Stephan Marks befasst sich in diesem Buch mit dem Phänomen der Scham. Dabei zeigt er zunächst die einzelnen Formen von Scham auf, die er jeweils näher erklärt. Thematisiert werden:
Anpassungs-Scham
Körper-Scham
Gruppen-Scham
Empathische Scham
Intimitäts-Scham
So versteht man unter dem Begriff "Empathische Scham" jene, die wir mit-fühlen, wenn wir Zeuge der Scham eines Mitmenschen sind, etwa wenn dieser erniedrigt wird. Empathische Scham befähigt uns zu Mitgefühl, Solidarität und Freundschaft und ist der Motor dafür, Schwachen beizustehen, sie zu schützen, oder zu verteidigen, (vgl. S.27).
Wer sich schämt, verliert -zumindest vorübergehend- die Geistesgegenwart und Selbstkontrolle. Menschen, die sich schämen, fühlen sich geistig wie gelähmt oder verwirrt. Man empfindet sich dann unfähig, unzulänglich, minderwertig, hilflos, schwach, machtlos, wertlos, lächerlich, gedemütigt oder gekränkt. Die Gefühle münden in folgende Reaktionen: Man fühlt sich deprimiert, traurig, enttäuscht, möchte in den Boden versinken, sich verbergen oder verstecken. Man verlässt fluchtartig die Scham auslösende Situation und läuft weg oder man wird überheblich und aggressiv. Des Weiteren hat man den Impuls, die Person, die uns beschämt hat, ebenfalls zu beschämen oder anderweitig zu bestrafen, (vgl.: S.37).
Man erfährt wie Menschen körperlich auf Scham reagieren und wie sich Scham entwickelt. Es gibt zwei Vorstufen von Scham, einerseits die Intimitäts-Scham, andererseits die traumatische Scham. Die Intimitäts-Scham basiert in der Erfahrung der Heranwachsenden, dass seine Grenzen akzeptiert werden und dass er gesehen, geliebt und zugehörig ist. Hieraus kann sich das Bewusstsein der eigenen Würde entwickeln und auch die Fähigkeit gesunder Weise seine körperlichen und seelischen Grenzen zu schützen. Traumatische Scham ist mit dem Gefühl des Liebesunwert-Seins verbunden. Zustande kommt es durch eine extrem schmerzhafte Erfahrung oder auch durch eine Vielzahl von erniedrigender Erfahrungen, die sich zu einem kumulativ-traumatischen Beziehungsmuster aufaddieren, (vgl.: S.43).
Man erfährt, was man unter struktureller Erniedrigung zu verstehen hat und auch, dass Beschämung und Scham wie ein transgenerationaler Teufelskreis von Generation zu Generation weitergegeben wird, (vgl.: S. 51). Die Fähigkeit, Scham zu erleben, fußt auf einem Entwicklungsschritt, den Kinder erst ab Mitte des zweiten Lebensjahres vollziehen. Dann nämlich werden sie zu objektiver Selbsterkenntnis fähig, (vgl.: S. 53).
Der Autor erläutert, was man unter Anpassungs-Scham und Gewissens-Scham zu verstehen hat und unterstreicht, dass nicht selten Scham und Schuld verwechselt wird. Die Unterschiede zwischen Scham und Schuld zeigt er detailliert auf. Hierbei lässt er nicht unerwähnt, dass Scham in verschiedener Hinsicht ein narzisstischer Affekt ist, (vgl. S. 60ff.)
Dass Kränkungen krank machen, zeigt der Autor auch auf. Es geht sogar so weit zu konstatieren, dass der plötzliche Entzug von Anerkennung tödliche Folgen haben kann, (mehr dazu Seite 69). Beschämungen bis hin zum Mobbing bedingen einen unkontrollierbaren sozialen Stress und bedingen u.a. ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko, Depressionen und psychosomatische Symptome, (vgl.S.70).
Dargelegt wird auf welche Weise Schamgefühle abgewehrt werden. Zu Sprache gebracht werden die Verhaltensmuster des Versteckens, des Sich- Einigelns, der emotionalen Erstarrung, der Projektion, des Angreifens und hier des Beschämens, der Verachtung, des Zynismus, des Negativismus, der Schamlosigkeit, der Arroganz, des Grolls, des Neides, der Ressentiments, des Trotzes, des Zornes, der Wut und der Gewalt, des Wiederherstellens der verlorenen Ehre und als weiteres Verhaltensmuster das Fliehen und dort die Größenphantasien, die Idealisierung, der Perfektionismus, die Schwerverständlichkeit, Rätselhaftigkeit und schlussendlich die Sucht, (vgl.: S.99).
Nicht selten werden Schamgefühle dadurch abgewehrt, dass andere dazu gezwungen werden, sich zu schämen, sich für lächerlich oder liebensunwert zu halten. Aus diesem Grunde werden sie beschämt, erniedrigt, gedemütigt, verhöhnt und verspottet, (vgl.: S.79).
Um eigene Schamgefühle abzuwehren geht man so weit, andere zu zwingen, sich wie Dreck zu fühlen. Und um das zu erreichen, wird eingeschüchtert, entwürdigt, schikaniert und versucht den anderen zu vernichten, (vgl.: S.82). Zynismus ist ein Indiz dafür, dass jemand zutiefst verletzt ist. Das Gleiche gilt auch für Negativismus.
Schamlosigkeit entsteht übrigens nicht an einem Mangel an Werten, sondern aus einem Widerstand gegen diese, (vgl.: S.86). Der Autor zeigt wie die einzelnen Schamgefühle unbewusst abgewehrt werden. Es ist interessant zu lesen, dass traumatisierte Menschen nicht selten versuchen, die Würde anderer zu verletzen. Man sollte sich das klar machen, wenn Mitmenschen es darauf anlegen zu verletzten und zu demütigen. Offenbar treibt eine seelisch kranke Struktur den Menschen in solche Verhaltensmuster. Wer verletzt, ist verletzt.
Marks macht deutlich, dass Frauen zu Schamabwehrreaktionen neigen, die sich auf die eigene Person richten (Depression, Trotz, Sucht), während Männer mit ihren Abwehrreaktionen gegen ihre Mitmenschen zielen (Verachtung, Gewalt), (vgl.: S.100-101).
In der Folge thematisiert der Autor die Auswirkungen von Scham und verschiedene Formen ihrer Abwehr für Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Erziehung. Sehr lesenswert ist hier das Kapitel "Scham und ihre Abwehr in der Nachkriegszeit".
In Kapitel 5 erfährt man, wie man konstruktiv mit Scham umgeht. Das setzt voraus, dass man dies wahrnimmt. Wer seine Scham aushält und sie reflektiert, wird nicht mit destruktiver Schamabwehr agieren, sondern Selbstachtung und Selbstliebe erlernen. Welche positiven Folgen das hat, wird jedem spätestens dann klar, wenn er dieses aufschlussreiche und empfehlenswerte Buch gelesen hat.
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