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Rezension: Die Wiederentdeckung der Kindheit- Wie wir unsere Kinder glücklich und lebenstüchtig machen.- Michael Winterhoff-Gütersloher Verlagshaus

Der Autor dieses Buches ist der Kinder-und Jugendpsychiater sowie Jugendtherapeut mit eigener Praxis Dr. Michael Winterhoff. Er beschäftigt sich primär mit psychischen Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter aus tiefenpsychologischer Sicht. 

Sein neues Werk ist in neun Kapitel untergliedert, die drei Teilen zugeordnet sind. Prolog und Epilog vervollständigen das Buch, in welchem der Leser auf die Suche nach einer Kindheit gehen kann, so wie Kinder sie benötigen. Damit meint Winterhoff eine Kindheit, die sie zu "glücklichen, lebenstüchtigen, selbstständigen Erwachsenen mit guter Persönlichkeit werden lässt, die darauf brennen, als beziehungsfähige und verantwortungsvolle Menschen ihren Platz in der Welt zu finden."

Wie der Autor zu Beginn seiner Überlegungen hervorhebt, sei es eine Tatsache, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von heute sich wesentlich von denen unterscheiden, die um 1990 herum aufgewachsenen sind. So scheint es offenbar mittlerweile normal zu sein, dass ein hoher Anteil der Kinder später einmal auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen haben wird, weil es ihnen an Konzentrationsfähigkeit und Frustrationstoleranz mangelt, auch dass sie sich nicht mehr zu benehmen wissen oder dass sie Tage lang hinter abgeschlossenen Türen auf Tauchstation gehen, um den Highscore eines Spiels zu knacken, um nur einige Beispiele zu nennen. 

Michael Winterhoff zeigt anhand von vier fiktiven Jugendlichen wie sie sich entwickeln bzw. entwickelt haben aufgrund einer völlig unterschiedlichen Erziehung. Mittlerweile scheint es so zu sein, dass Kinder selbst einfachste Anweisungen nicht mehr befolgen können. Viele wissen nicht mehr, wo links und rechts ist und dies sei keine Frage der Intelligenz. Es mangelt den Kindern zudem an Begeisterungsfähigkeit. Unbeschwertheit, Freiheit und Fürsorge kennen sie nicht. Das hängt  u.a. damit zusammen, dass die Eltern ihre Kinder mit Problemen belasten, die nicht altersgerecht sind. Offenbar wollen die Eltern nicht verstehen, dass Augenhöhe mit Kindern unmöglich ist, weil ein Kind eben ein Kind und kein kleiner Erwachsener ist. 

Winterhoff erklärt, wie Unbeschwertheit, Freiheit und Fürsorge in der Kindheit ausschauen und was derzeit falsch läuft. 

Weshalb ist es so schwierig für Grundschüler geworden, die Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen? Das Buch macht begreifbar, dass Eltern und andere Erziehungsberechtigte einfach den falschen Weg gegangen sind, indem sie Kinder einerseits überbehüten und andererseits sie nicht als unreife Menschen betrachten, denen Grenzen gesetzt werden müssen. Das sind die Auslöser für diverse Schwierigkeiten.

Für Ziele zu arbeiten ist dieser Generation fremd, es sei denn, sie bringen ihnen Lustgewinn. Die jungen Menschen sind auf dem Stand von 16 Monate alten Kleinkindern. Wieso das so ist, erläutert der Autor sehr gut und verdeutlicht, weshalb diese Kinder gefühlsblind, oft unfähig zur Kommunikation,vereinsamt, aggressiv und pathologisiert sind. 

Ein wirkliches Problem stellt sowohl bei Eltern als auch Kindern das Internet dar. Kinder erlernen neuerdings Kommunikation bevorzugt in digitaler Form, aber auch Eltern halten sich ständig am Smartphone oder am Computer auf. Dies und die große Möglichkeit anderer Freizeitbeschäftigungen haben zu einem veränderten Eltern-Kind-Verhalten geführt, das Projektion, Symbiose und diese im Katastrophenmodus zum Ergebnis haben. 

Offenbar ist die Eltern-Kind-Beziehung krass gestört, auch die Großelternbeziehung scheint es zu sein. Die Ergebnisse sind mehr als unerfreulich, wie Winterhoff darlegt. 

Es wird Zeit umzudenken. Sinnstiftender mit Laptop, Smartphone etc. umzugehen, sich Zeit zu nehmen für die Entwicklung der Kinder und aufzupassen, dass die Erzieher nicht in die Regression fallen, darum geht es. 

Spannend auch ist es den Anhang zu lesen. Hier wird die Entwicklung der emotionalen und sozialen Psyche des Kindes aus tiefenpsychologischer Sicht chronologisch aufgezeigt. So wird deutlich, wieso ein Mensch emotional und sozial nicht auf dem Stand eines 16 Monate alten Kindes stehen bleiben kann und welche Folgen  ein  uneinsichtiges Verhalten für die Gesellschaft hat. 

Empfehlenswert 

Helga König

Überall im Handel erhältlich

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