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Rezension:Von der Freundschaft: Ein Lesebuch (Broschiert)

Latein war mein Lieblingsfach in der Schule. Mit großem Vergnügen las ich damals Ciceros "Laelius" im Original, viel später dann las ich Gedanken über die Freundschaft von Michel de Montaigne, von Francis Bacon, von Immanuel Kant und von Friedrich Schiller. Mich interessierte immer wie Dichter und Denker den Begriff " Freundschaft" mit Inhalt füllten. Wann ist man ein guter Freund? Wodurch zerbricht Freundschaft? Ich denke, einzig durch Verrat.

In einer meiner jüngste Rezensionen sage ich:<< In meinen Augen gibt es kein schöneres Geschenk als dieses, eines anderen Menschen Freund sein zu dürfen. Nicht jedem wird dieses Geschenk zuteil. Ich glaube, dies ist auch der Grund, weshalb viele Menschen so unzufrieden sind. Eines anderen Freund sein zu dürfen bedeutet, von einem Du völlig uneigennützig angenommen worden zu sein. Wenn man sich selbst bemüht Freund zu sein, dann hat man meines Erachtens die größte Chance auch Freunde zu bekommen. Der Beginn einer Freundschaft setzt Respekt vor dem Du voraus. Wer nicht gelernt hat, sich und seine Gegenüber "o.k." zu finden, wird niemals Freunde haben.<< Meine Gedanken sind freilich sehr schlicht, gemessen zu den hochphilosophischen Einlassungen der Essayisten im Buch, so dass ich mich im Nachhinein fast schäme, sie öffentlich festgehalten zu haben.

Im Lesebuch der Herausgeberinnen Silvia Bovenschen und Juliane Beckmann reflektieren Silvia Bovenschen, Sappho, Platon, Aristoteles, Cicero, Lukian, Aelred von Rievvaulx, Michel de Montaigne, Francis Bacon, Friedrich Gottlieb Klopstock, Immanuel Kant, Mathhias Claudius, Johann Gottfried Herder, Christian Daniel Friedrich Schubart, Adolph Freiherr von Knigge, Friedrich Schiller, Franz Grillparzer, Friedrich Hölderlin, Clemens Bretano, Bettine von Arnim, Karl Philipp Moritz, Sören Kierkegaard, Friedrich Nietzsche und Rainer Maria Rilke den Freundschaftbegriff.

Die Texte zeigen, dass Freundschaft viele Varianten kennt, aber vergleichsweise wenig Unverträglichkeit, wie Bovenschen gleich zu Beginn unterstreicht. Bemerkenswert auch ihre Reflektion, dass es anders als bei der Liebe kaum den Ausweg in Lyrismen gibt: Man spricht kaum von "Freundschaftslyrik". Angesiedelt ist Freundschaft in einer sozial und kulturell nicht leicht auszumachenden Zwischensphäre - zwischen Verwandtschaft, Liebe und Bekanntschaft. Bovenschen erwähnt in ihrem Essay Siegfried Kracauer, der im Gespräch den >>Hauptreiz<< der Freundschaft erkennt . "In ihm, dem Gespräch der Freunde, werde das schnelle Gleiten von den >>leichtesten Scherzworten<< zu den >>innerlichsten Antworten möglich, die unaufhörliche Berührung von >>Tiefe und Oberfläche, Alltag und Ewigkeit<<, >>das gemeinsame Durchmessen weiter Räume<< in einem <<< ", zitiert Bovenschen Kracauer. Gefallen hat mir die Metapher des Tanzes, weil sie die hohe Flexibilität der Freundschaft, die zeitgleich eine soziale Flexibilität darstellt, vor Augen führt.

Die Essays und Gedichte zeigen eine ganze Palette von Freundschaftreflektionen. Ihnen gemeinsam ist tatsächlich der Gedanke, dass Freundschaft einem kommunikativen Tanz mit einem Du gleichkommt.

Selten habe ich ein so beeindruckenderes Gedicht zum Thema Freundschaft gelesen wie " Requiem" von Rilke , das er für eine Freundin, ich vermute für Lou Andreas-Salomé, schrieb. Das Gedicht ist zu lang, als dass ich es hier wiedergeben könnte.
Eine paar Zeilen allerdings möchte ich zitieren:
".....
.........
Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist:
die Freiheit eines Lieben nicht vermehren,
um alle Freiheit, die man in sich aufbringt,
Wir haben, wo wir lieben nur dies:
einander lassen, denn dass wir uns halten,
das fällt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.
....."

Kant bringt es in seinem Essay auf den Punkt: "Ohne Freund ist der Mensch ganz isoliert. Durch Freundschaft wird die Tugend im Kleinen kultiviert."

Ein lesenswertes Buch. 


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