Margit Stamm, die Autorin dieses Buches ist Professorin em. für Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Universität Freiburg (Schweiz) und Direktorin des Forschungsinstituts Swiss Education. Gastprofessorin ist sie im In- und Ausland, darüber hinaus ist sie in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten von nationalen und internationalen Organisationen tätig.
Worum geht in diesem Buch? Es geht darum aufzuzeigen, was unsere optimierende Konkurrenzgesellschaft mit den Kindern macht. Es geht um Überleistung, darum, dass manche Kinder unentwegt hochleistunsgbereit seien und Ergebnisse liefern sollen, die nicht selten über ihrem Motivations- und Fähigkeitsniveau liegen würden. Mitunter gelte dies auch für ihre anspruchsvollen Freizeitaktivitäten. Kinder, die mehr leisten müssten als sie eigentlich könnten, dürften nicht "normal" sein, weil Scheitern verboten sei. Insofern würden bei solchen Kindern schlechte Noten mit zusätzlichem Engagement ausgebügelt oder es werde nach einer Lernstörung gesucht, um nicht zufriedenstellende Leistungen zu legitimieren, liest man in der Einleitung.
Zu hohe Erwartungen, ein angeschlagenes Selbstbewusstsein, die Angst vor Fehlern- dies seien die Merkmale, die Kinder zu Überleistern werden lassen. Solche Kinder könnten kaum eigenmotiviert Interessen entwickeln, werden immer abhängiger von der Unterstützung durch Dritte, verlören mitunter sogar ihre Freunde.
Das Bildungssystem selbst sei der eigentliche Motor von Überleistung, welches auch außerschulische Leistungsoptimierung anheize. Als Folgen nennt die Autorin: hohe Selbstzweifel, wenig Selbstvertrauen und ein niedriges Gefühl für Selbstwirksamkeit.
Vier Faktoren von Überleistung werden anschließend Folge näher beleuchtet. Als vierter Faktor werden zu viele Selbstzweifel und zu wenig Selbstvertrauen genannt. Überleister seien nicht erfolgs- sondern misserfolgsorientiert.
Das Buch enthält 14 Kapitel, die 4 Abschnitte zugeordnet sind. Bei diesen Abschnitten handelt es sich um:
-Gesellschaft und Bildungssystem: Katalysatoren von Überleistung
-Typen von Überleistern und ihre Merkmale
-Eltern als Maximierer
-Das authentische Kind
Ein Kapitel im 1. Abschnitt handelt von den Optimierungsstrategien in der Hochleistungsgesellschaft. Wie die Autorin hier schreibt, habe mit Blick auf die kindliche Entwicklung das Optimierungskonzept seine grundlegende Ethik verloren, da es den Seelenhaushalt des Kindes übermäßig strapaziere. Es bliebe keine Zeit für Seelentrost. Optimierung ziele auf die Formbarkeit des Individuums und selten auf das, wozu es fähig sei und was seine Neigungen und Eigenheiten ausmachten. Für das freie Spiel jenseits der Erwachsenenkontrolle bleibe den Kindern immer weniger Raum. Es mache nur noch 5% der Wochenendaktivitäten aus.
Je höher der Status der Eltern ist, desto größer die Bildungsambitionen im Hinblick auf ihre Kinder. Nicht selten seien diese Kinder überfordert, weil ihre tatsächlichen Fähigkeiten den Ambitionen der Eltern nicht gerecht werden könnten. Die Autorin zeigt, dass aufgrund durchschnittlicher Intelligenz mindestens ein Drittel der Schüler eigentlich nicht aufs Gymnasium gehöre. Die mindere Intelligenz werde versucht, mit Überleistung wettzumachen.
Gezeigt wird weiter, weshalb Kinder in Schulen landen, wo sie eigentlich nicht hingehören und es wird darauf hingewiesen, dass es keine einheitliche Gruppe von Überleistern gibt. Vier Typen werden genannt und sehr gut beschrieben. Bei diesen handelt es sich um:
-Die zum Erfolg Geführten
-Die unter Druck Stehenden
-Die ambitionierten Aufsteiger
-Die intrinsisch Motivierten
Self-Handicapper unter den Schülern beispielsweise betrieben Selbstsabotage, um als Überleister noch durchatmen zu können. Immer wieder zeigt sich, dass Überleister wenig Selbstvertrauen und viele Selbstzweifel haben.
Man erfährt mehr über die Psychologie der Elternkontrolle in Kapitel 9 und kann sich darüber klar werden, dass bessere Leistungen und höheres Interesse ohne eine kontrollierende Haltung der Mütter/Väter aber auch ein höheres Selbstbewusstsein des Kindes u.a. mehr in Untersuchungen festgestellt wurden.
Was alles untauglich ist, um Kinder zu wirklich guten Schülern zu machen, wird ausführlich erläutert und man lernt die Grundlagen für eine authentische Entwicklung kennen, die angestrebt werden sollte. Es wird zudem das Recht des Kindes auf die Entwicklung seines Potentials erörtert. Wie die Autorin schreibt, sind Noten kein Ausweis, kein unbestechliches Merkmal dafür, was ein Kind kann. Es sei wichtig, die Autonomie zu fördern, dem Kind Zeit zu geben. Es habe ein Recht auf die Entwicklung von Lebenskompetenzen, ein Recht auf seinen Selbstwert, der wichtig ist für sein weiteres Leben.
Das Kind müsse sich und seine Fähigkeiten und vermeintlichen Schwächen akzeptieren lernen. Das funktioniere nur, wenn es lerne mit Niederlagen umzugehen, wenn es lerne, sich durch Misserfolge nicht entmutigen zu lassen.
Dies bedeutet aber, dass es ein Ende haben muss mit den Optimierungszwängen, die, wie das Buch zeigt, mehr Schaden als Nutzen anrichten. Kinder brauchen Zeit sich auszuprobieren, müssen Zeit haben, um zu spielen und zu träumen, Zeit ihre Gaben zu entdecken. Dies sollten sich alle, die an der Erziehung von Kindern beteiligt sind, bewusst machen. Es geht um das Wohl des Kindes, das ein Recht hat, glücklich zu sein.
Maximal empfehlenswert
Helga König
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