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Rezension: Die Errettung des Schönen- Byung-Chul Han- S. Fischer

Prof. Dr. Byung-Chul Han lehrt Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin. "Die Errettung des Schönen" ist das zweite Buch von ihm, das ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiere. Das ebenfalls im S. Fischer Verlag erschienene Werk "Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machtechniken" fand ich so erhellend, dass ich voller Neugierde mich mit Byung-Chul Hans neuem Werk befasst habe. 

Wer sich in der Literatur etwas auskennt, weiß, dass man sich in allen Epochen über den Begriff der "Schönheit" Gedanken gemacht hat. Umberto Eco hat diese Überlegungen in seinem wunderbaren Buch "Die Geschichte der Schönheit", das im Jahre 2004 bei Hanser erschienen ist, zusammengetragen. 

Nun, 11 Jahre später,   befindet sich Schönheit angeblich in einer paradoxen Situation, so jedenfalls die Analyse Byung-Chul Hans. Ursache hierfür ist offenbar die Tatsache, dass sie sich der Immanenz des Konsums ausliefert und sich auf diese Weise ihrer Transzendenz beraubt. 

Der Autor verdeutlicht zunächst, dass das Glatte die Signatur der Gegenwart sei und reflektiert das Verbindende bei den Skulpturen von Jeff Koons, dem iPhone und Brazilian Waxing. Wie der Autor schreibt, sei ein Merkmal des Glatten, dass es nicht verletze, sein Gegen ausmerze und jede Negativität beseitige. Dabei seien Anschmiegsamkeit und Widerstandslosigkeit die Wesenszüge der Ästhetik des Glatten. 

Im Internet diene die Eliminierung des Negativen der Beschleunigung der Kommunikation. 

Han nennt den Künstler Jeff Koons den Meister der glatten Oberfläche, weil es bei ihm keine Desaster, keine Verletzung, keine Brüche, keine Risse und auch keine Nähte gäbe. Seine Kunst bedürfe keines Urteils und sei jedes Tiefsinns entleert. Eine schonungslose Wertung, die den Künstler gewiss nicht erfreuen wird.

Byung -Chul Han hat Probleme damit, Kunst als solche zu akzeptieren, der es an Negativität fehlt, denn er glaubt, ein ästhetisches Urteil setze kontemplative Distanz voraus, die durch das Glatte abgeschafft werde. Ohne Distanz sei keine Mystik möglich und es sei die Entmystifizierung, die alles genieß- und konsumierbar mache. 

Nach Auffassung des Autors gibt es keine Innerlichkeit, die sich hinter der glatten Oberfläche verbirgt. Im Hier und Jetzt erschöpfe sich das Schöne im "Gefällt-mir" im  "Wow". Auch das Hässliche werde geglättet und werde insofern ebenfalls konsumierbar. Das Glatte lasse keinen Gegenkörper zu. Auch in der Kommunikation werde geglättet, um die Kreisläufe von Kommunikation. Information und Kapital zu beschleunigen. 

Han schreibt vom Schönen und Erhabenen und erklärt, dass das Erhabene kein unmittelbares Wohlgefallen hervorbringe. 

Im Gegensatz zum Naturschönen werde im Digitalschönen die Negativität des anderen gänzlich aufgehoben. Die menschlich vernetzte Welt führe zu einer permanenten Selbstbespiegelung und dieser autoerotische Sehraum, der digitalen Innerlichkeit hervorrufe, lasse kein Staunen zu. 

Diesbezüglich habe ich allerdings Zweifel und mache tagtäglich andere Erfahrungen, speziell in den Kunstgruppen von Facebook oder bei den Kunstpräsentationen auf Pinterest. Gerade im Bereich der Fotografie, ich denke nicht nur an die Bilder von National Geographic ist Staunen immer wieder möglich und das Schöne ist selbst dort keineswegs völlig enthüllbar, wie sich jeder auf Facebook überzeugen kann. Wie immer gibt es selbst dort ein "Sowohl- als-auch" und nicht nur ein "Entweder- oder".

Was ist daran so verwerflich, wenn die Positivgesellschaft die Negativität der Verletzung abbaut? 

Es ist völlig aberwitzig zu glauben, dass nur durch Verletzung und Schmerz Wahrheit möglich sei und sich ansonsten das Gewohnte fortsetze. Verletzung lähmt, macht depressiv und lässt nicht Wahrheit entstehen, sondern Kummer und Farblosigkeit oder Aggression, die sich auf sich selbst oder andere richtet. 

Dem Gedankengang Byung-Chul Hans, seiner  Ode auf dem Schmerz als Geburtshelfer des Schönen kann ich nicht folgen. 

Facebook als einen Markt der Charakterlosigkeit zu diffamieren, finde ich ziemlich vermessen. Was ich dort erlebe, ist eher das Gegenteil dessen, was der Autor erklärt. Kultiviert werden Fähigkeiten wie Akzeptanz und Respekt, Achtsamkeit wird geschult und das Können anderen positiv zur Kenntnis genommen.  Wer glaubt,  hier werde nur um Likes gebuhlt, hat das System nur oberflächlich durchleuchtet.

Allein im Bereich der Natur- und Landschaftsfotografie gibt es dort Wunderbares zu betrachten und zu bestaunen. Manche Hobbyfotografen haben erst dort durch das Feedback den Mut gewonnen, ihre Begabung wirklich auszuleben.

Dem anderen seine Achtung durch ein Like oder einen kleinen Kommentar zum Ausdruck zu bringen, ist kein Zeichen von Charakterlosigkeit, sondern von der Fähigkeit das Können anderer neben eigenen Fähigkeiten gelten lassen zu können,  ein Verhalten, das eine Neidgesellschaft erst einmal lernen muss. 

Ich empfehle allen das Buch zu lesen und sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, um  sich mit anderen über den Inhalt auszutauschen, denn dieser ist sehr komplex und wirft viele Fragen auf.

Dem Schönen Raum geben, heißt nicht, es dadurch zu kommerzialisieren und ihm sein Geheimnis zu entreißen, sondern nur, es vielen zugänglich zu machen. 

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