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Rezension: Anatomie der menschlichen Destruktivität (Taschenbuch)

Der Psychologe Erich Fromm zeigt in diesem Buch die Gründe von destruktivem (zerstörerischem) Verhalten auf und beschreibt detailliert anhand von ausführlichen Studien die Persönlichkeit von Hitler, Stalin sowie Himmler. Destruktive Persönlichkeitsstrukturen und deren individuelle und soziale Ursachen führen dazu Leben entweder absolut zu kontrollieren oder zu zerstören und kennzeichnen das Agieren eines destruktiven Menschen.

Woher kommt die Unfähigkeit zu lieben, Empathie zu empfinden und sich sozial zu verhalten? Im ersten Teil des umfangreichen Buches befasst sich Fromm mit Instinkt- und Trieblehren und in diesem Zusammenhang mit Freuds Aggressionsbegriff, setzt sich mit Konrad Lorenz auseinander und verdeutlicht die Unterschiede im Denkansatz von Freud und Lorenz. Des weiteren thematisiert er die Vertreter der Milieutheorie und die Behavioristen um dann die Unterschiede zwischen Triebtheorien und Behaviorismus herauszuarbeiten.

Im zweiten Teil lotet Fromm die Befunde aus, die gegen die Thesen der Instinkt- und Triebforscher sprechen, beleuchtet dabei neurophysiologische Betrachtungen, das Aggressionsverhalten von Tieren und stellt anthropologische Erkenntnisse vor. Schließlich verdeutlicht er im dritten Teil die verschiedenen Arten von Aggression sowie Destruktivität und ihre jeweiligen Voraussetzungen.


Fromm grenzt gutartige von bösartiger Aggression ab. Zur gutartigen Aggression zählen u.a. die unbeabsichtigte und die spielerische Aggression und solche, die aufgrund von Freiheitsmangel entsteht. Ausführlich werden dann die Prämissen für bösartige Aggression dargestellt, um letztlich den destruktiven Charakter, der immer auch ein sadistischer ist, zu beschreiben. Sadismus (und Masochismus) stellen, so Fromm, als sexuelle Perversion nur einen Bruchteil des großen Bereichs Sadismus dar, bei dem kein sexuelles Verhalten im Spiel ist. Das nicht sexuelle sadistische Verhalten zielt darauf ab körperlichen Schmerz bis zum äußersten, auch wenn er zum Tode führt zuzufügen. Folter ist das Instrument des körperlichen Sadismus.

Seelische Grausamkeit, der Wunsch einen anderen Menschen zu demütigen und seine Gefühle zu verletzten, ist nach Ansicht des Psychologen noch weiter verbreitet als körperlicher Sadismus. Diese Art des sadistischen Handelns ist für Sadisten viel weniger riskant, denn dabei kommt keine physische Gewalt , sondern "nur" Worte zur Anwendung. Seelisches Leiden kann aber ebenso intensiv oder noch intensiver als körperliches Leiden wirken. Ein Charakterzug des Sadisten besteht darin, dass er stets nur von Hilflosen, nicht von Starken stimuliert wird. Für den sadistischen Charakter gibt es nur eine bewundernswerte Eigenschaft und das ist die Macht. Den Mächtigen bewundert und liebt er. Er duckt sich gerne vor ihm, verachtet den Machtlosen, der sich nicht wehren kann und wünscht ihn zu kontrollieren und zu beherrschen.


Der sadistische Charakter ist durch Angst vor dem Leben gekennzeichnet, so Fromm. Sadistische Menschen sind liebesunfähig, weil Liebe für solche Personen ein unsicheres Terrain ist. Geliebt werden setzt voraus, dass man selbst Liebe erwecken kann und Lieben schließt das Risiko ein abgelehnt zu werden und zu scheitern. Der sadistische Charakter kann nur "lieben", wenn er andere beherrscht, das heisst, wenn er Macht über den Gegenstand der Liebe hat. Ein Sadist fühlt sich stets impotent, unlebendig und machtlos. Deshalb möchte er, dass er den Wurm als den er sich fühlt in einen Gott verwandeln.


Bei allem sind Sadisten immer unterwürfig und hochgradig feige. Sie können töten und quälen, dennoch bleiben sie ungeliebte, isolierte, angstvolle Menschen, die eine höhere Macht benötigen, der sie sich unterwerfen können. Dies wird an den Beispielen Hitler, Stalin und Himmler verdeutlicht. Die Ursachen bösartig destruktiven Verhaltens liegen nach Fromm in psychosozialen Fehlentwicklungen. Durch den Mangel an Liebe entsteht Empathielosigkeit und ihre sadistischen Auswirkungen. Fromm wirbt mit seinem Buch dafür, die gesellschaftspolitischen und familiären Bedingungen so zu verändern, dass zukünftig die Würde der Menschen seitens der Attacken sadistischer Charaktere nicht mehr angetastet wird. Menschen , die in ihrer Kindeit geliebt und akzeptiert werden, mutieren nicht zu Destrukteuren.


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