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Rezension: Das empathische Gen- Joachim Bauer-Herder



Autor dieses Buches ist der Universitätsprofessor Joachim Bauer. Der Arzt, Neurowissenschaftler und Psychotherapeut ist Facharzt für Innere Medizin und Psychiatrie. Er ist in beiden Fächer habilitiert worden. 

Joachim Bauer möchte mit seinem neuen Werk verdeutlichen, dass der Mensch nicht nur durch seinen Geist, sondern auch durch seine Biologie, ein auf Humanität- auf Menschlichkeit-ausgerichtetes Wesen ist. Dabei verhält es sich so, dass eine Sinn-geleitete Grundhaltung und eine prosoziale Einstellung gegenüber seinesgleichen, sprich Gemeinsinn, bei uns Menschen ein positives, gesundheitsdienliches Aktivierungsmuster der Gene zur Folge haben. Entscheidend für die Gesundheit oder Krankheit des Menschen sei, von wenigen Ausnahmen abgesehen also nicht die Frage, ob jemand "gute" oder "schlechte" Gene geerbt habe, sondern wie Gene im Leben eines einzelnen Menschen in ihrer Aktivität reguliert werden. Darauf könne jeder Mensch selbst Einfluss nehmen. 

Die große Mehrheit von Erkrankungen im Hier und Jetzt seien die Folge von Entzündungen. Bei Entzündungen handelt es sich Abwehrreaktionen, die der Körper selbst in Gang setzt, um sich mit einer Schädigung auseinanderzusetzen. Bei den möglichen Schädigungen geht es um Verletzungen, Infektionen, Strahlung, Gifte, Allergene und psychischen Stress. Entzündungen werden auf den Weg gebracht, indem der Körper Gene für die Herstellung von Entzündungsbotenstoffen aktiviert. Der eigene Körper also ist es, der – sobald er etwas als schädigend wahrnimmt, Entzündungsbotenstoffe entwickelt und das Entzündungsgeschehen startet. Folge von Entzündungen sind beispielsweise schwere Arterienverkalkungen, Krebsleiden, Demenzerkrankungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Wie Untersuchungen gezeigt haben, sind es Angst und Stress, die schleichende Entzündungen auslösen. Je stärker die Aktivität der Angstnetzwerke und der erlebte Stresslevel, desto stärker ausgeprägt ist im gesamten Körper, vor allem an den Innenwänden der Blutgefäße, die ablaufende Entzündungsaktivität. Ungewollte Einsamkeit, soziale Ausgrenzung oder Isolation, Überforderung und zu hoher Leistungsdruck, Demütigung oder Bedrohungen, Misshandlungen oder Missbrauch, auch Nahrungsmangel, das Fehlen einer sicheren Unterkunft oder ungewollte Arbeitslosigkeit. Arbeiten und zur Ruhe kommen, könne ein Mensch nur, wenn er sich geliebt fühle und lieben dürfe. Liebe öffne die Tür zu allem, was den Menschen ausmache: zur Kreativität, sinnvoller Arbeit, zur Anstrengungsbereitschaft, zum Engagement für das Gute und - nicht zuletzt- zum Genuss. 

Aus Sicht des Körpers sei soziale Verbundenheit besonders in schwierigen Zeiten ein Wert an sich. Jeder Verlust einer Bindung sei ein Ereignis, das Kraft koste, zum Auslöser einer Erkrankung oder bei alten Menschen sogar zum Startpunkt einer Demenz werden könne. Joachim Bauer zeigt wie es zu Schmerz durch Diskriminierung kommen kann. So rufe das Erleben sozialer Ausgrenzung nicht nur irgendwelche flüchtigen Gefühle hervor, sondern hinterlasse in den betroffenen eine biologische Spur. Schmerz begünstige Aggression. Aggression wiederum aktiviere den Kreislauf. Unaufgelöste Kränkungen können zu Bluthochruck führen.

Der Autor schreibt weiter über das Selbst und in diesem Zusammenhang über Empathie als integralen Teil der Person. Die Kunst im sozialen Raum so zu navigieren, dass sowohl ein freundliches Nebeneinander als auch ein verbindliches Miteinander möglich ist, erfordere vor allem Empathie. Dabei sei Empathie eine kognitive (gedanklich-intellektuelle) und eine fühlende (emotional-intuitive) sowie eine Handlungsebene. Was das im Einzelnen bedeutet, wird auf den Folgeseiten des Buches gut erklärt. Empathie sei ohne liebevolle Erziehung nicht möglich. 

Joachim Bauer reflektiert, was Biotope der Empathie sind und warum ein "Gutes Leben" ohne den Empathie-Anspruch der Natur nicht möglich ist. Interessant auch ist die Antwort auf die Frage "Gibt es eine Lust auf gesundes Leben?" Selbstfürsorge spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. 

Wer sich nicht mehr bewegen dürfe, verliere die Lebensfreude und wer sich des Lebens nur noch eingeschränkt erfreue, bewege sich weniger. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Absterben der Bewegungslust und den Aufkommen von Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die vaskuläre Demenz und die Alzheimerkrankheit sind weitere Themen dieses Buches. Wie man diesen und anderen Krankheiten entkommen kann? Möglicherweise durch bestimmte innere Grundhaltungen, denn diese beeinflussen die gesundheitsrelevanten Genaktivitätsmuster. In Krisenzeiten benötige das "Selbst" Resonanz. Das Fehlen sozialer Resonanz lasse Menschen in die Krise kommen und krank werden. 

Auch wenn die Natur des Menschen empathisch ist, stiften Gene keine Moral, aber sie reagieren auf eine Sinn-geleitete, menschenfreundliche, prosoziale Einstellungen gegenüber dem Leben, so Joachim Bauer, der mit seinem neuen Buch, das die Leser erkenntnisreicher werden lässt, somit eine bereichernde Lektüre auf den Weg gebracht hat. 

Deshalb: 
Maximal empfehlenswert 

Helga König

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