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Rezension:Woher kommt die Liebe?: All unsere klugen Gefühle - von Angst bis Vertrauen- Claus Peter Simon

"Auge um Auge- und die ganze Welt wird bald blind sein."(M. Gandhi, S.186), 

Claus Peter Simon, der Autor dieses brillant geschriebenen Sachbuches ist der geschäftsführende Redakteur des Magazins GEO WISSEN. Er hat sich bereits vielfach mit Themen aus den Bereichen Entwicklungspsychologie und Lebenslaufforschung auseinandergesetzt und befasst sich in diesem Werk mit unseren Gefühlen. Nach einer mehrseitigen Einleitung fragt er zunächst, wann die Gefühle entstanden sind und weshalb es sie überhaupt gibt.

Emotionen sind, der Autor verschweigt es nicht, die wohl wichtigsten Motoren und Motivationen des Menschen und es verhält sich offenbar so, dass die Menschheit ohne sie, sowohl im Guten wie im Bösen nicht dort stehen würde, wo sie es heute tut. Ohne Neugierde, wäre die Welt nicht erkundet worden, ohne Ärger, würde es vermutlich keine Problemlösungsbereitschaft geben, um zunächst mal bloß auf zwei der vielen Emotionen, die wir unser Eigen nennen, hinzuweisen.

Für die emotionale Menschwerdung ist das komplexe Gefühl der Empathie notwendig. Schon der Neandertaler scheint sie gehabt zu haben, wie man an einem 1,77 Millionen Jahre alten Schädel nachweisen kann. Wie man weiter erfährt, hat sich das Gefühlsrepertoire in der Steinzeit dann noch mehr ausdifferenziert. Vorformen der Emotionen werden übrigens "Präemotionen" genannt. Sie prägen sich dann in Basisemotionen aus. Zu diesen zählen Angst, Freude, Traurigkeit und Ärger, (vgl.: S.25). In der nächsten Stufe dann entstanden die "primären, kognitiven Emotionen". Bei ihnen dann kam es zu einer Bewertung der Basisemotionen. Als Beispiel nennt Simon u.a. den Ärger, der zur Verärgerung oder Frustration führt, (vgl.: S.26).

Simon fragt, ob alle Menschen ähnlich fühlen und bringt die Spiegelneuronen in diesem Zusammenhang zur Sprache. Schon Darwin erkannte übrigens, dass das Mienenspiel als Königsweg zum Verständnis der Emotionen gilt, (S.28). Die Fähigkeit seine Miene zu verändern benötigt man, um in Gefühlskommunikation mit anderen Menschen zu treten und interessanter Weise können Mimik und das vermittelte Gefühl ansteckend wirken.

Man erfährt Wissenswertes im Hinblick auf die Erkenntnisse des Psychologen Richard Davidson, der an tibetischen Menschen Hirnforschungsstudien betrieben hat und liest von sechs Dimensionen, die für den persönlichen emotionalen Stil entscheidend sind. Ein Faktor ist im Übrigen die Resilienz.

Weiter fragt der Autor, ob wir auf Gefühle verzichten können und gelangt zu dem Ergebnis, dass wir erst im Zusammenspiel der Verstandeskräfte mit den Gefühlen erfahren, was gut und richtig ist, (vgl.: S.46).Ferner beantwortet der Autor die Fragen, ob wir schon immer so gefühlt haben wie heute und ob wir möglicherweise im Zeitalter der Gefühligkeit leben?

In der Folge dann bringt Claus Peter Simon dem Leser sehr anschaulich in zehn Kapiteln die großen Gefühle näher. Es handelt sich hierbei um: Angst, Einsamkeit, Ekel, Glück, Liebe, Neid, Rache, Trauer, Vertrauen und Zorn.

Es lohnt sich, sich mit den einzelnen Gefühlen näher auseinanderzusetzen und zu begreifen, wozu sie eigentlich notwendig sind. Dass hochreaktive Menschen schon anatomisch ein etwas anderes Gehirn haben als relativ angstfreie, finde ich ebenso bemerkenswert, wie die Tatsache, dass gerade ängstliche Menschen in der Kunst und Wissenschaft besonders erfolgreich sind, (vgl.: S. 83).

Dass Einsamkeit eine ansteckende Emotion ist, wäre mir nie in den Sinn gekommen, doch beobachtet habe ich auch bereits, dass einsame Menschen negativ über andere sprechen, einen ablehnenden Gesichtsausdruck haben und eine defensive Körpersprache aufweisen, (vgl.: S.87).

Immer wieder gibt es zu den einzelnen Kapiteln, in denen man über die oben angeführten Kapitel Näheres liest, Exkurse so etwa den Exkurs "Langeweile" bei dem Kapitel über Einsamkeit oder den Exkurs "Eifersucht" bei dem Kapitel über Neid. Bereits Schopenhauer sagte "In Deutschland ist die aufrichtigste Form der Anerkennung der Neid". Mit dieser interessanten Sentenz beginnt übrigens das entsprechende Kapitel und hier auch liest man, dass der Neider den Beneideten als potentiell gefährlich ansieht, (vgl.: S.166). Neid ist nach den Forschungsergebnissen des Primatenforschers Ch. Boehm ein Werkzeug der Evolution, denn er sei notwendig, damit genetische Weiterentwicklung gelinge, (S.172ff.). Was allerdings aufgrund des Unterlegenheitsgefühls geschehen kann, wir ziemlich rasch klar, wenn man dieses Kapitel aufmerksam liest.

Alle Kapitel, auch jene über die Liebe und das Glück sollte man ganz bewusst lesen und vielleicht auch mit Freunden über das Gelesene sprechen, denn es ist so wichtig, sich seiner Emotionen bewusst zu sein. Es stimmt, spätestens nach der Lektüre dieses Buches wird klar: "Gefühle sind alles andere als irrational. Denn sind sie ausgeschaltet, handeln die Menschen keineswegs vernünftig, sondern im höchsten Maße unvernünftig.", (Zitat: S. 263).

Wer seine Gefühle genau anschaut, wird mit ihnen besser umgehen lernen und klüger handeln. Klüger zu handeln bedeutet auch, dazu beizutragen, dass nicht über kurz oder lang die ganze Welt blind sein wird. Ein wichtiges Buch.

Sehr empfehlenswert.

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