Der Neurobiologe Gerald Hüther befasst sich seit vielen Jahren mit dem Einfluss früher Erfahrungen auf die Hirnentwicklung, mit den Auswirkungen von Angst und Stress und auch der Bedeutung emotionaler Reaktionen. Der Verfasser zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen ist Initiator und Vorstand der "Akademie für Potentialentfaltung".
In seinem neuen Buch fragt er zunächst, was uns gesund aber auch was uns krank macht. Dabei ist der zentrale Ansatz dieser Publikation der, dass wir nicht davon krank werden, dass uns von außen etwas Krankmachendes überfällt oder ereilt, sondern wir deshalb krank werden, weil uns krank macht, was wir dafür halten, das uns glücklich machen soll. Es geht um Lieblosigkeit mit sich selbst und anderen.
Wie Hüther schreibt, sind zahlreiche Menschen auf der Suche nach möglichst viel Anerkennung, Erfolg, Reichtum und Besitz lieblos geworden. Anderen sei es wichtig, alles im Leben zu optimieren und zu kontrollieren, oft auch sich selbst. Auch ein solches Verhalten mache lieblos. Des Weiteren sei es lieblos, die Verantwortung auf andere zu schieben.
Weil so viele Menschen lieblos mit sich selbst umgehen, werden nicht wenige von ihnen krank.
Der Autor erwähnt nicht grundlos, dass man seelische Grundbedürfnisse stillen sollte, d.h. dass wir unser Zusammenleben künftig so gestalten sollten, wie es unserer Natur als soziale Wesen entspricht. Nur so können wir gesund bleiben oder es rasch wieder werden.
Gerald Hüther betont die Würde, der man sich bewusst werden muss, um keinen zum Objekt eigener Absichten, Bewertungen oder gar Maßnahmen zu machen, denn auch das ist lieblos und macht uns krank. Der Autor zählt eine Vielzahl von sogenannten Zivilisationskrankheiten auf, die ihren Ursprung im lieblosen Umgang mit sich selbst haben und erklärt, was es mit Ausgrenzung aus einer Gemeinschaft auf sich hat.
Nicht nur als Kinder, sondern auch als Erwachsene erleben wir Ausgrenzung und werden an selbstbestimmtem Handeln gehindert, wodurch es, lt Gerald Hüther zur Aktivierung der gleichen neuronalen Netzwerke kommt, die immer dann aktiviert werden, wenn man körperliche Schmerzen erleidet.
Zur Sprache gebracht werden u.a. krankmachende Anpassungsleistungen. Kinder lernen beispielweise ihre beiden Grundbedürfnisse, das nach Verbundenheit und nach Autonomie zu unterdrücken, zu verdrängen und abzuspalten. Auch von krankmachenden Überzeugungen ist die Rede, bevor sich der Autor mit Selbstheilung näher befasst.
Stress und Angst sollen Gift für Selbstheilungsprozesse sein. Man erfährt in der Folge, was unsere Selbstheilungsprozesse schwächt und liest weiter, dass Menschen dann krank werden, wenn sie Vorstellungen folgen, die nicht mit ihren seelischen Grundbedürfnissen vereinbar sind. Überall dort, wo der Wohlstand wachse, steige die Zahl der chronisch kranken Menschen und multimorbider Patienten an. Dabei seien es ungünstige Vorstellungen, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen, die ungünstige Auswirkungen auf unsere Gesundheit hätten.
Konkurrenzverhalten stehe im Widerspruch zu unserem tiefen Bedürfnis nach Verbundenheit und mache entsprechend krank.
Man erfährt, was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir unsere eigenen Ängste besser verstehen können. Auch geht es darum, besser zu lernen, die Unkontrollierbarkeit des Lebens anzunehmen und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Man sollte versuchen, seine im Laufe des Lebens gemachten Erfahrungen von Unverbundenheit, Unverständnis und Hilflosigkeit durch neue von Verbundenheit und eigener Gestaltungsfähigkeit zu überlagern.
Gesund bleiben und rasch wieder genesen, können laut dem Autor nur Menschen, wenn sie in einer Welt leben, in der sie das Gefühl haben, aus sich selbst heraus zu verstehen, was in ihrer jeweiligen Lebenswelt geschieht, in der sie das, was sie verstanden haben, auch umzusetzen und zu gestalten in der Lage sind und in der ihnen das, was sie verstanden haben und selbst gestalten, als sinnvoll erscheint.
Wer seine Lebensfreude verliert, werde zunehmend kränker. Krisen und die Erkenntnis, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, böten die Chance zur heilsamen Verwandlung. Es gehe darum, übernommene Objektrollen abzulegen und zur eigenen Subjekthaftigkeit zurückzukehren, sprich sich nicht mehr länger bevormunden, bewerten und benutzen zu lassen, aber auch selbst andere Menschen nicht mehr zum Objekt seiner eigenen Belehrungen, Bewertungen oder gar Maßnahmen zu machen. Kurzum es geht darum, Würde zu bewahren.
Gerald Hüther zeigt wie man das Zusammenleben liebevoller gestalten kann und was es heißt, wieder gesund zu werden.
Hat man sich erst einmal bewusst gemacht, dass fortdauernde Überbelastung und eine ungesunde, lieblose Lebensweise uns schadet, ist der Anfang gemacht, um zu gesunden.
Ein tolles Buch. Sehr empfehlenswert.
Helga König
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