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Rezension: Vom Nutzen der Feindschaft- Wilhelm Schmid

Der Autor dieses kleinen Büchleins aus der Insel-Bücherei ist der Philosoph Prof. Dr. Wilhelm Schmid. Er befasst sich mit einem eher unliebsamen Thema und zwar mit dem der Feindschaft. Dass es diese gibt, kann nicht bezweifelt werden. Fatal ist, dass alle Anfeindungen gegen sie ihre Existenz nur bekräftigen. 

Ein Buch mit dem Titel "Vom Nutzen der Feindschaft" angesichts des Flüchtlingselends, dem Ergebnis eines seitens der Mächtigen provozierten Feindschaftsklimas zu lesen, kostet Überwindung. So liest man, Feinde machen den Angefeindeten dadurch interessant, dass sie ihn ins Abseits stellen. Je intensiver sie ihm das Leben schwer machen, umso mehr rufen sie Mitgefühl hervor.  Darin einen Nutzen von Feindschaft zu sehen, halte ich für zynisch.

Wer Feinde anziehen möchte, die ihre Rolle gut auszufüllen versprechen, muss sich um die Kultivierung der Feindschaft bemühen. Schmid meint, es bestehe kein Grund sich gegenüber Feinden grob zu verhalten, sondern es genüge, sie zu ignorieren. Die beste Waffe sei keineswegs Rache, sondern großmütige Behandlung. Terroristen lassen sich leider weder durch Ignoranz  noch Großmut in die Schranken weisen. Das haben wir mittlerweile alle gelernt zu begreifen.

Der Autor nimmt immer wieder Bezug auf Philosophen aus vergangenen Jahrhunderten, um das Thema näher zu beleuchten, hier u.a. auf Baltasar Gracián und Plutarch. Nur der blinde Egoist wolle seinem Feind empfindlich schaden, liest man. Das vermute ich allerdings auch. In der Regel möchte man Opfer vor Anfeindungen schützen. Schaden wird in diesem Zusammenhang billigend in Kauf genommen.

Wie der Autor bekundet, lässt sich auf den Feind alles Übel der Welt projizieren, um sich selbst davon zu entlasten. Ein "Nutzen", den ich eher mit viel Skepsis betrachte, weil er kein Bewusstsein schafft. 

Feinden könne man mittels Freundlichkeit den Boden entziehen und wenn es sich um wahre Freundlichkeit handelt, könne sogar Freundschaft daraus entstehen. Dies trifft dann möglicherweise zu, wenn es sich bei dem Feind nicht um einen Soziopathen handelt. Bei ihm greift die Methode leider nicht. 

Wichtig ist, sich nicht in Muster von Feindschaften einreihen zu lassen, sondern sich diese Muster bewusst zu machen. Diese Muster nämlich bewirken, dass Gruppierungen sich in einer Gesellschaft feindlich gegenüber stehen, ohne wirklich zu wissen, weshalb. Das ist wahr. Leider wird von unseriösen Marktingfirmen immer genau hier die Trommel gerührt und genau darin der Ansatz für perverse Freund-Feind-Werbespielchen gesehen, die zu durchkreuzen der Aufklärung bedarf. 

Der Autor fragt, ob die Menschen des Bösen bedürfen. Interessant ist hier der Gedanke der Notwendigkeit von Polarität. "Nur zwischen gegensätzlichen Polen können Energien fließen, daher bedarf das Leben zusätzlich zum positiven Pol von Beziehungen der Liebe, der Freundschaft, der guten Kollegialität, Bekanntschaft und Nachbarschaft eines negativen Pols." 

Offenbar scheinen alle menschlichen Verhältnisse unbewusst die Notwendigkeit einer Wiederherstellung der Polarität zu folgen, so Schmid. Es scheint immer wieder um den Ausgleich zu gehen. Ist der Konsens zu groß, wächst das Potenzial für einen großen Knall heran. Jeder, der schon einige Jahrzehnte lebt, weiß das. Doch muss man das Böse deshalb akzeptierend als Notwendigkeit mitdenken? 

Die Fähigkeit zum Bösen im eigenen Selbst entrüstet von sich zu weisen und dafür auf Andere zu zeigen, diene nur dazu, die innere Polarität nicht wahrhaben zu müssen. Wenn sich das Böse als Teil der Polarität des Lebens erweise und sich jedem Versuch der Eliminierung wiedersetze, bestehe unsere Aufgabe darin, es auf verträgliche Weise ins Leben zu integrieren. Dieser Gedanke ist folgerichtig. Was mir daran nicht gefällt ist, dass Ideologen das Böse auf diese Weise legitimieren könnten und am Ende Menschenrechte keine fest Größe mehr darstellen. "Verträglich" ist ein dehnbarer Begriff.

Oscar Wilde als "Großmeister der Bosheit" zu bezeichnen will mir auch nicht gefallen, denn seine Biographie zeigt, dass er kein boshafter Mensch war. Er war ein Sarkast und Gesellschaftskritikter, aber kein "Großmeistermeister der Bosheit". Diese Bezeichnung trifft auf Hitler, Goebbels, Goering, Himmler und Konsorten zu. 

Ich stimme mit dem Autor überein, dass die meisten Siege Pyrrussiege sind. Deshalb sollte man seine Schattenseiten genau beleuchten, um sie an anderen nicht bekriegen zu wollen. Sieger von Heute sind die Verlierer von Morgen, weil jede überbordende Macht (beim Siegen geht es immer um Gewinn von Macht) zuverlässig uns selbst ruiniert, so Prof. Dr. Schmid. Wer Macht gewinnt verliert sie wieder. Dabei sei das zentrale Problem jeder Macht sowohl in der Politik als auch im Privaten der Verlust an Sensibilität. Diese ist ein Element der Ethik. Sie stärkt Disziplin und Selbstmächtigkeit, die Aufstieg möglich macht und vor Arroganz und Herablassung schützt. Mittels der Selbstachtung begründet sie eine Achtung vor anderen. 

Ich schließe daraus, dass man besser seine Sensibilität kultiviert als dubiose Feindschaften, denn diese ziehen in den Abgrund und hinterlassen nur eine breite Spur von Verwüstung. 

Ein erstrebenswerten Nutzen von Feindschaft  kann es meines Erachtens nicht geben für Menschen, die an Nachhaltigkeit interessiert sind. 

Empfehlenswert 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Insel-Verlag und können das Buch bestellen.http://www.suhrkamp.de/buecher/vom_nutzen_der_feindschaft-wilhelm_schmid_20509.html. Sie können es aber auch bei ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

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