Prof. Dr. Haller gilt als einer der renommiertesten Gerichtspsychiater Europas. Im vorliegenden Buch thematisiert er die Ursachen, Voraussetzungen und Bedingungen süchtigen Verhaltens. Dieses stelle ein uraltes, zutiefst menschliches Phänomen dar. Dabei liege das eigentliche Wesen der Sucht in der Dominanz und Übermacht von Suchtmittel und Suchtverhalten als auch im damit einhergehenden Autonomieverlust des konsumierenden Individuums.
Zu den charakteristischen Elementen der Sucht zählen Dosissteigerung mit Entwicklung einer Toleranz, das Auftreten von Entzugserscheinungen und der Kontrollverlust. Haller schreibt viel Wissenswertes zu diesen Elementen und hier auch über die Entzugssymptome wie etwa Nervosität, Verstimmungszustände, schlechte Laune und gereiztem Agieren.
Kontrollverlust macht das süchtige Verhalten zur Krankheit und liefert den Süchtigen ohnmächtig dem Suchtprozess aus. In diesem Zustand kann er sein Verhalten nicht mehr willentlich lenken und aus eigener Kraft beenden.
Sucht kann auf Dauer die Funktion einer selbstaggressiven Handlung, eines Suizidersatzes bekommen.
Der Autor listet eine geradezu unheimliche Menge an Süchten auf, die seine Aussage zu Beginn des Buches, dass 90 Prozent der Menschen in irgendeiner Weise süchtig sind, bestätigen. Klassische Süchte wie etwa die Sucht nach Alkohol, Drogen und Medikamenten haben bei Absetzungsversuchen Folgen wie etwa Zittern, Schweißausbrüche und motorische Unruhe. Stoffgebundene Süchte sind Verhaltenssüchte. Neben diesen allerdings gibt es noch Charaktersüchte.
Bei der Trinksucht beispielsweise nimmt die Selbstkritik immer weiter ab, wohingegen das Geltungsbedürfnis steigt und die Selbstüberschätzung ein unrealistisches Ausmaß erreicht.
Zu den Motiven für Sucht zählt das Unvermögen die Bindungen und Einschränkungen vom Elternhaus ohne große Komplikationen lösen zu können. Die Droge soll dann bei diesen Schritten helfen. Der Süchtige versuche im Rausch das zu finden, was er in der Realität vergeblich sucht. Zumeist Geborgenheit und Nestwärme. Süchtige suchen Gemeinschaft, Kommunikation, auch Beruhigung und besseren Schlaf. Die vermeintliche Selbstheilung durch Suchtmittel endet in Abhängigkeit und Selbstzerstörung.
Leichte Kränkbarkeit in der Kindheit führe z. B. dazu, dass Menschen später eifersüchtig reagieren und Störungen im Essverhalten zu diesem Zeitpunkt führen später dann zu Mager- oder Fettsucht.
Die Sucht verläuft immer in nachstehenden Schritten: Probier- Missbrauchs- oder Gewöhnungs- und Abhängigkeitsphase. Im Verlauf dieser Phasen verändert sich das Wesen des Menschen. So kommt es beispielsweise zum sozialen Rückzug, zur Selbstbezogenheit, zum Nachlassen der Eigeninitiative, zu depressiven Verstimmungen und zur Verflachung der Emotion.
Der Autor erwähnt typische Suchtdelikte und unterstreicht, dass das Suchtgedächtnis leider nicht vergisst. So enden Suchtkarrieren oft tragisch, wie die Beispiele zeigen.
Haller schreibt über Alkoholsucht und erklärt wie Alkohol wirkt, auch wer besonders empfindlich darauf reagiert. Genau erläutert wird, wie man alkoholkrank wird, so etwa, wenn man von schwächeren auf stärkere Getränke umsteigt. Dabei ist Kontrollverlust das zentrale Kennzeichen süchtigen Trinkens.
Auch über Drogen wie Kokain erfährt man viel Wissenswertes. Diese Droge löst Grandiositätgefühle und Überheblichkeit aus.
Spielsucht ist ein weiteres Thema. Kindliche Allmachtsphantasien zeichnen den Spielsüchtigen aus, der glaubt, mit magischen Kräften das Spiel kontrollieren zu können. Beim süchtigen Spieler stehen irgendwann Verlust und Gewinn im Hintergrund. Primär geht es dann um den Kick. So wird das Spielen immer risikoreicher und es kommt schließlich ähnlich wie bei den Drogen zur Beschaffungskriminalität.
Das Rauchen als Sucht bleibt auch nicht ausgespart. Suchtraucher gibt es etwa 5%. Diese Raucher sind offenbar nicht in der Lage das Rauchen aufzugeben. Spannend für jene Raucher, die das Rauchen aufgegeben haben ist, dass nach 10 Jahren Abstinenz das Lungenkrebsrisiko nicht höher ist wie bei einem Nichtraucher.
Workaholics, Sexsüchtige, Sportsüchtige und anderes Suchverhalten wird auch unter die Lupe genommen. So erhält man auf diese Weise eine Vorstellung von Suchtverhalten in vielen Bereichen und ist beruhigt, dass es für alle letztlich doch nocheinen Ausweg gibt: Den Entschluss zum suchtfreien Leben und die damit verbundene Selbstanerkennung.
Ich empfehle das Buch sehr gerne weiter, nicht nur jenen, die ein Suchtverhalten an den Tag legen, sondern auch jenen, die daran interessiert sind Süchtige frühzeitig als solche zu erkennen, was sie sind und die Beziehungsnotbremse zu ziehen.
Helga König
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