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Rezension: Was ist der Mensch? Karl Jaspers- Piper

Der Philosoph und Psychiater Karls Jaspers( 1883-1969) entwarf vor allem von S. Kierkegaard beeinflusst seine Philosophie der Existenz. Wie dem vorliegenden Buch zu entnehmen ist, zielt diese in erster Linie auf Existenzerhellung, die in Grenzsituationen des Lebens wie Schuld, Kampf, Leid und Tod möglich wird. Angesichts dieser Situationen leuchtet der Sinn unseres Daseins auf: Gelassenheit, Verantwortung, Liebe und Glück.

In: "Was ist der Mensch?", Untertitel: Philosophisches Denken für alle, zeichnet Karl Jaspers zunächst ein feinfühliges Selbstportrait, dem sich eine kurze Beschreibung seines Weges zur Philosophie anschließt. Anschließend beantwortet der Philosoph die Frage, was Philosophie eigentlich ist, thematisiert die Wechselbeziehung zwischen Philosophie und Wissenschaft, geht auf die Ursprünge der Philosophie ein und unterscheidet hier zwischen historischen Anfängen und den Quellen aus denen der Antrieb zum Philosophieren kommt.

Es ist unmöglich auf alle Texte Jaspers und alle Kommentare Hans Saners, des Herausgebers dieses Buches,  einzugehen, weil dies den Rahmen der Rezension sprengen würde.

Mit großem Interesse habe ich Jaspers Betrachtungen zur philosophischen Lebensführung gelesen. Er sieht zwei Wege: zum einen den der meditativen Besinnung, zum anderen den der Kommunikation. Selbstreflektion, transzendierende Besinnung und Besinnung auf das, was gegenwärtig zu tun ansteht, lehrt die Macht des Gedankens. Denken selbst ist für den Philosophen der Beginn des Menschseins. Jaspers verdeutlicht, dass Philosophieren an die Grenzen der Verstandeserkenntnis drängt, um sich zu entzünden. Er konstatiert, dass derjenige, der meint alles zu durchschauen. nicht mehr philosophiert, weil derjenige, der kein Geheimnis mehr kennt, nicht mehr sucht.

Nicht unerwähnt lässt Jaspers, dass die Philosophie keine Lehre im Sinne von Vorschriften ist,  unter die die Einzelfälle des täglichen Lebens subsumiert werden können. Diesen Satz sollte man rot anstreichen, denn sein Inhalt wird oft vergessen, was nicht selten zu unergiebigen, pseudointellektuellen Diskussionen führt. Bevor Jaspers die Grenzsituationen, die ich in meiner Rezension eingangs erwähne, näher beleuchtet, definiert er die Begriffe Grenze und Situation. Grenzsituation sind für ihn immer seiende, unwandelbare Situationen, die mit dem Dasein selbst gegeben sind. Die einzelnen Grenzsituationen werden im Anschluss daran näher beleuchtet und versucht den Sinn dieser Situationen zu erhellen.

Alle Wege des philosophischen Lebens und des Denkens führen an diese Grenzen, an denen die Möglichkeiten des Menschen aufleuchten, die mehr als bloßes Dasein sind. Als Kern aller erfüllenden Möglichkeiten sieht Jaspers die "Existenz". Er definiert in der Folge, was man unter ihr zu verstehen hat und kommt zum Ergebnis, dass Existenz nur in Kommunikation von Existenzen stattfindet.

Jaspers verquickt die Philosophie der Grenzsituationen mit der Philosophie der Kommunikation und zeigt u. a. die Wechselwirkung, zwischen Einsamkeit und Kommunikation, aber auch zwischen der Liebe und Kommunikation. Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Sätze zitieren, die viel über das einfühlsame, reflektierte Denken Jaspers aussagen: "Ohne existentielle Kommunikation ist alle Liebe fragwürdig. Wenn auch die Liebe nicht begründet, so ist sie doch keine Liebe, die nicht in Kommunikation sich bewährt. Wo Kommunikation endgültig abbricht, hört Liebe auf, weil sie Täuschung war; wo sie aber wirklich war, kann die Kommunikation nicht aufhören, sondern muss ihre Gestalt verwandeln. Kommunikation ist die von der Liebe erfüllte Bewegung im Zeitdasein, welche auf das Einswerden zu gehen scheint, aber im Einsgewordensein aufhören muss. Das Zweisein lässt die Liebe nicht zur Ruhe kommen."( S. 187)

Für Jaspers ist die Philosophie der Existenz eine Philosophie der Freiheit und zwar Freiheit im Aneignen der Grenzsituationen aber auch im Prozess der Kommunikation.

Weiter beleuchtet Jaspers, ob eine philosophische Ethik möglich sei und bejaht dieses. Für die Lüge gilt: "Du sollst dich nie selbst belügen" und "Du sollst niemals Menschen belügen, mit denen Du in Kommunikation verbunden bist". Saner verdeutlicht, dass diese Sicht letztlich in eine Doppelmoral führt, weil sie die "Binnenmoral" der Intimität von der relativen Außenmoral der Gesellschaft abspaltet.

Jaspers lotet in der Folge den Handlungsbegriff aus und befasst sich mit ethischen Sätzen und Rechtssätzen um schließlich das absolute Bewusstsein als Liebe und Phantasie als Spiel sowie als Gelassenheit zu beschreiben.

Es ist unmöglich im Rahmen der Rezension diesen Themen komplex zu erläutern. Ein Sinn der Lebens ist für Jaspers, wie eingangs bereits erwähnt die Liebe, als "die unbegreiflichste, weil grundloseste und selbstverständlichste Wirklichkeit des absoluten Bewusstseins."( S. 216) Sie ist für ihn unendlich, hellsichtig, bedeutet Aufschwung und gegenwärtige Befriedigung und ist als erfüllte Gegenwart nur Gipfel und Augenblick, sie ist als Wiederholung Treue, ist Selbstwerden und Selbsthingabe. Jaspers hält fest: "Wo ich mich wahrhaft ganz, ohne Rückhalt, gebe, finde ich mich selbst. Wo ich mich auf mich selber wende und Reserven festhalte, werde ich lieblos und verliere mich. Die Liebe hat ihre Tiefe im Verhältnis von Existenz zu Existenz."( S.217)

Diese Liebe, wie auch die Phantasie, das Spiel und die Gelassenheit zu leben sind der Sinn unseres Daseins.

Im Buch wird des Weiteren Jaspers mythisches Denken abgehandelt und die Frage nach der Transzendenz ausgelotet.

Der ethische Anspruch von Jaspers Philosophie hat bei ihm zur politischen Kritik geführt. Er wandte sich aufgrund dessen gegen totalitäre Systeme und gegen die freiheitsgefährdende Atompolitik der Weltmächte.

Mit großem Interesse habe ich Jaspers Betrachtungen zu den Schuldbegriffen zum Ende des Buches gelesen. Er untergliedert in kriminelle, politische, moralische und metaphysische Schuld. Durch diese Unterscheidung wird der Sinn von Vorwürfen geklärt. Jaspers macht dabei u. a. klar, dass beispielsweise politische Schuld zwar Haftung aller Staatsbürger für die Folgen staatlicher Handlungen beinhaltet, jedoch nicht kriminelle und moralische Schuld des einzelnen Staatsbürgers in Bezug auf Verbrechen, die im Namen des Staates begangen werden. Durch die Differenzierung des Schuldbegriffes möchte der Philosoph vor  Flachheit des Schuldgeredes" bewahren.

Er zeigt, wann politische Schuld zur moralischen wird und hält fest, dass dort, wo Macht sich nicht begrenzt Gewalt und Terror herrscht und am Ende die Vernichtung von Dasein und Seele. Deshalb müssen Bindungen gelten, damit Gewalt und Terror nicht durchbrechen, weil Bindung letztlich Verzicht auf Willkür bedeutet. Dennoch wird immer ein Rest von Gewalt bleiben, dessen muss man sich bewusst werden. Jaspers resümiert in diesem Zusammenhang: " Es ist eine Täuschung, dass das Recht als solches sich zuverlässig durchsetze. Wie auch Wahrheit, und nicht nur die Unwahrheit einen Advokaten braucht, so braucht Recht Macht, die schon die Macht des Rechts selber ist."(S.367)

Ein interessantes Buch, das folgende Fragen klug beantwortet: Was ist der Mensch? Was ist Philosophie? Was bedeutet Transzendenz und was vermag die Philosophie in dieser Welt?

Empfehlenswert. Hoffentlich wird es bald wieder neu aufgelegt.



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