Axel Hacke, der Autor des Buches arbeitet als Schriftsteller und als Kolumnist des Süddeutschen Zeitung Magazins in München.
Im vorliegenden Buch befasst er sich mit dem etwas angestaubten Begriff des Anstands, der in allen Zeiten von überaus unanständigen Menschen, nicht zuletzt von den Nazis, zweckentfremdet wurde.
Wie Hacke verdeutlicht, sollte man einen Begriff, der uns etwas bedeutet, nicht einfach aufgeben, weil dies eventuell bereits der Beginn einer Kapitulation vor jenen wäre, deren Verhalten man als unanständig empfindet.
Hacke versucht unter Zuhilfenahme von Philosophen und Literaten den Begriff inhaltlich zu durchleuchten. Dies unternimmt er fast im Plauderton und schafft es so, ein eher doch ernstes Thema dem Leser kurzweilig zu unterbreiten.
Um zu verstehen, was Menschen antreibt, selbst die minimalsten Standards zwischenmenschlichen Verhaltens nicht zu akzeptieren und sich gegenläufig zu verhalten, sollte man zunächst einmal begreifen lernen, dass wir alle in vieler Beziehung das Gefühl verloren haben, eine Gesellschaft zu sein, zusammenzugehören, sich auseinanderzusetzen, eben mündiger Bürger zu sein.
Hacke erinnert daran, dass wir von der technischen Entwicklung, von der Nötigung durch Selbstdarstellung und von diffusen Ängsten getrieben werden, die wir uns nicht eingestehen oder völlig übertreiben. Deshalb würden wir uns hysterisch verhalten, dort wo wir nüchtern sein müssten und unaufmerksam, dort wo wir wachsam sein sollten.
Ungewissheit und Ängste treiben Menschen leider nicht selten Unanständigen zu, deren Strategie darin besteht, Hoffnungen zu nähren. Im Kreise Unanständiger anständig zu bleiben, bedarf großer innerer Stärke.
Für Hacke ist es klar, dass Tarnung hinter einem erfundenen Namen, Menschen ganz offenbar dazu verführt, Dinge zu tun, die sie ansonsten nicht tun würden, so etwa andere zu beleidigen, zu verleumden und den Respekt zu verweigern. Weil dies mittlerweile schon fast Normalität geworden ist, scheint eine Art Gewöhnungseffekt entstanden zu sein.
Hacke berichtet von abgründigen Verhaltensmustern in den sozialen Netzwerken und verdeutlicht, dass durch das Prinzip der Likes drastische Botschaften erst Fahrt aufnehmen und sich vervielfältigen. Den Betreibern der Netzwerke geht es um Likes, weil diese für die Werbeeinnahmen wichtig sind. Was gelikt wird, ist im Grunde sekundär.
Und allen geht es um Zuwendung - negativ wie positiv - und genau dabei kann der anständige Umgangston auf der Strecke bleiben. Wer diesen Umgangston eines anderen übernimmt, ist bereits auf dessen unanständiger Ebene angekommen, "in der Welt, in der man Menschen beleidigt, herabwürdigt, verhöhnt, sofern es den eigenen Zwecken dient", so der Autor.
Menschen möchten wahrgenommen werden, weil sie nur auf diese Weise ein Gefühl für sich selbst erhalten. Um wechselseitige Aufmerksamkeit geht es in den sozialen Netzwerken, aber auch leider darum, sich die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die der ein oder die andere im negativen Bereich benötigt. Die Rede ist von der Selbstradikalisierung vieler Menschen, die in anderen in erster Linie den Feind sehen. Die Suche nach Halt treibt diese Menschen in Gruppierungen, in denen Anstand, Gerechtigkeit, Solidarität nur noch für Gleichgesinnte gilt.
Im Netz aber auch außerhalb hat sich der Ton verschärft, offenbar genau aus den genannten Gründen.
Was kann man tun, um sich und anderen im positiven Sinne Halt zu geben?
Sich vernünftig benehmen, wäre eine sinnstiftende Maßnahme. Vernunft und Anstand stehen nie im Widerspruch zueinander. Das beweisen die Kernaussagen des vorliegenden Buches.
Sich vernünftig benehmen, wäre eine sinnstiftende Maßnahme. Vernunft und Anstand stehen nie im Widerspruch zueinander. Das beweisen die Kernaussagen des vorliegenden Buches.
Sehr empfehlenswert.
Helga König
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Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen
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