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Rezension: Adel des Geistes- Rob Riemann

 Dem Klappentext ist zu entnehmen, dass Rob Riemen, der Autor dieses Buches, Gründer und Präsident des Nexus Institutes in den Niederlanden ist. Bei dem Institut handelt es sich um ein internationales Zentrum für die Debatte sozialer, philosophischer und künstlerischer Themen. Das vorliegende Buch wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Es befasst sich mit dem so genannten "Adel des Geistes", der in den Augen des Autors weit mehr ist als ein Gelehrsamkeitsideal des 16. Jahrhunderts. Derjenige kann ihn erwerben, für den Wahrheit, Freiheit und Würde die höchsten Werte darstellen, die in seinem gesamten Tun erste Bedingung seines Handelns sein müssen.

Riemen hat vier Essays zu dem Thema verfasst. Im ersten Essay berichtet er von seiner Begegnung mit Elisabeth Mann Borgese, der jüngsten Tochter von Thomas Mann und deren Freund Joseph Goodmann. Ich möchte die Begegnung nicht episch breit nacherzählen, während der man viel über das Denken Elisabeths und des hochgebildeten Musikers aber auch über Goodmans großes Vorbild Whiteman erfährt, für den bereits klar war, dass ein System, politische Institutionen und ein Stimmrecht noch keine tatsächlichen Garanten für eine wahre Demokratie darstellen. Whiteman beschrieb, wie man erfährt, die Verluderung und Korruption der Wirtschaftselite, den mangelnden Gemeinsinn und die zunehmende Vulgarität, Heuchelei und Dummheit, die mit eine erfolgreichen materiellen Entwicklung einhergehen, (vgl. S.25). Ich kenne die Texte des amerikanischen Dichters, der von 1819-1892 lebte, nicht, werde mich mit diesem jedoch demnächst beschäftigen. Whiteman wusste offenbar, dass das Leben als Suche nach Wahrheit und Schönheit, dem Guten und der Liebe begriffen werden sollte, weil dies die Kunst des Menschwerdens, die Kultivierung der menschlichen Seele ist, (vgl.: S.25). Das sehe ich auch so.

Joseph Goodman, der, in der Art und Weise, wie ihn Riemen beschreibt, über Adel des Geistes verfügte, besaß ein ethisches Grundverständis, das weit zurückreicht und halt macht bei Spinoza, dessen Ethik Riemen hervorragend zusammenfasst. Riemen erkennt, dass die Freiheitsstatue in New York im Grunde eine symbolische Tochter von Spinoza sein könnte. Riemen schreibt von der Liebe zu Weisheit und davon, dass Spinoza bereits erkannte, dass Wahrheit und Freiheit unlösbar miteinander verbunden sind und dass derjenige, der nicht frei ist, die Wahrheit nicht leben darf, (vgl.: S. 35). Spinoza auch wusste schon, dass das wahre Denken Unabhängigkeit erforderlich macht und Macht und Geld die Freiheit letztlich nur einschränken.

Riemen macht deutlich, was Spinoza Goethe durch sein Werk lehrte und was es nach Spinoza bedeutet, Mensch zu sein. Nur wer sich weder durch Begierden, Reichtum, Ehrgeiz und Macht, noch durch Furcht beherrschen lässt, sondern sich durch das Bleibende, wahre Gute leiten lässt, hat sich geistige Freiheit und somit wahre Freiheit erworben, (vgl.: S.38). In diesem Sinne ist der Protagonist des 1. Essays Joseph Goodman, wie man ihn durch die Beschreibung Rob Riemens kennenlernt, ein Mensch, der über wahre Freiheit verfügte und insofern sich glücklich schätzen konnte, Adel im Geiste erworben zu haben.


Riemen schreibt in der Folge von Thomas Mann, der 1945 einen Sammelband mit dem Titel "Adel des Geistes. Sechszehn Versuche zum Problem der Humanität" herausgab. Im Essay Riemens "Thomas Mann und seine Zeit" lernt man Manns philosophische Entwicklung im Hinblick auf den Begriff Wahrheit kennen und erfährt von dessen "Betrachtungen eines Unpolitischen", in denen er sich nach dem ersten Weltkrieg mit der Frage auseinandersetze, ob seine Auffassungen über den Menschen, die Kunst, die Wahrheit und die Moral nicht ihre Gültigkeit verloren haben, (vgl.: S.50). Mann erkannte, dass Kultur zur Barbarei verkommt, wenn man politische-gesellschaftliche Entwicklungen ignoriert. Für Thomas Mann stellte die Wahrheit keinen empirischen oder mathematischen Begriff dar, sondern sie ist Maß und Wert, das Ideal nach dem jeder Mensch streben sollte, (vgl.: S.59). Man erfährt von Manns Anliegen in seinem "Dr.Faustus", in der es um intellektuellen Hochmut und moralische Blindheit geht. Die Rede ist von der Nachbarschaft von Ästhetizismus und Barbarei als Folge des Kultes um Kunst, der Wahnidee, dass der Mensch sich selbst erlösen könne, (vgl.: S 64). Solche Ideen führen nicht zum Adel des Geistes, der ohne Demut nicht zu erreichen ist.

Rob Riemen schreibt von Sokrates und Platon, sucht bei vielen Philosophen, Baltasar Gracian, Camus, Sartre, Nietzsche etc. nach Antworten. Ist der 11.September ein Angriff auf unsere Kultur oder die Konsequenz eines Mangels an Kultur? (Zitat. S. 85). Ich finde, dies ist eine sehr gute Frage, mittels derer man sich dem Mangel an Adel des Geistes im Hier und Jetzt bestens nähern kann.

Wenn Spaß und Genuss das Bewusstsein für Gut und Böse ersetzen, wird es schwierig sein, Adel des Geistes zu erwerben. Die Menschen sind nicht mehr durch universale Werte miteinander verbunden sein, sondern sie bestehen nur noch aus einer Ansammlung von egomanen Einzelwesen. Wir alle haben- und das macht das Buch deutlich- eine Verantwortung im Hinblick auf intellektuelle Integrität. Wir dürfen den Adel des Geistes nicht verraten, weil nur er den Fortbestand der Menschheit garantiert.

Läuten wir also das Ende der Spaß- und Genussgesellschaft ein und kümmern wir uns um die universalen Werte.

Empfehlenswert.


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