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Rezension: Gelassenheit: Was wir gewinnen, wenn wir älter werden (Gebundene Ausgabe)

"Gelassenheit ist das Gefühl und der Gedanke, sich in einer Unendlichkeit geborgen zu wissen, für die nicht wichtig ist, welchen, Namen sie trägt." (S.106)

Prof. Dr. Wilhelm Schmid wartet in diesem Bücherfrühling mit einem bemerkenswerten kleinen Büchlein auf, das so gar nicht in den Frühling passen will, denn er thematisiert das Älterwerden. Der Autor zählt derzeit gerade mal 60 Lenze, sieht sich aber dennoch bereits genötigt, über zukünftige, möglicherweise weniger erquickliche Lebensphasen nachzudenken. Nicht viele tun dies in einer Zeit, wo die meisten, ewige Jugend anstreben und sich diesbezüglich pausenlos stressen.

Vor einigen Tagen habe ich auf Facebook das Bild und den Bericht über die derzeit älteste Frau auf der Welt verlinkt, weil sie gerade Geburtstag feierte. Ich wollte wissen, wie FB-Freunde darauf reagieren und freute mich über die Resonanz. Angst vor dem Älterwerden haben wir vermutlich nur dann, wenn wir keine betagten und dabei gesunden Menschen kennen gelernt haben, sei es persönlich oder aufgrund von Berichten. Dann verwechseln wir unter Umständen Alter mit Krankheit und das ist ein schwerer Fehler.

Mich fasziniert es seit meiner frühen Kindheit, wenn Menschen in ihrer vierten Lebensphase erkennbar entspannt und fröhlich sind. Mein 1871 geborener Urgroßvater war es und mein über 90 jähriger Onkel ist es auch, der übrigens davon überzeugt ist, dass Nachfolgegenerationen die Chance haben, weit über 100 Jahre alt zu werden, wenn sie sich gesund ernähren, sich ein wenig bewegen und eine positive Grundhaltung haben. Eines jedoch ist notwendig, man muss akzeptieren, dass das Leben endlich ist.

Diesbezüglich scheinen Menschen im Hier und Heute allerdings Probleme zu haben. Schmid reflektiert in 10 Kapiteln, was wir gewinnen, wenn wir älter werden. Ein toller Ansatz, der schon auf dem Cover deutlich macht, dass Älterwerden keinesfalls nur Verlust bedeutet, wie die Werbung und die Schönheitschirurgen aus Profítgíer es nicht selten uns allen weiß machen möchten.

Gleich auf den Seiten 10/11 schreibt Schmid "Gelassen leben kann ein Mensch nur mit dem, was er als wahr akzeptiert- ansonsten benötigt er alle Kraft für die Leugnung des angeblich Unwahren, das dennoch existiert." Genau deshalb ist es notwendig, die Endlichkeit auch körperliche Veränderungen, die mit dem Älterwerden zu tun haben, zu akzeptieren. Je mehr man sich gegen den natürlichen Prozess krampfhaft stemmt, umso mehr Fahrt nimmt er auf, so jedenfalls meine Beobachtungen. Schmidt bringt es auf den Punkt, indem er schreibt "Art of Aging statt Anti-Aging- eine Kunst des Älterwerdens, um mit diesem Prozess zu leben, statt dagegen anzuleben."

Es macht Sinn, sich diverse Fragen zu stellen, wenn man sich bewusst mit dem eigenen Älterwerden auseinandersetzen möchte. Schmidt artikuliert solche Fragen in seinem Buch und er vermutet ganz ähnlich wie ich übrigens, dass es ein "Auswuchs des überschießenden Ichimus der modernen Zeit" ist, der das ewig junge Ich propagiert.

Schmidt fragt sich, ob er dazu in der Lage ist, zeitliche Grenzen der reifen Fülle des Lebens zu akzeptieren. Diese Frage sollte sich jeder stellen. Er denkt in dieser Beziehung über Gelassenheit nach, eine Eigenschaft, über die schon griechische Philosophen nachgedacht haben, weil sie der Schlüssel für ein schöneres Leben ist. Schmid versucht in 10 Schritten die Gelassenheit ausfindig zu machen, die uns entspannter in die Zukunft schauen lässt.

Die einzelnen Schritte werde ich nun nicht in Kurzform wiedergeben, auch nicht das Inhaltsverzeichnis aufnotieren, denn ich möchte den Lesern nicht die Neugierde auf das Buch nehmen. Interessante Fragen wie etwa "Was ist mir wichtig, was sollte ich besser nicht länger aufschieben?" sollte man sich in einer stillen Stunde selbst beantworten. Ich denke am wichtigsten ist es, gelassen im Jetzt zu leben, nicht an Verlust von Kraft in der Zukunft zu denken, sich dieses potentiellen Verlustes aber bewusst zu sein. Wir wissen nicht wie das letzte Viertel ausschaut, klar, aber wir können vieles für unsere Gesundheit tun, dann müssen wir keineswegs zerbrechliche Knochen und andere Schwierigkeiten bekommen, lieber Prof. Dr. Schmid.

Der Autor schreibt über bestimmte Interessen, die sich im Älterwerden steigern, so etwa die Lust am Reisen, die Lust an der Erinnerung, die Lust am Gespräch. Die Lust zu reisen und zu diskutieren hat man als aufgeschlossener Mensch eigentlich auch in jungen Jahren. Erinnern? Ja, wenn man Erkenntnisse daraus ziehen kann, ansonsten ist das Vergangene nach meiner Ansicht uninteressant, unergiebiger Ballast und führt nur zu nostalgischen Anwandlungen, die man für ein heiteres Leben im Jetzt nicht braucht. Dann doch lieber fröhliche Stunden im Garten, der auch auf einer Fensterbank gestaltet werden kann.

Schön, dass Schmid die Frage stellt, wieso Menschen Gärten lieben und diese Frage auch vortrefflich beantwortet. All meine betagten Verwandten sind passionierte Hobbygärtner, meine mittlerweile verstorbenen über 90 jährigen Großtanten waren es übrigens auch. Wer bewusst im Garten das Werden und Vergehen beobachtet, geht gelassener mit der Endlichkeit um und wer täglich Blumen blühen sieht, spürt deren Lächeln und lächelt zurück. Im Lächeln und im Charme liegt das eigentliche Geheimnis entspannten Älterwerdens vermute ich seit langem.

Weltschmerz und Einsamkeit treten dann ein, wenn man mit seinem Lächeln geizt. Lächeln ist eine intensive Form der Berührung und "Die Berührung ist eine Aufmerksamkeit, ohne die ein Mensch seelisch und schließlich körperlich auszudörren und zu verwelken droht." (S.69).

Ein gelassenes, unaufdringliches Lächeln steht nicht selten am Beginn von Freundschaften und wie Schmid es ja so treffend formuliert "Ein Mensch genügt, um gemeinsam mit ihm dem Leben Sinn zu geben. Das ist der Schlüssel dafür, lange jung zu bleiben." (S.81).

Nichts schlimmer als Isolation im Ich-Gefängnis, das gewiss im fortschreitenden Alter die Hölle darstellen muss. Wohl dem, der Freundschaften pflegt und das Prinzip des Gebens und Nehmens begriffen hat, dem nämlich bleibt die Hölle eines unerquicklichen, einsamen Alters erspart.

Sehr empfehlenswert.

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