggression. Bereits im sechsten Lebensjahr ist das Aggressionspotential weitgehend aufgebaut. Ausschlaggebend sind Stress und die Qualität der frühen Beziehungen. "Das Wutpotenzial als Kraft zu Frustationsüberwindung und zur Bestätigung der eigenen Wirkmächtigkeit wird auf der Basis dieser frühen Beziehung gestaltet." ( S.101)
Interessant sind so genannte Bindungsmuster. Diese werden von Generation zu Generation weitergegeben und in diesem Zusammenhang auch aggressives Verhalten, insbesondere destruktive Aggression.
Aggression ist nach Ansicht des Autors kein Trieb, sondern stets nur eine Reaktion auf (reale oder phantasierte) Frustration. Thomasshoff begründet diese Sicht sehr gut nachvollziehbar.
Interessant ist, dass das Verhaltensmuster der frühen Kindheit in gespaltenen Wertungen zu denken uns zeitlebens latent erhalten bleibt und Gruppen aus ganz bestimmten Gründen, die näher erläutert werden, diese gespaltene Weltsicht haben. Offensichtlich ist in Gruppen unsere Weltsicht überfordert, weil es zu viele andere gibt. Dies ist der Grund, weshalb es in Gruppen zu vereinfachendem und gespaltenem Denken kommt, man sich dort immer einen Anführer wünscht, der Sicherheit geben soll und außerdem leichte Reizbarkeit vorherrscht. Individualistische Regungen sind der Gruppe suspekt. Die Gründe für diese Phänomen nennt der Autor. Gezeigt wird wie in Gruppen Eskalationen geradezu vorprogrammiert sind und Gruppen letztlich immerfort Gegner brauchen. In Gruppen kommt es stets zu Spaltungstendenzen. Ein Teil der Gruppe schart sich um den Anführer, unterwirft sich diesem idealisierten Anführer gar, der den Kampf gegen das geortete Böse verspricht. Das selbstständige Denken der einzelnen Gruppenmitglieder wird verunsichert.
"Die emotionale Reizüberflutung innerhalb der Gruppe bildet einen Stressfaktor, der sekundär zu erhöhter Reizbarkeit und Gereiztheit führt." (S.119). Auf diese Weise wird die eigene Aggression geweckt und anderen Gruppenmitglieder zugeschrieben. Hierdurch kommt ein fataler Kreislauf in Gang: "Jeder schiebt dem anderen seine Aggression zu und bestätigt sich damit unweigerlich die Wahrnehmung, dass der andere aggressiv sei (was wiederum die eigene Gereiztheit anfacht)." (S 119)
Wenn das Weltbild eines Anführers selbst von Spaltungen geprägt ist, kann es zu fatalen Entgleisungen der Gruppe kommen, weil sich dann die Gruppenaggression massiv zuspitzt.
Sofern eine solche Person während der psychischen Entwicklung wiederholt traumatisiert worden ist, zugleich über eine besondere Begabung (real oder phantasiert) verfügt, so kann eine verfestigte Spaltung dazu führen, dass sie alles Gute sich selbst und alles Schlechte der Welt das draußen zuschreibt.
"Jede tiefere Beziehung scheitert an der Unfähigkeit, sich in andere einzufühlen, an überzogener Kränkbarkeit und abweisender Arroganz. Entweder der andere ist Teil der eigenen Größe, oder er ist Luft." (S.122)
Gefährlich wird es für Massen, wenn der Anführer für Feindbilder empfänglich ist, weil sich in aggressiv aufgeladenen Massen die Gruppendynamiken verstärken und Terror zur Folge haben können. Die als anders Entwerteten werden für jeden sichtbar stigmatisiert und systematisch in die Vernichtung getrieben.
Man erfährt, dass Stress bereits in den Genen seinen Anfang nimmt und Stresshormone direkt im Gehirn wirken und unser Denken dauerhaft verändern.
Stress kann bekämpft werden durch positive zwischenmenschliche Beziehungen.
Generell lässt sich das Aggressionspotential durch Vermeidung von exzessivem Stress verhindern.
Man kann lernen mit Aggression umzugehen und destruktive in konstruktive Aggression umzuwandeln. Wie das funktioniert erklärt der Autor gut nachvollziehbar.
Erklärt werden auch die Ursachen für pathologische Aggression. Nicht selten werden Traumen (sie führen zu Extremstress) über Generationen hinweg in ewigen Opfer-Täter-Ketten weitergereicht, wenn es nicht zu einer Unterbrechung dieses Kreislauf kommt.
Der Zusammenhang zwischen Trauma, Aggression und Depression wird im Buch deutlich geschildert.
Bleibt festzuhalten, dass ein zufriedener Mensch nicht gewalttätig ist.
Mittels verschiedener Strategien, wie etwa Aggressionen konstruktiv zu nutzen, Gewöhnungen zu meiden , Spaltungen vorzubeugen und zu überwinden, Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen, prosoziales Verhalten zu belohnen und vieles andere mehr ist es möglich, der Aggressionsspirale zu entkommen. Wir alle sind gefordert.
Dr. Dr. Thomashoff leistet einen erhellenden Beitrag dazu.
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