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Rezensionen: Schriften zur Politik (Gebundene Ausgabe)

Der ungarische Theaterwissenschaftler, Kritiker, Publizist und Theaterintendant Ivan Nagel (geb. 1931) ist der Autor der vorliegenden Schriften zur Politik, die er in drei große Kapitel untergliedert hat und zwar in:

Die geteilte WeltLust und Last der Vereinigung
Das Falschwörterbuch

Wie man der Einleitung entnehmen kann, entstand der erste Teil des Buches in fünfunddreißig Jahren, der zweite Teil in zehn und der dritte Teil in zwei Jahren. Nagel hat beim Verfassen der einzelnen Texte nicht an ein Buch gedacht.

Den Kapiteln vorangestellt ist seine Dankrede für den Moses-Mendelsohn-Preis, die er am 6.9. 2000 im Konzerthaus Berlin hielt. Diese Rede trägt den Titel "Toleranz und Intoleranz: Erfahrungen" und lässt den Leser hier wissen, was die Demokratie von zwei Seiten auszehrt. Als Gründe nennt er die Geringschätzung des Volkes durch die Politiker und das Misstrauen gegen Politiker im Volk. Dabei würden Politiker nicht aufhören, ihre Glaubwürdigkeit abzubauen, nicht zuletzt durch das Hersagen von Parolen, Winken mit Hintergedanken und Widersprüchen. Toleranz und Intoleranz im Volk werden von eben diesen Parolen, Winken mit Hintergedanken und Widersprüchen beeinflusst. Ivan Nagel verabsäumt es nicht, seine eigenen Erfahrungen von bald 70 Jahren mit Toleranz und Intoleranz näher zu beschreiben, bevor man dann Gelegenheit hat, sich mit seinen Texten näher zu auseianderzusetzen.

Der erste Text stammt übrigens aus dem Jahre 1957 und trägt den Titel "Wege nach der Kollaboration- Nach dem Ungarn-Aufstand" und der letzte wurde 2011 verfasst. Er beinhaltet Überlegungen zum Libyenkrieg.

Im Rahmen seiner Texte, in denen er sich gegen Unfreiheit, Unwahrheit und Zensur äußert, haben mich zwei Texte besonders beeindruckt. Die Laudatio zum Friedenspreis für Susan Sontag mit dem Titel "Töten ist konkret" hörte ich mir bereits 2003 im Fernsehen an und war als ich sie nun las, erneut sehr berührt von den eloquenten, hochsensiblen Worten dieses wirklich klugen Mannes. Im gleichen Jahr hielt Nagel eine Dankrede für den Ernst-Bloch-Preis zur doppelten Geschichte des Selbstmordes. Hier fand ich zwei Fragen, die sich beim Selbstmord stellen: "Wer ist der Mensch?" und "Wem gehört der Mensch"? Je nach dem, zu welchen Ergebnissen man gelangt, ergeben sich unterschiedliche Beurteilungen und Konsequenzen. Sind Selbstmörder feige? Meines Erachtens sind sie nicht selten sehr mutig. Doch diesbezüglich widersprechen natürlich die Pastoren seit Jahrhunderten. Das auch verschweigt Nagel nicht. Wer Verantwortung für sein Leben übernimmt, wird ebenso verantwortlich mit seinem Tod umgehen. Es ist schon interessant, dass gerade dort, wo die Freiheit des Menschen sehr beschnitten wird, die Selbstmordrate besonders hoch ist, siehe:Selbstmord im Dritten Reich
Empfehlenswert.

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