Ekkehard Martens befasst sich in diesem Buch sehr nachhaltig mit Fragen angewandter Philosophie. In diesem Zusammenhang verdeutlicht er, dass Sokrates der Mensch war, der sich zeit seines Lebens besonders intensiv mit prinzipiellen Fragen der Lebenspraxis auseinandersetzte. In seinen Dialogen mit berühmten Politikern, Gelehrten und Dichtern, auch mit Handwerkern und einfachen Leuten seiner Zeit musste er immer wieder erfahren, dass sie alle zwar zu wissen glaubten, was für sie gut sei und was Glück bedeute, sie es gleichwohl in Wahrheit aber nicht wussten und nicht einmal danach fragten. Nicht grundlos steht in den ersten Kapiteln des Buches Sokrates im Mittelpunkt - auch mit kleinen Kostproben seiner spöttisch -provozierenden Dialoge, die er in erster Linie mit der Jugend von Athen führte-.
Martens hält fest, dass die Ausgangsfrage, wie wir heute zwischen Gut und Böse leben können, zwar nicht ohne Sokrates geklärt werden kann, gleichwohl auch nicht mit ihm alleine. Von daher muss zum sokratischen Geist der rationalen Aufklärung ein Nachdenken über unsere Zeit mit ihren drängenden Problemen aus Wissenschaft, Technik, Ökologie, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft hinzukommen. Wie dies ausschauen kann, zeigt Martens in seinen Texten gut nachvollziehbar.
Mich hat überrascht, wie differenziert er nach klugen Antworten auf die von ihm formulierten Fragen sucht. Es sind zwölf Fragen, die er sich und seinen Lesern stellt. Eine dieser Fragen lautet: "Wie ist Frieden möglich?". Bei der Beantwortung dieser Frage zieht er nicht zuletzt auch Kant Zum ewigen Frieden: Ein philosophischer Entwurf zu Rate und vergisst nicht die Präambel der UNESCO zu zitieren, die mit den Worten endet: ".... folglich muss der Friede, wenn er erhalten werden soll, auf der Grundlage der geistigen und moralischen Solidarität der Menschen errichtet werden."
Außer realpolitischer Maßnahmen und einer moralischen Aufklärung ist für den Frieden auch eine Aufklärung über die Aufklärung notwendig. Von daher fragte Albert Einstein 1932 in einem Brief den Psychologen Sigmund Freud: "Gibt es einen Weg, die Menschen von dem Verhängnis des Krieges zu befreien? Die Einsicht, dass diese Frage durch den Fortschritt der Technik zu einer Existenzfrage für die zivilisierte Menschheit geworden ist, ist ziemlich allgemein durchdrungen und trotzdem sind die heißen Bemühungen um ihre Lösung bisher in einem erschreckendem Maße gescheitert." Freud macht u.a. in seiner Antwort deutlich, dass es notwendig sei, die Gegenkräfte gegen den Aggressionstrieb zu stärken: "Alles, was Gefühlsbindungen zwischen Menschen herstellt, muss dem Krieg entgegenwirken...(...). Alles, was bedeutsame Gemeinsamkeit unter den Menschen herstellt, ruft solche Gemeingefühle, Identifizierungen hervor. Auf ihnen beruht zum guten Teil der Aufbau der menschlichen Gesellschaft."
Voraussetzung von moralischem Sollen ist faktisches Können. Deshalb sind biologische und tiefenpsychologische Erklärungen des Bösen eine notwendige Aufklärung über die Grenzen einer vernunft- und moralorientierten Friedenpolitik hinaus. Die unterschiedlichen Formen philosophischer, tiefenpsychologischer aber auch ästhetischer Aufklärung (letztere wird auch vom Autor thematisiert) sind zwar keine hinreichende, allerdings eine notwendige Bedingung, wie wir Frieden als gerechte Konfliktregelung ermöglichen können.
Auch bei der Beantwortung aller anderen Fragen, wie etwa "Warum kann ich nicht sagen, was ich will?" wird deutlich, dass die grundsätzliche Bereitschaft zwischen Gut und Böse unterscheiden zu wollen, einhergeht mit der Bereitschaft, ernsthafte Selbst- Reflektion zu betreiben.
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