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Rezension:Massenpsychologie und Ich-Analyse / Die Zukunft einer Illusion (Taschenbuch)

Man könnte ihn definieren als Zusammenschluss einer Anzahl von Menschen aus einem besonderen Anlass und für eine bestimmt Zeit, die durch eine Absenkung der Bewusstseinslage oder Bewusstseinsklarheit ihrer Mitglieder, durch Übereinstimmung in Gefühlen und Handlungsimplulsen und durch eine besondere Disposition zu Affektausbrüchen aller Art gekennzeichnet ist.

Nach Freud bildet sich das Massengefühl zunächst in der mehrzahligen Kinderstube aus dem Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern als Folge auf den anfänglichen Neid, mit dem das ältere Kind das jüngere aufnimmt. Offensichtlich möchte das ältere Kind das nächste eifersüchtig verdrängen, von den Eltern fernhalten, es aller Anrechte berauben, doch aufgrund der Gegebenheit, dass auch dieses Kind wie alle folgenden in gleicher Weise von den Eltern geliebt wird und infolge der Unmöglichkeit, auf der feindselige Einstellung ohne negative Konsequenzen zu beharren, wird es zur Identifizierung mit den anderen Kindern gezwungen. So bildet sich lt. Freud in der Kinderschar ein Massen- bzw. Gemeinschaftgefühl heraus.

Massenpsychologie ist die Bezeichnung für Kollektivpsychologie nach analytischen und psychoanalytischen Gesichtspunkten in Unterscheidung zur Psychologie der Massen im Rahmen der Soziologie.
Für Freud entsteht die Masse durch libidinöse Bindung. So kennt er sogar die Masse zu zweit, das Verhältnis zwischen Hypnotiseur und Medium.
Wesentliches Element ist nach Freud für die Massenbildung die Identifikation mit dem Führer.

Unter Identifikation versteht man psychoanalytisch betrachtet die unbewusste Gleichsetzung der eigenen Person mit der anderen Person, so dass diese zu einem unbewussten Vorbild für das Denken, Handeln und sonstige Verhaltensweisen wird.

Über den Führer erfolgt die Identifizierung des Individuums mit den übrigen Massenmitgliedern. Der Führer wird für die Masse zum Ich-Ideal.

Unter dem Ich-Ideal versteht man nach Freud durch die Instanz des Über-Ich unbewusst geprägten Ideale.

Freud führt dazu aus, "Er braucht nur die typischen Eigenschaften dieser Individuen in besonders scharfer und reiner Ausprägung zu besitzen und den Eindruck größter Kraft und libidinöser Freiheit zu machen, so kommt ihm das Bedürfnis nach einem starken Oberhaupt entgegen, bekleidet ihn mit der Übermacht, auf die er sonst vielleicht keinen Anspruch hätte. Die anderen, deren Ich-Ideal sich in seiner Person sonst nicht ohne Korrektur verkörpert hätten, werden dann suggestiv, d.h. ohne Identifizierung mitgerissen."

Allzusehr dem Gedanken verhaftet, dass die Libido eine letzlich sexuelle Kraft für alle Triebe und Antriebe sei, hat Freud Religion und Weltanschauung als treibende Kraft für Massenbewegungen für eine Illusion gehalten, die keine Zukunft hätte. So hat er tragischer Weise die politische Entwicklung in Europa zur Katastrophe hin missverstanden und nicht erkannt.



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