Dr. Dr. Raphael M. Bonelli ist Neurowissenschaftler an der Universität Wien sowie Psychiater und systemischer Psychotherapeut in eigener Praxis.
In dem vorliegenden Werk untersucht er, begleitet von Fallgeschichten aus seinem Praxisalltag, die inneren Fesseln des narzisstischen Mannes.
Dabei untergliedert er seinen Text in drei Teile:
Teil I : Der gefesselte Mann
Teil II: Die drei Fesseln
Teil III: Die Fesseln abstreifen
Schon in der Einleitung erfährt man, dass der narzisstische Mann sich als etwas Besonderes fühle und dass es von daher auch in seinen Augen ganz natürlich, legitim und stimmig sei, wenn ihn andere wertschätzen, bewundern und lieben. Der narzisstische Mann sei allerdings nicht in der Lage andere zu lieben, weil er über seine Selbstverliebtheit nicht hinaus komme.
Laut dem Autor tritt Narzissmus bei Männern häufiger auf als bei Frauen. Das verdeutlichen 355 Narzissmus-Studien in allen Altersklassen. Nicht nur qualitativ unterscheidet sich männlicher und weiblicher Narzissmus, sondern auch quantitativ. Darüber erfährt man im Buch Erhellendes.
Es gibt drei narzisstische Fesseln:
Die Selbstidealisierung,
Die Abwertung der anderen
Die Unfähigkeit zur Selbsttranszendenz.
Man liest: Narzissten blenden das Nichtgrandiose an sich aus, weil es nicht sein dürfe. Hierzu zählen vor allem das persönliche Scheitern, seine Fehler und seine Schuld. Da er das Negative ausblendet, ist er übrigens beratungsresistent.
Abgewertet werden besonders jene, die an seiner Grandiosität kratzen könnten. Ein Narzisst sieht sich nicht auf gleicher Augenhöhe mit seinen Nächsten. Von daher nimmt er die bedingungslose Liebe, die andere ihm schenken als selbstverständlich- ohne dass er den Impuls verspürt, die Liebe zu erwidern.
Die drittel Fessel bewirkt, dass dieser Mensch in sich selbst stecken bleibt, deshalb kann er nicht über seinen Tellerrand hinausblicken.
Diese drei Dimensionen verhindern die menschliche Entfaltung eines narzisstischen Mannes.
Man erfährt im Buch mehr von dessen vermeintliche Wichtigkeit und der Tatsache, dass er selbst ohne entsprechende Leistungen sich als überlegen begreift. Das unterscheidet ihn übrigens vom Perfektionisten, der sich über Leistung definiert und sich als Leistungsträger sieht. Informiert wird man über die Machtfantasien eines Narzissten, auch über seine gefühlte Einzigartigkeit und darüber, dass er exzessive Bewunderung benötigt sowie zuweilen wütend reagiert, wenn ihm diese nicht zuteilwird.
Narzissten nutzen andere aus, um ihre Ziele zu erreichen, sind berechnend in zwischenmenschlichen Beziehungen, zeigen wenig Empathie und sind nicht bereit, die Gefühle anderer wahrzunehmen. Neid ist üblich bei solchen Personen, aber auch Arroganz, Kränkbarkeit und Abwertung. Diese Zusammenfassung macht deutlich, dass solche Männer in erster Linie abtörnend sind.
Immer wieder wird unterstrichen, dass diese Personen um sich selbst kreisen, d.h. vom Kopf, vom Bauch und vom Herzen her egozentrisch sind.
Man erfährt zudem mehr über die kranken Beziehungen eines Narzissten, die auf seiner Gier nach Bewunderung beruhen. Sein Anspruchsdenken ist übrigens exorbitant. Er hat kein Problem damit, andere auszubeuten und rücksichtslos zu handeln. Die Beziehungen eines solches Mannes sind übrigens oberflächlich und werden nur solange unterhalten, so lange sie ihm etwas bringen. Ach ja, und je mehr er sich selbst erhöht, umso weniger Zugang hat er zu Transzendentalen.
Der Narzissmus ist gewissermaßen eine Ersatzreligion. Würde mich brennend interessieren, wie viel männliche Narzissten es unter Atheisten gibt prozentual gesehen.
Forscher sprechen seit 2010 von einer Narzissmus-Epidemie, die in Generation Ego offenbar grassiert. Ihr vorläufiger Endpunkt soll die "Generation Beziehungsunfähig" sein.
Wie der narzisstische Mann sich der drei Fesseln entledigen kann, ist spannend zu lesen. Ich gehe davon aus, dass dies seltenst passiert und vieler Schicksalsschläge bedarf.
Für Frauen, die sich einen Überblick verschaffen möchten, was einen Narzissten ausmacht, ist das Buch sehr empfehlenswert, um rechtzeitig einen großen Bogen um solche Männer machen zu können. Das Drama: Es gibt mehr davon als man ahnt. Deshalb gilt: "Holzauge sei wachsam".
Die Auflistungen der 9 DSM-5- Kriterien der narzisstischen Persönlichkeit und die Fragen zur narzisstischen Persönlichkeitsdimension und deren Gegenteil zum Schluss sind sehr hilfreich, wenn man rasch erkennen möchte, ob man selbst oder andere narzisstisch ticken oder nicht.
Sehr empfehlenswert
Helga König
Das Buch ist im Fachhandel erhältlich.
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