Der Autor dieses wirklich lesenswerten Buches ist der Philosoph Byung-Chul Han. Er lehrt Kulturwissenschaften an der Universität der Künste in Berlin. Im S. Fischer Verlag sind zuletzt erschienen: "Die Errettung des Schönen" (2015) sowie "Psychopolitik Neoliberalismus und die neuen Machttechniken." (2014)
Byung- Chul Hans neuer Essay ist in 12 Kapitel untergliedert und beginnt mit Reflektionen zum Terror des Gleichen. Hier macht der Autor zunächst deutlich, dass die Zeit, in der es den Anderen gab, vorbei sei. Das Krebsgeschwür des Gleichen bewirke die pathologischen Veränderungen, die den Sozialkörper befallen. Krank werde dieser nicht durch Entzug und Verbot, stattdessen durch Überkommunikation und Überkonsumtion.
Es sei keineswegs die Verdrängung und Negation, sondern vielmehr Permissivität und Affirmation, die krank, konkret depressiv mache. Die Austreibung des Anderen habe Selbstzerstörung zur Folge. Der Autor weist auf die Dialektik der Gewalt hin und hält den Merksatz fest:
"Ein System, das die Negativität des Anderen ablehnt, entwickelt autodestruktive Züge."
Dabei muss man wissen, dass der Terror des Gleichen mittlerweile alle Lebensbereiche erfasst. Dadurch ist es unmöglich, Erfahrungen zu sammeln und zu Erkenntnissen zu gelangen. Stattdessen häuft man bloß Infos und Daten an, erlangt jedoch kein Wissen.
Durch die digitale Totalvernetzung und Totalkommunikation werde die Begegnung mit dem anderen keineswegs erleichtert.
Gewollt stattdessen sei, dass man am Fremden das Gleiche fände und sich damit der Erfahrungshorizont immer mehr einschränke. Durch die digitale Abstandlosigkeit würden alle Spielformen von Nähe und Ferne aufgehoben. Dadurch sei alles gleich nah und gleich fern. Dem kann man nur zustimmen.
Wie der Autor im Folgeabschnitt "Gewalt des Globalen und Terrorismus" bekundet, wohne der Globalisierung eine Gewalt inne, die alles austauschbar und vergleichbar mache. Genau dadurch werde alles gleich gemacht. Totales Vergleichen führe zur totalen Sinnentleerung.
Byung-Chul Han macht begreifbar, dass es letztlich der Terror des Globalen selbst sei, der den Terrorismus hervorbringe. Genau so ist es. Dass der Neoliberalismus massive Ungerechtigkeit auf der globalen Ebene erzeugt, ist ebenfalls eine Tatsache. Die Masse sei verunsichert, reagiere mit Angst vor der eigenen Zukunft und in der Folge mit Fremdenfeindlichkeit. Nicht nur Fremdenhass, sondern auch Selbsthass seien Folgen dieser Verunsicherung. Ich stimme Han auch darin zu, dass soziale Unsicherheiten, gepaart mit Hoffnungs-und Perspektivlosigkeit den Boden nicht nur für Fremdenfeindlichkeit, sondern auch für terroristische Kräfte bilden und insofern der islamische Terrorist und der völkische Nationalist verschwistert sind.
Die Gewalt des Globalen führt zu Toten und Flüchtlingen und zwar wie bei einem Weltkrieg. Dabei ist der Frieden, den der Handelsgeist erzwinge, räumlich begrenzt. Insofern handelt es sich um einen Scheinfrieden; Grund: Der Handelsgeist besitzt nur einen rechnenden Verstand, aber keine Vernunft. So mangelt es auch ihm auch an echter Freundlichkeit, einer Eigenschaft, die in den Augen des Autors Freiheit bedeutet und die einen Anderen notwendig macht.
Byung-Chul Han unterstreicht, dass der Zivilisationsgrad einer Gesellschaft sich an ihrer Gastfreundschaft, die viel mit Freundlichkeit zu tun hat, misst. Versöhnung bedeute auch Freundlichkeit.
Seite für Seite vertieft sich Byung-Chul-Han in den komplexen Gedanken der Austreibung des Anderen, schreibt auch über den Terror der Authentizität, der das Ich dazu zwinge, sich selbst zu produzieren und als Ware anzubieten.
Seite für Seite vertieft sich Byung-Chul-Han in den komplexen Gedanken der Austreibung des Anderen, schreibt auch über den Terror der Authentizität, der das Ich dazu zwinge, sich selbst zu produzieren und als Ware anzubieten.
Leider löst das Bemühen um Authentizität den permanenten Vergleich mit anderen aus und lässt schließlich das Anderssein in Gleichsein umschlagen. Der Imperativ der Authentizität bringe narzisstischen Zwang hervor und damit etwas Pathologisches.
Der Andere werde so lange umgebogen, bis sich das Ego darin wiedererkenne. Schlussendlich verschwimmt und verschwände der Andere gänzlich und es entstehe aufgrund des narzisstischen Selbstbezugs ein Gefühl der Leere. Das Gefühl der Leere sei typisch für Depression und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Ein stabiles Selbst, das das Gefühl der Leere verhindere, benötige den Anderen, just den, der im Neoliberalismus vernichtet wird.
Es führt zu weit, auf alle Punkte des Buches einzugehen. Wichtig zu wissen, dass der Neoliberalismus Menschen vereinzelt. Dies führt zur Entsolidarisierung auch zur totalen Konkurrenz und bringt Angst hervor.
Ein zentraler Satz im Buch ist: "Die perfide Logik des Neoliberalismus lautet: Angst erhöht Produktivität“ .
Über Beschleunigung im Netz, auch über den Verlust von schützender Distanz und der Tatsache, dass Transparenz und Hyperkommunikation uns jede schützende Innerlichkeit nehme, liest man Aufschlussreiches und auch über die Angst zur Folge.
Entfremdung von sich selbst im hier und heute gehe einher mit Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung und somit Selbstausbeutung.
Was wir dringend wieder brauchen, ist den Anderen, der uns hilft, uns selbst und die Welt zu erkennen, der Andere, der für unser Selbstwertgefühl von Bedeutung ist und auch dafür, dass wir wieder staunen können und uns der Entfremdung verwehren.
Wer sich nur mit Jasagern und Likern umgibt, lernt nichts dazu.
Für Byung-Chul Han ist es ausgemacht, dass Kunst und Philosophie die Verpflichtung hätten, den Verrat am Fremden rückgängig zu machen und dem Anderen seine befremdende, staunenswürdige Andersheit zurückzugeben.
Wer sich nur mit Jasagern und Likern umgibt, lernt nichts dazu.
Für Byung-Chul Han ist es ausgemacht, dass Kunst und Philosophie die Verpflichtung hätten, den Verrat am Fremden rückgängig zu machen und dem Anderen seine befremdende, staunenswürdige Andersheit zurückzugeben.
Dieser Anspruch ist mehr als begrüßenswert.
Zuhören, den Anderen anders sein lassen, setzt aber voraus, dass man sein Ego klein hält und die Möglichkeiten begreift, die uns dadurch zuteil werden. Vom Anderen zu lernen, ihn nicht zu vereinnahmen, bedeutet, eine gute Zeit zu haben und an einer Gemeinschaft zu arbeiten, die Vielfalt erlaubt.
Maximal empfehlenswert
Helga König
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