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Rezension: Wilhelm Schmid - Unglücklichsein: Eine Ermutigung

Ist das Heimweh nach dem Traurigsein dem Menschen immanent?

Der Philosoph Prof. Dr. Wilhelm Schmid hat mit diesem gehaltvollen Büchlein eine Ermutigung für Menschen verfasst, die sich unglücklich fühlen. Wie er in seinem Vorwort schreibt, lässt die Diktatur des Glücks, die uns derzeit allen droht, keinen Raum übrig, um unglücklich zu sein. 

Das Anliegen des Autors besteht darin, die absolut werdende Bedeutung des Glücks für menschliches Leben ein wenig zu relativieren, weil die eigentliche Herausforderung nach seiner Ansicht nicht darin besteht glücklich zu sein, sondern vielmehr mit dem Unglücklichsein zurecht zu kommen, es aufzunehmen und auszuhalten, (vgl. S.13). In den Augen Prof. Dr. Schmids ist genau ein solches Leben heroisch zu nennen.

 Man muss sich darüber klar werden, dass Glück in erster Linie Zufallsglück darstellt und Zufall das ist, was uns zufällt, woher auch immer, günstig oder auch ungünstig, (vgl.: S.15). Wie man erfährt, wurde in älteren Kulturen die Zufälligkeit des Glücks in diesem Doppelsinn als Göttin verehrt und gefürchtet, währenddessen moderne Menschen nur den günstigen Zufall als Glück annehmen. Bleibt das Zufallsglück aus, stellt dies ein Grund dar, um unglücklich zu sein. Zufallsglück kann sich durchaus in das Gegenteil verkehren, denn der Zufall der günstig ausfällt, kann sich als ungünstig erweisen, (vgl.: S.17). 

Die Schattenseite des Glücks als gegeben hinzunehmen, ist nicht immer leicht und erfordert von einem Betroffenen nicht selten sehr viel Kraft. Doch es stellt sich die Frage, ob Glück tatsächlich immer auch glücklich macht. Der Autor erinnert daran, dass je mehr ein Mensch sich auf das Wohlsein festlegt, desto größer wird sein Potential für den Gegenpol, (vgl.: S.23). Wir alle benötigen offenbar ein Quantum an Unglücklichsein, konstatiert Prof. Dr. Schmid und bekommen es in der Liebe zuverlässig geliefert. 

Wir sollten wissen, dass die Chemie des Glücks unglücklich macht, wenn sie überstrapaziert wird. Offenbar werden wir auf diese Weise zum Opfer der Lustwut und sind froh und endlich der Unlust hingeben zu dürfen, die uns nicht die Anstrengung des dauernden Frohsinns abverlangt.

 Erinnern sollten wir uns, dass in vielen Ländern Menschen sich schon glücklich sehen, wenn sie überleben. Klar werden müssen wir uns darüber, dass es nicht die Bestimmung des Menschen ist, immer zufrieden zu sein. Nicht wenige Kulturleistungen sind realisiert worden, weil ihre Vollbringer unzufrieden waren. Wenn wir erst einmal begriffen haben, dass die Fülle des Lebens nicht dem Positiven gehört, sind wir schon ein Stück weiter, denn es ist die Eindimensionalität des Positiven wie des Negativen, die der Mehrdimensionalität des Lebens nicht gerecht werden kann, (vgl.S.47). 

Wissenswertes schreibt Professor Dr. Schmid über die Melancholie, die nach seiner Definition eine Seinsweise der Seele darstellt, die wesentlich zur Existenz des Menschen gehört, ohne dass sie in irgendeiner Weise als krankhaft gelten könne, (vgl.: S. 51) Gerade denkende und kreative Menschen werden von der Melancholie erfasst und psychologische Studien zeigen, dass Menschen mit melancholischer Stimmung offenbar Denkaufgaben gründlicher angehen und klügere Entscheidungen treffen, (vgl.: S.55). 

 Neben der Melancholie thematisiert der Autor auch die Depression als Krankheit, um schließlich eine Anleitung zum Leben mit dem Unglücklichsein zu erteilen. Hier wird dann deutlich, dass Glück im Leben zwar wichtig ist, aber weit wichtiger scheint der Lebenssinn zu sein. Nicht nach Glück, sondern Lebenssinn gilt es zu streben. So sorgt bereits ein vertrautes Gespräch für geistigen Sinn, der gestärkt wird vom Interesse an anderen Sichtweisen und Möglichkeiten der Deutung. Kunst, Literatur, Bildung und Weiterbildung halten ein unerschöpfliches Material für Deutungen und Interpretationen, die unabschließbar sind, bereit und halten uns offen für weitere, nie gesehene, unerhörte Zusammenhänge, (vgl. S. 82). 

Es stimmt, die gedankliche Beschäftigung mit dem Leben, kann zu der Auffassung führen, dass zu den Zusammenhängen, die dem Leben Sinn verleihen, auch Polarität gehört. Prof. Dr. Schmid vermutet, dass die Bedeutung der Melancholie in der kommenden Zeit wachsen wird. Es ist uns also geraten, das Unglücklichsein als Möglichkeit des Menschsein zu akzeptieren und uns mehr mit dem Lebenssinn zu befassen, denn wer seinem Leben sind verleiht, ist erfüllt und fragt nicht mehr nach dem Glück. Empfehlenswert.

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1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diese Buchrezension! Ich werde das Büchlein gleich bestellen, da es mir Antworten zu geben scheint auf mein eigenes Erleben, dargestellt in meinem Blog "Stille & Präsenz" im Januar 2013 unter "Vom Nirvana des Leidens" und "Weinendes Kind", hier:
    http://www.praesenz.blogspot.ch

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