Ich hatte lange ein Abneigung, mich mit Texten von Nietzsche zu befassen. Die Abneigung beruhte auf Vorurteilen, die ich erst im Laufe der letzten Jahre zu reflektieren begann. Erst dann habe ich den ein oder anderen Nietzsche-Text gelesen und auch rezensiert.
Das vorliegende Buch enthält eine Fülle höchst eloquenter Texte des Philosophen, die verdeutlichen, zu welch philosophischen Höhenflügen dieser Mensch fähig war. Nach einem mehrseitigen Essay des Herausgebers Ludger Lütkehaus mit dem Titel "Friedrich Nietzsche, die umfangreichste Seele der Philosophie" hat man Gelegenheit, sich mit Texten des Philosophen zu Schopenhauer, zu Wagner, zur Tragödie, zur Historie, der Wahrheit, dem Unbewussten, zum freien Geist, zu der These, "Gott ist tot", zum Nihilismus, zur Umwertung der Werte, zum Willen zur Macht, zum Übermenschen, zur Amor fati und der Ewigen Wiederkunft und mit seinem Text "Ecco homo" näher zu befassen.
Die einzelnen Textstellen im Rahmen einer Rezension analytisch aufdröseln zu wollen, ist ein unmögliches Unterfangen. Ich denke die Texte Nietzsches kann man in ihrer Gesamtheit nur ansatzweise begreifen, wenn man keinen Mentor an seiner Seite hat. Es tauchen zu viele Fragen auf, obschon doch Vieles sich sehr einfach liest und zeigt, wie realistisch dieser Denker die Wirklichkeit wahrnahm: "Der Intellekt, als Mittel zur Erhaltung des Individuums, entfaltet seine Hauptkräfte in der Verstellung; denn diese ist das Mittel, durch das die schwächeren, weniger robusten Individuen sich erhalten, als welchen einen Kampf um die Existenz mit Hörnern oder scharfem Raubtier-Gebiss zu führen versagt ist. Im Menschen kommt diese Verstellungskunst auf den Gipfel: hier ist die Täuschung, das Schmeicheln, Lügen und Trügen, das Hinter-dem Rücken-reden, das Repräsentieren, das im erborgtem Glanze leben, das Maskiertsein, die verhüllende Convention, das Bühnenspiel vor den Anderen und vor sich selbst, kurz das fortwährende Herumflattern um die eine Flamme der Eitelkeit so sehr die Regel und das Gesetz, das fast nichts unbegreiflicher ist, als wie unter den Menschen ein ehrlicher und reiner Trieb zur Wahrheit aufkommen konnte. Sie sind tief eingetaucht in Illusionen und Traumbildern, ihr Auge gleitet nur auf der Oberfläche der Dinge herum, sieht nur "Formen", ihre Empfindung führt nirgends in die Wahrheit, sondern begnügt sich Reize zu empfangen und gleichsam ein tastendes Spiel auf dem Rücken der Dinge zu spielen."(Zitat. S. 189).
Ich habe aus dem 421 Seiten umfassenden Buch gezielt diese Textstelle zitiert, weil sie wie keine zweite Nietzsches Blick auf uns Menschen zum Ausdruck bringt. Die Eitelkeit ist die Triebkraft für die Verstellung, die uns daran hindert, die Dinge an sich zu erkennen. Leider.
Auf Seite 243 lese ich den Satz Nietzsches :" Unter friedlichen Umständen fällt der kriegerische Mensch über sich selbst her." Das entspricht auch meinen Beobachtungen. Destruktive Menschen agieren immer so, weil ihre Angst,- der Motor ihres Verhaltens-, außer Aggression nichts zulässt.
"Der schöne Schein der Traumwelten, in deren Erzeugung jeder Mensch voller Künstler ist, ist die Voraussetzung aller bildenden Kunst, ja auch, wie wir sehen werden, einer wichtigen Hälfte der Poesie", schreibt Nietzsche in seiner "Geburt der Tragödie." (Zitat.S. 109)
Den schönen Schein der Traumwelten kann ich in folgendem Vers nicht erkennen und doch drücken diese Zeilen Nietzsches etwas aus, das mich veranlasst, es hier wiederzugeben:
Mein Freund, was hier
Mich hemmt und hält ist dein Verstand,
Mitleid mit dir!
Mitleid mit deutschem Quer-Verstand!
(vgl. S. 261)
In Nietzsches nachgelassenen Fragmenten finde ich einen Satz, mit dem ich diese Rezension beenden möchte, die nicht mehr sein soll, als ein Versuch des Neugierigmachens auf die beeindruckenden Texte: "Eine Seele, in welcher die Weltweiseheit wohnt, muss durch ihre Gesundheit auch den Körper gesund machen", so sagt es Montaigne und ich gebe heute gerne mein Jawort dazu, als einer, der auf diesem Bereich Erfahrung hat."(Nietzsche)
Lesenwert. Sehr zu empfehlen.
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